„Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will."
Seien wir doch mal ehrlich: Wenn unsere beste Freundin uns sagt, dass sie in der Zukunft viel leiden muss, gemobbt werden wird und diese Anfeindungen auch zu ihrem Tod führen kann – wer würde da nicht wie Petrus im Evangelium reagieren? Wer würde da nicht sagen „ Das soll Gott verhüten. Das darf nicht mit dir geschehen!"? Bei dieser zutiefst menschlichen Reaktion erscheint die Antwort Jesu besonders hart: „Tritt hinter mich, du Satan!" Feinfühligkeit schaut anders aus. Warum reagiert Jesus so barsch?
Ich kann mir verschiedene Gründe vorstellen: Den Willen des Vaters zu tun, gerade wenn dieser beinhaltet zu Leiden und zu Sterben, war sicherlich auch für Jesus kein Selbstläufer. Wahrscheinlich musste auch er sich immer wieder dazu durchringen, diesen Willen seines Vaters anzunehmen. Verunsichernde Gegenstimmen konnte er da nicht gebrauchen. Ein zweiter Grund mag sein, dass er (wieder einmal) den Jüngern begreiflich machen wollte, dass Gottes Pläne nun mal nicht die unseren sind. Da braucht es Vertrauen in Gott, gerade wenn der Sinn bestimmter Situationen nicht gleich ersichtlich ist. Und drittens wird in dieser Situation deutlich: es geht Jesus nicht darum, eine nette kleine Gruppe aufzubauen, mit denen er gut kann, in der man sich wohlfühlt, die die Botschaft Gottes zwar lebt und verkündigt aber sonst sich selbst genügt. Um die Botschaft, dass Gott einen jeden Menschen bedingungslos liebt, bis in letzte Konsequenz hinein zu verkünden, „braucht" es die Bereitschaft zu Leiden und zu Sterben. Jesus hatte das verstanden und angenommen, Petrus war da nicht ganz so schnell von Begriff.
Mich beeindruckt immer wieder das „tritt hinter mich". In anderen Übersetzungen wird diese Stelle mit „weg mit dir, Satan" übersetzt. Letzteres erscheint mir noch harscher, da Jesus Petrus (erst einmal) wegschickt. Das „tritt hinter mich" impliziert vielmehr ein „reih dich wieder ein.", „tritt wieder in meine Nach-Folge ein, aus der du herausfällst, wenn du dich nicht am Willen des himmlischen Vater ausrichtest". Jesus weißt somit Petrus wieder seinen Platz zu – hinter ihm; in seiner Nachfolge.
Die Größe von Petrus ist es, diesen trotz der harschen Worte, wieder einzunehmen.
Fragen zum Weiterdenken:
Wo braucht es bei mir ein „mich in die Nachfolge Jesu Einreihen"?
Welche Situationen habe ich erlebt, in denen ich wie Petrus reagiert habe? Konnte mich da das Vertrauen in Gott hindurchtragen?
„Für wen haltet ihr mich?" (Mt. 16,15)
Absolut Liebe
Ich habe einen liebenswürdigen Benediktinerpater gekannt, der sein ganzes Leben lang jeden Tag an einem – seinem – Jesus-Bild malte. Das Bild änderte sich jeden Tag und wuchs im Lauf der Jahre Schicht um Schicht, bis es sogar zu einem über einen Meter hohen Block wurde. Mich fasziniert dieser Pater bis heute. Täglich stellte er sich der Frage Jesu: Für wen hältst du mich? Wer bin ich für Dich? Was bedeute ich Dir? Wie in jeder Beziehung war die Antwort Schwankungen und Stimmungen unterworfen und fiel nicht immer gleich aus. Aber solange jemand sich täglich diese Frage stellt, ist die Beziehung lebendig. Auch in der Beziehung zu Gott und Jesus gehören ehrliche Suche, Fremdheit, Unsicherheit, Zweifel und ein gelegentlicher „Clinch" einfach dazu.
Für wen halte ich Jesus? Heute?
