4. Adventsonntag (A), 18.12.2022, Mt 1,18-24, Hinführung
Anna Kraml, MA, Fachreferentin Bibelpastoral
Zwei Evangelien schildern uns die Geburt Jesu auf zwei unterschiedliche Weisen: Das
Matthäusevangelium und das Lukasevangelium. Meinen Schülerinnen und Schülern
erkläre ich gerne, dass es sich um zwei verschiedene Blickwinkel handelt. Das
Lukasevangelium nimmt die Perspektive Marias besonders stark wahr, was sich
insbesondere im Vorfeld der Geburt Jesu (Lk 1,26-38.46-56) zeigt. Das
Matthäusevangelium nimmt Josef in den Blick. Es erklärt, warum Josef in einem antiken
Umfeld, in dem die Schwangerschaft einer Verlobten einem Ehebruch gleichkommt, Maria
nicht verlässt.
Wie aber muss diese Botschaft auf Josef wirken? In einer Zeit, in der die Frau vollkommen
von ihrem Mann abhängig war und in der die Jungfräulichkeit einer Frau ihren
„Wert" ausmachte. „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen" (v20),
formuliert der Engel. „Fürchte dich nicht", der Emotion Josefs wird Raum gegeben. Er
befindet sich in einer schwierigen und herausfordernden Lage, ebenso wie seine Verlobte
Maria. „Fürchte dich nicht", es sind geflügelte Worte in der Bibel. Über 300 Mal werden sie
verwendet – entweder im Singular oder im Plural „fürchtet euch nicht". Immer wieder
begegnen sie an entscheidenden Stellen – besonders dort, wo Gott mit den Menschen in
Kontakt kommt. Wo Gott die Menschen zum Teil seines Wirkens macht. „Fürchte dich
nicht" ist aber immer auch mit dem Zuspruch Gottes verbunden. Mit seiner Anwesenheit
im Leben der Menschen. Mit seiner Zusage, dass herausfordernde Situationen nicht allein
bewältigt werden müssen. „Fürchte dich nicht."
Nicht umsonst begegnet das Zitat im Vorfeld der Geburt Jesu – sowohl im Matthäus- als
auch im Lukasevangelium (Lk 1,30). Josef wird in einer stürmischen Situation zu einem
Festpunkt. Zu einem Standplatz, könnte man es in den Worten der Kletterer ausdrücken.
Er gibt die Sicherheit, die Maria und das ungeborene Kind benötigen. Auch er ist ein Teil
dieser Heilsgeschichte. Auch an ihm verwirklicht sich das göttliche Heil: Gott ist da. Er
muss sich nicht fürchten, er wird nicht allein gelassen. „Fürchte dich nicht", drei
unscheinbare Worte, die eine enorme Wirkkraft haben und sich letztlich im Leben Jesu
entfalten. Die Heilsgeschichte beginnt mit einer Zusage an zwei Menschen. Mit der
Versicherung, nicht allein gelassen zu sein.
Fragen zum Weiterdenken:
„Fürchte dich nicht." An welchen Punkten in unserem Leben fürchten wir uns? Wo
brauchen und spüren wir Gottes Anwesenheit in unserem Leben am meisten?
Hinführungen der Weggemeinschaften - ein Projekt der missionarischen Pastoral der
Diözese Innsbruck, www.geistreich.tirol
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Hier zum Nachhören
Kategorie: Hinführung, Lesejahr A
Datum: 13.12.2022
GEISTreich - Diözese Innsbruck
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