Für mich ist Jesus von Nazareth der größte Liebende, der je auf der Erde war. Seine Liebe war so unbedingt, dass in seiner Nähe Menschen glücklich wurden, weil sie ihre wahre Würde entdeckten. Sie erlebten, dass sie wirklich von Gott absolut und grenzenlos geliebt sind. Vor jeder Leistung. Trotz aller Schuld. Das befreit. Und wie! Viele lernen ganz neu sehen und hören. Kraftlose können wieder ihren eigenen Weg gehen. Wer von alten Lasten niedergedrückt ist, kann sich wieder aufrichten und den Menschen ins Gesicht schauen. Wer mit dem Leben schon abgeschlossen hatte, entdeckt neue Perspektiven. Jesus kündigt die Liebe auch nicht auf, als er angefeindet wird. Nicht einmal am Kreuz! Er hat die göttliche Liebe ganz intus. Er definiert seinen Wert nicht von den anderen, sondern ganz von Gott her.
Er zeigt auch mir, als was ich gedacht, mit welcher Würde ich ausgestattet bin: geliebter Sohn Gottes / geliebte Tochter Gottes zu sein, Gottes Ebenbild.
Sein Weg bietet das Wesentliche für die Sinnsuche und das Zusammenleben der Menschen. Seine Liebe schließt den Himmel auf.
Er verdient mein volles Vertrauen.
20. Sonntag im Jahreskreis (A), 20.8.2023, Mt. 15, 21-28,
Mag. Gebhard Ringler, Priester und Logotherapeut, Gründer und langjähriger Leiter des Brunnen im Dez.
„Was Du willst, soll geschehen." (Mt. 15,28)
Grenzen sind veränderbar
Jesus befindet sich im Ausland. Dort tritt eine Frau an ihn heran mit der Bitte um Gesundheit für ihre kranke Tochter. Jesus gibt keine Antwort. Die Frau lässt sich nicht abwimmeln, läuft schreiend hinter ihm her. Den Jüngern geht sie schon auf die Nerven. Hört er sie nicht? Hat er kein Erbarmen? Den Jüngern gegenüber erklärt er, seine Verantwortung habe eine klare Grenze, er sei nur für die Israeliten zuständig.
Aber die Frau lässt nicht locker. Sie hat Ausdauer. Und sie hat das gesunde Selbstbewusstsein (oder war es einfach der Leidensdruck?), zu widersprechen, zu argumentieren, zu kämpfen. Sie tut das auf kluge Art: Einerseits das Gegenüber respektieren (sie verneigt sich tief vor Jesus), anderseits zu sich stehen („Ich brauche Hilfe"). Einerseits zustimmen („Du hast recht"), anderseits nicht gleich klein beigeben („Aber ..."). Nicht ein Machtspiel ist es, worauf die Frau hinaus will. Auch nicht Wichtigmacherei. Gerade weil es ihr nicht um sie selbst geht, kann sie kreativ und lösungsorientiert denken.
„Dein Glaube ist groß!" lobt Jesus ihre Haltung, und gibt ihr die Zusage: „Was Du willst, soll geschehen." Ihr Vertrauen wurde belohnt. Ihre Tochter wurde gesund.
Aus der anfänglichen Ablehnung und Abgrenzung zwischen Jesus und der nichtjüdischen Frau ist eine Begegnung auf Augenhöhe geworden, gekennzeichnet von Gleichwertigkeit und gegenseitiger Achtung.
Die Frau hat sich und die Gesundheit ihrer Tochter ernst genommen, so ernst, dass sie sich nicht vor eventuellen Nachteilen fürchtete, alle Kraft einsetzte, allen Willen, allen Verstand. Weil sie es wirklich wollte, konnte ihr von Gott geholfen werden.
Diese Geschichte zeigt uns auch einen lernfähigen Jesus. Durch das unerschütterliche Vertrauen der Frau lernt Jesus, dass seine Wirksamkeit nicht an den Grenzen Israels endet. Die Frage war und ist nicht: Jude oder Nicht-Jude, bzw. heute: Kirche oder Nicht-Kirche? Die Frage ist: Glaube – oder Nicht-Glaube?
19. Sonntag im Jahreskreis (A), 13.8.2023, Mt. 14,22-33,
Mag. Gebhard Ringler, Priester und Logotherapeut, Gründer und langjähriger Leiter des Brunnen im Dez.
„Er bekam Angst und schrie ... Jesus streckte sofort die Hand aus und ergriff ihn."
(Mt. 14,30.31)
Jesus – der starke Verbündete
Angst ist ein natürliches Phänomen im Leben. Sie kann ein wichtiges Signal sein, das bei Gefahr zur Vorsicht mahnt. Sie bewahrt uns davor, uns selbst zu überschätzen, damit wir am Boden der Realität zu bleiben. Leider bläst sich die Angst manchmal selbst auf und hat nichts mehr mit der Realität zu tun, entspricht weder den Tatsachen noch der Gefahr, vor der sie ursprünglich warnen wollte. Dann passiert es, dass nicht mehr wir die Angst haben, sondern dass sie uns hat, und wir in ihr unterzugehen drohen.
Ein wichtiger Schritt, die Angst in ihre Schranken zu weisen, ist es, den Blick neu auf die Tatsachen hin zu lenken. Die Wirklichkeit und das, was wir in unserer Phantasie daraus machen, sind zweierlei.
Im Evangelium dieses Sonntags schreien gestandene Männer vor Angst. Auch sie verwechseln die Wirklichkeit mit ihren Befürchtungen. Sie meinen, ein Gespenst zu sehen. Mal langsam also: genau hinschauen, genau hinhören! Was auf sie zukommt, ist der ihnen gut bekannte Jesus – und nicht ein Gespenst.
Und noch ein zweiter Perspektivenwechsel ist hilfreich: der Blick weg vom Bedrohlichen, vom Auslöser der Angstzustände – hin zum Rettenden.
Als Petrus nämlich aus dem Boot aussteigt und die Gewalt des Sturmes – die Wirklichkeit! – wahrnimmt, sinkt er. Da braucht er den konsequenten Blick auf den bereits zum Greifen nahen Retter, auf Jesus. Dieser streckt sofort (!) seine Hand aus und fasst den untergehenden Petrus. Es ist Übermut (und nicht Mut), Selbstüberschätzung (nicht Vertrauen), auf dem Wasser gehen zu wollen. Es hat keinen Sinn, sich, anderen oder auch Jesus etwas beweisen zu wollen. Vertrauen ist es, in dem – wenn auch wankenden – Boot zu bleiben und den „Menschensohn" zu sich ins Boot zu bitten. Als der „Christus" hat er alle Mächte im Griff.
Nicht dass ich als Glaubender keine Angstzustände kennen dürfte – aber ich darf wissen, dass ER auf meiner Seite ist, mit mir im Boot. Er ist mein wichtigster und stärkster Verbündeter.
Ich wünsche uns allen dieses Vertrauen.
Fest der Verklärung des Herrn, 6. August 2023, Mt. 17,1-9
Mag. Gebhard Ringler, Priester und Logotherapeut, Gründer und langjähriger Leiter des Brunnen im Dez.
„Er wurde vor ihren Augen verwandelt." (Mt. 17,2)
LICHTGESTALT
Das heutige Evangelium erzählt von einer Bergtour, die Jesus mit Petrus, Jakobus und Johannes auf einen hohen Berg führte.
Dort sehen die 3 ihren Freund und Meister plötzlich in einem ganz neuen Licht, wie sie ihn vorher noch nie gesehen hatten. Sie begannen, etwas von seinem wahren Wesen zu begreifen.
Das Licht, das er ausstrahlte, hatte damit zu tun, dass er ganz eins war mit Gott und sich ganz von Gott geliebt wusste. Das strahlte er aus.
Wer sich von Gott geliebt weiß, kann in anderen Menschen das Gute sehen, ihren guten Kern wertschätzen - und die verborgenen guten Eigenschaften hervorlocken.
Wer sich von Gott geliebt weiß, wird für die Mitmenschen zu einer Lichtgestalt:
Licht, das den Weg erleuchtet, das Herz erwärmt, die Gedanken erhellt und die Angst vor den Abgründen kleiner macht.
Wenn man einem solchen Menschen begegnet, wird man freier, leichter, froher; da wird Abgestorbenes wieder lebendig, da geschieht Auferstehung.
Sicher kennen Sie solche Lichtgestalten.
Vielleicht sind Sie selber eine?
17. Sonntag im Jahreskreis (A), 30.07.2023, Mt. 13, 44-52, Hinführung
Gudrun Guerrini, Gemeindeberaterin, Mitglied der Weggemeinschaft Hall-Schönegg
Wieder hören wir am Sonntag drei Gleichnisse zum Reich Gottes bzw. zum Himmelreich, wie es Matthäus nennt. Mit ihnen schließt die Gleichnisrede des Matthäusevangeliums (Kapitel 13) ab.
Kurz und prägnant sind die Gleichnisse vom Schatz und von der Perle. Handlungsträger sind ein Mann (13,44), vermutlich aus ländlicher Gegend und bäuerlichem Milieu bzw. ein Kaufmann (13,45), vielleicht ein Perlenhändler oder zumindest jemand, der eine persönliche Vorliebe für Perlen hat. Es wirkt, als ob der Schatz im Acker eher ein Zufallsfund ist, hingegen das Auffinden der kostbaren Perle das Ergebnis eines gezielten Suchprozesses. Beeindruckend ist der enorme Einsatz der beiden, sie geben alles, um den Schatz bzw. die Perle zu erlagen. Berührend ist die Freude über den Fund.
Bereits in der Bergpredigt (Mt. 5-7) spricht Jesus von unterschiedlichen Schätzen (Mt. 6,19-21) und schließt seine Ausführungen mit dem bekannten Satz: „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz" (Mt. 6,21)
Wenn wir Schatz sagen, meinen wir Unterschiedliches: das Leben allgemein, geliebte Menschen, Beziehungen, Erinnerungen, den Glauben, materielle Dinge und Immaterielles. Schätze sind kostbar. Manches ist uns vielleicht einfach so in den Schoß gefallen, für anderes haben wir Mühe und Sorgfalt aufbringen und uns anstrengen müssen. Die unbändige Freude über das Kostbare, das wir gefunden haben und das Gefühl, den sprichwörtlichen Himmel auf Erden zu erleben sind ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes, das sich hier und jetzt schon ereignet. Vielleicht schlummert auch mancher Schatz noch als Sehnsucht verborgen in unseren Herzen und wartet darauf, gesucht und gefunden zu werden.
Im Gleichnis vom Fischernetz (nur bei Matthäus) wird zunächst ein Vorgang beschrieben, der zur Fischerei mit Schleppnetzen dazugehört: Das Sortieren des Inhalts der Netze. Alles, was sich im Netz verfangen hat und aus unterschiedlichen Gründen (Größe, Reinheitsvorschriften,...) nicht verwertbar ist, wird entweder wieder zurück ins Wasser geworfen oder aussortiert. Ein an sich normaler Vorgang auf der Bildebene des Gleichnisses bekommt bei Matthäus eine moralische Bedeutung, weil der damit Gedanken zum Weltgericht verbindet, die auch im Gleichnis vom Unkraut und Weizen (Mt. 13,24-30 bzw. Mt. 13,36-41) aufleuchten. Ausführlich behandelt wird dieses Thema in der Gerichtsrede (Mt. 24-25).
Als Jesus die ersten Jünger beruft, spricht er davon, sie zu Menschenfischern zu machen (Mt. 4,19). Im Bild des Gleichnisses wird ihnen und uns noch einmal verdeutlicht, was auch Jesus selber praktiziert. In seinem „Netz" haben alle Platz, er selbst trifft keine Vorauswahl bezüglich der Adressaten seiner Botschaft. Es steht den Hörenden frei, wie sie sich zu seiner Botschaft verhalten. Es liegt in ihrer Entscheidung, sie anzunehmen oder abzulehnen. Jesus wollte alle „einsammeln". Mit seiner Botschaft zeigt er jedoch klare Kante, was die Zuhörenden quasi dazu zwingt, sich im Spektrum von Zustimmung – Gleichgültigkeit – Ablehnung zu positionieren.
Wenn Matthäus im Zusammenhang vom Reich Gottes von Gericht spricht, will er die Zuhörenden damals und auch uns heute aufrütteln: Es geht um etwas Zentrales. Mach deine Ohren auf und höre! (vgl. Mt. 13,43) Reich Gottes ist keine beliebige Sache. Entscheide dich, ob du dich drauf einlässt und mitwirken willst.
1. Was sind die Schätze/die Perlen Ihres Lebens? Woran können sie sich aus tiefstem Herzen freuen? Wofür setzen Sie sich mit aller Kraft ein? Wofür sind Sie bereit, alles zu geben?
2. Nehmen Sie sich Zeit, die Gleichnisrede (Mt. 13) als Ganzes zu lesen. Welches Gleichnis spricht Sie zurzeit am meisten an? Was ist ihnen über das Reich Gottes (neu) bewusst geworden? Wo sehen Sie in Ihrem Umfeld Zeichen dafür, dass es anfanghaft bereits da ist?
16. Sonntag im Jahreskreis (A), 23.07.2023, Mt 13,24-43, Hinführung
Gudrun Guerrini, Gemeindeberaterin, Mitglied der Weggemeinschaft Hall-Schönegg
Gleich drei Gleichnisse hören wir im Sonntagsevangelium, sie alle beginnen mit: „Mit dem Himmelreich ist es wie...". Zum richtigen Verständnis ist es wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass Matthäus mit Himmelreich nicht eine jenseitige Welt meint. Gemeint ist das Reich Gottes, also „Gottes neue Welt", die jetzt schon anfanghaft da ist, sichtbar und spürbar, wenngleich auch die Vollendung dieser neuen Welt noch aussteht. Jedes der vorliegenden Gleichnisse betont unterschiedliche Aspekte.
Im Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen erfahren wir: Das Reich Gottes gedeiht nicht unter Laborbedingungen. Es ist mit Unerwünschtem und mit Störungen zu rechnen, auch mit Boshaftigkeit und Kräften, die entgegenwirken. (V 25-26) Umso erstaunlicher ist die Aufforderung, das Nebeneinander von Gutem und Bösen zunächst auszuhalten, zuzuwarten und die ultimative Beurteilung und Unterscheidung Gott zu überlassen.
Das Gleichnis vom Senfkorn gibt Anlass zu großer Hoffnung. Die Pointe liegt im Gegensatz: Das kleinste Samenkorn bringt ein riesiges Gewächs hervor, das alle anderen überragt. Wir wissen, dass es kleinere Samenkörner gibt als das Senfkorn und größere Staudengewächse als die Senfstaude. Dieses Gleichnis sagt uns aber in bildhafter Weise, dass das Reich Gottes alles Bestehende überstrahlen kann. So wie der Senfstrauch als Nistplatz gesucht wird, haben auch Orte, wo Menschen unter dem Vorzeichen von Gottes neuer Welt miteinander leben, eine besondere Ausstrahlung und Anziehungskraft. Das Potenzial dazu schlummert im Kleinen, in den kleinen Anfängen, in dem, was auch kleine, einfache Leute beginnen können.
Ähnliches beschreibt das Gleichnis vom Sauerteig. Es ist faszinierend, welche Wirkung Sauerteig im Zusammenspiel mit anderen Backzutaten erzielt, er ist im wahrsten Sinn des Wortes eine „treibende Kraft". Die im Gleichnis erwähnte Menge Mehl (ca. 40 kg) ist beachtlich, aber gemäß dem Spruch „kleine Ursache-große Wirkung" wird dennoch der gesamte Teig durchsäuert, nicht zuletzt dank der Geduld und Ausdauer der Frau.
Diese drei Gleichnisse sind sehr anschaulich und eignen sich dazu, sie auf verschiedenen Ebenen mit konkreten Erfahrungen in Verbindungen zu bringen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wir bewegen uns oft in unserer eigenen „bubble", also mit Menschen die uns ähnlich sind. Wie denken und reden wir über diejenigen, die anders sind und andere Werte haben? Wie gehen wir in unseren Pfarren mit „den Anderen" um?
• Aus einer unscheinbaren Idee, aus einem kleinen Projekt wird etwas Großes – welche aktuellen Beispiele fallen Ihnen dazu ein? Was davon passt ihrer Ansicht nach zum „wachsenden Reich Gottes"?
• Welche Gottesbilder entdecken Sie in diesen Gleichnissen?
15. Sonntag im Jahreskreis (A), 16.07.2023, Mt 11,25-30, Hinführung
Gudrun Guerrini, Gemeindeberaterin, Mitglied der Weggemeinschaft Hall-Schönegg
Kapitel 13 des Matthäusevangeliums enthält die so genannte Gleichnisrede, eine der fünf großen Reden Jesu, die für das Matthäusevangelium charakteristisch sind. An den kommenden drei Sonntagen werden abschnittweise alle sieben Gleichnisse in den Gottesdiensten zu Gehör gebracht. Mit einer Ausnahme lautet die Einleitung stets „Mit dem Himmelreich ist es wie...". Das verdeutlicht, worum es Jesu geht. Sein zentrales Anliegen ist, den Menschen die Botschaft vom Reich Gottes näherzubringen. Auch wir, die LeserInnen heute, sind angehalten, die Gleichnisse auf dieses zentrale Anliegen hin zu lesen.
Das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9) ist sehr bekannt. Wir kennen die Logik von Aussaat und Ernte. Ziel der Aussaat sind Wachstum und Ertrag. Daher irritiert uns Menschen von heute vielleicht die Arbeitsweise des Sämanns, der sein Saatgut scheinbar planlos ausstreut. Man muss jedoch wissen, dass die Felder damals keineswegs den Anbauflächen in Österreich heute gleichen. Die Humusschicht in südlichen Ländern ist oft nur sehr dünn, der Boden von Gestein durchsetzt, von kleinen Trampelpfaden durchzogen und keineswegs unkrautfrei. Jeder Sämann zur Zeit Jesu weiß: Die Saat, die verloren geht, kann man verkraften, weil der fruchtbare Boden das ausgleicht. Diejenigen Samenkörner, die dort aufgehen, bringen einen sehr hohen Ertrag (V 8: dreissig-, sechzig-, hundertfach).
Die Deutung des Gleichnisses durch Jesus (Mt 13,18-23) erklärt: Die Saat ist das Wort, die Botschaft vom Reich Gottes, bei Mt häufig Himmelreich genannt. Das Feld sind die Menschen – unterschiedlich bereit, das Wort aufzunehmen obwohl sie es hören und obwohl sie die Zeichen sehen, die Jesus tut. Aber Jesus trifft bei seiner Verkündigung keine Vorauswahl. Er spricht zu allen Menschen (V2). Weil viele „hören und doch nicht hören, sehen und doch nicht sehen und nicht verstehen" sind die Gleichnisse eine Hilfe, die Kernbotschaft Jesu unter Zuhilfenahme von Vorgängen aus dem Alltagsleben anschaulich zu machen (V13).
Im Gleichnis und in der Deutung Jesu findet der Spannungsbogen im guten, fruchtbaren Boden seinen Höhepunkt. Der fruchtbare Boden aus dem Gleichnis (V8) entspricht in der Deutung Jesu einem Menschen, der das Wort/die Botschaft hört, sie aufnimmt und Frucht bringt. (V 23).
Die Redewendung „etwas fällt (bei mir) auf fruchtbaren Boden" ist uns in unserem Sprachgebrauch geläufig und basiert auf dem Bild einer inneren Landschaft, die vielleicht ähnlich aussieht wie das oben beschriebene Feld im Gleichnis. Der fruchtbare Boden steht für die Fähigkeit und Bereitschaft, etwas aufzunehmen. Bemühen wir uns, diesen fruchtbaren Boden in uns zu pflegen um empfänglich zu sein für das, was durch Jesus ausgesät ist.
Von Frere Roger aus Taizé ist folgendes Zitat überliefert: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es." Er drückt in seinen Worten aus, was in V 23 beschrieben ist und nimmt gleichzeitig den Druck und die Angst vor Überforderung. Wer Jesus nachfolgen möchte, darf ruhig klein und bescheiden anfangen mit dem, was er/sie verstanden hat. Das Bild im Gleichnis stimmt zuversichtlich. Aus jedem Samenkorn, das aufgeht, wächst eine volle Ähre mit reicher Frucht.
Fragen zum Weiterdenken:
• Spruchkarten mit kurzen und knackigen Botschaften sind sehr beliebt. An zentralen Plätzen im Wohnbereich aufgestellt erinnern sie an etwas, das uns wichtig ist, Halt und Orientierung gibt.
Besitzen Sie eine Spruchkarte, die mit der Botschaft Jesu zu tun haben könnte?
Was haben Sie vom Evangelium verstanden? Was würden Sie auf ihre persönliche Spruchkarte schreiben?
• Das Bild der Aussaat und die im Gleichnis beschriebene Dynamik ist in verschiedenen Bereichen (Erziehung, Bildung,...) sehr beliebt. Was können wir vom Sämann Jesus lernen?
• Was ist für Sie die frohe Botschaft des Gleichnisses?
14. Sonntag im Jahreskreis (A), 09.07.2023, Mt 11,25-30, Hinführung
Gudrun Guerrini, Gemeindeberaterin, Mitglied der Weggemeinschaft Hall-Schönegg
Das Evangelium beginnt mit einem Lobpreis Jesu (11,25-27), der sich an den Vater richtet. Diesem Gebet liegt die Erfahrung Jesu zugrunde, dass die einfachen und weniger gebildeten Menschen (=die Unmündigen) leichter den Zugang zu seiner Botschaft vom Reich Gottes finden als die Pharisäer und Schriftgelehrten (=die Klugen und Weisen). In Jesus gibt sich Gott auf einzigartige Weise den Menschen zu erkennen. Was Jesus verkündet, kommt unmittelbar von Gott.
Direkt daran dann schließen drei Einladungen Jesu an die Menschen (=alle) an:
• Kommt alle zu mir! (V 28). Nehmt mein Joch auf euch! Lernt von mir! (V 29)
• Was stellt Jesus dafür in Aussicht? Erquickung (= neue Frische, Erholung V28), Ruhe für die Seele (V 29)
• Wie findet man Ruhe für die Seele? Indem man das sanfte Joch Jesu und seine leichte Last (V 30) auf sich nimmt und von ihm lernt.
• Warum sollte man sich auf das „Joch Jesu" einlassen? Jesus ist die Güte in Person und einer, der sich in den Dienst der Menschen stellt und dient (V 29).
Entlastung und Ruhe für die Seele - wer sehnt sich nicht danach? Viele Menschen stehen unter dem Joch des Funktionieren-Müssens. Sie sind fest eingespannt, den Karren des eigenen Lebens zu ziehen. Damit einher geht oft der Raubbau an der eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit, Beziehungen werden aufs Spiel gesetzt und man wird für die eigenen Bedürfnisse und die der Mitmenschen taub.
Woher alle diese Sachen kommen, die zur übermächtigen Last werden können, ist unterschiedlich.
• Verpflichtungen aus Alltag und Beruf
• Erwartungen anderer (Eltern, Freunden, soziales Umfeld, Pfarre, ...), die erfüllt werden müssen
• Konsequenz aus Entscheidungen, die man einmal getroffen hat (Kreditrückzahlungen, ...)
• Schicksal (z.B. Krankheit, Jobverlust, ...)
• Folgen von Großereignissen (Kriege, Teuerung, Inflation ...) und einer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die sich mehr um die „Klugen und Weisen", (= die mit den gefinkelten Beratern und mächtigen Netzwerken) kümmert als um die Menschen, die hart ums Überleben kämpfen
Es wäre lohnend, mit den Augen Jesu auf diesen Karren des eigenen Lebens zu schauen und zu überlegen, was man „abladen" könnte? Nicht vorbeikommen wird man dabei auch an der Frage, wer es ist, der einem immer wieder neue Lasten auferlegt.
Ein Joch ist beides: Sinnbild für Unterdrückung und Zwang aber auch Tragehilfe. Das Joch Jesu will Menschen nicht ihrer Freiheit berauben und sie vor irgendeinen Karren spannen. Das Joch Jesu, seine Liebe und seine Bereitschaft zu dienen, sind vielmehr eine Tragehilfe für das, was das Leben uns aufbürdet. Er stärkt uns auch darin uns zu wehren gegen diejenigen, die uns für ihre Interessen einspannen bzw. Menschen um des eigenen Profts willen versklaven.
Fragen zum Weiterdenken:
• Lieben und geliebt werden hilft, vieles im Leben zu (er)tragen. Welche Beispiele fallen Ihnen dazu ein? Was bedeutet es Ihnen in dem Zusammenhang, „Gottes geliebtes Kind" zu sein?
• Wo werden Menschen unterdrückt und klein gemacht? Wie könnte man sich als Einzelperson/als Pfarre dagegen engagieren?
13. Sonntag im Jahreskreis (A), 02.07.2023, Mt 10,37-42, Hinführung
Claudia Hubert, Referentin für missionarische Pastoral
Dem vorliegenden Abschnitt aus dem Matthäus Evangelium geht ein Micha-Zitat unmittelbar voran (Mi 7,6 in Mt 10,35-36): „Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein." Matthäus stellt mit diesem Prophetenwort die Entscheidung für Jesus über die Entscheidung für die engsten Beziehungen zu Eltern und Kindern. Das Mehr-Lieben weist dabei darauf hin, dass es um den Konfliktfall geht. Eine Nachfolge Jesu beißt sich nicht mit der Kinder- und Elternliebe. Doch geht es eben um ein Mehr-Lieben.
Die Nachfolge Jesu wird dann auf den Ernstfall hin konkretisiert: die Aufnahme des eigenen Kreuzes, wenn es die Situation erfordert. Matthäus nennt die Aufnahme des Kreuzes und nicht dessen Tragen. Damit setzt er den Akzent auf den Beginn des Kreuzweges, auf den je eigenen ersten Schritt. Die Kreuzesnachfolge spielt bei Matthäus auf das Martyrium an, weil er die Lebensgewinnung durch die Lebenspreisgabe benennt. Jedoch kann die Formulierung auch im allgemeinen Sinn verstanden werden: das Leben in der Nachfolge Jesu kann immer wieder eine Preisgabe des eignen Lebens erfordern. Darin unterscheiden sich die Bewunderer Jesu von dessen echten Nachfolgern, denn nur Nachfolger nehmen das je eigene Kreuz an.
Der zweite Teil der Lesung nimmt die Aufnahme der Gesandten bzw. die Gastfreundschaft in den Blick. Die sprachliche Ausgestaltung gibt den Zeilen eine besondere Note. Zunächst führt die Aussage zur Aufnahme aufsteigend von den Jüngern, über Jesus, zu Gott. Dann liegt in den beiden Folgeversen ein weiterer Dreischritt vor: Propheten, Gerechte und Kleine. Diese letzten Worte tragen besonderes Gewicht durch den abschließenden Amen-Satz - der „geringste" Dienst wird dadurch hervorgehoben.
Diese Logik des Kleinen oder der Kleinen, das von Gott bevorzugt wird, begegnet uns im Alten und Neuen Testament immer wieder. Gott sieht das Kleine und Verborgene; mehr noch: für ihn zeigt sich im Kleinen, die wahre Herzenshaltung des Menschen – tue ich die Dinge „nur" damit sie andere sehen und mich loben und wertschätzen? Oder tue ich sie wirklich für Gott und die Mitmenschen? Gott achtet auf das verborgene Handeln des Menschen. Wer in den Kleinen Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen.
Die Kleinen werden aber auch von Gott bevorzugt, weil es bei ihnen einen Spielraum für Gott gibt. Hier kann er eingreifen, Situationen zum Guten wenden, beschenken. Die Bedürftigkeit lädt Gott ein, zu handeln; sein Wirken sichtbar zu machen. Wenn dieser Raum, durch was auch immer, schon besetzt ist, findet er keinen Raum in unserem Leben zu wirken. Deshalb sagt Jesus an anderer Stelle: „Selig die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich" (Mt. 5,3).
Fragen zum Weiterdenken:
• Wozu kann ich in meinem Leben ganz „ja" sagen? Kann ich zu Jesus ganz „ja" sagen?
• Wo bin ich derzeit gefragt, mein Kreuz auf mich zu nehmen?
• Was kann ich der Logik des Kleinen abgewinnen?
• Gebe ich Gott Raum damit er handeln kann?
12. Sonntag im Jahreskreis (A), 25.06.2023, Mt 10,26-33, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck, bibelpastoral@dibk.at
Fürchte dich nicht – das ist leichter gesagt als getan!
Irgendwo in einem Krankenhaus lag ein kleiner Bub, der operiert werden sollte. Der Vater hatte ihn ins Krankenhaus gebracht und suchte nun dem Kleinen Mut zu machen. "Vater", sagte der Bub, "ich habe gar keine Angst, wenn du bei der Operation bei mir bleibst." Da meinte der Vater: "Gut, ich bleibe bei dir." Der Arzt erlaubte es, und so setzte sich der Vater neben sein Kind, das nun auf dem Operationstisch lag. Als der Bub betäubt werden sollte, sah er nochmals den Vater an und sagte: "Vater, bist du da?" Dann begann die Narkose zu wirken. "Nun können sie gehen", meinte der Arzt, als der Kleine eingeschlummert war, und die Operation beginnen sollte. "Nein", antwortete der Vater, "ich habe meinem Buben versprochen, bei ihm zu bleiben." "Gut, dann bleiben sie!" Die Operation gelang. Als der Bub aus der Narkose erwachte, hielt der Vater immer noch seine Hand. Da lächelte er und sagte ganz leise: "Vater, du bist da." und schlief wieder ein. Er wusste, sein Vater blieb bei ihm. (Auf die Nähe Gottes vertrauen; aus: Willi Höffsümer, Kurzgeschichten 1, Nr 92)
Angst und Furcht ist uns Menschen nicht fremd, es gibt keinen Menschen ohne Angst:
• die Angst vor gewissen Menschen oder Situationen,
• die Angst vor einer Prüfung, vor Arbeitslosigkeit und wie wir uns morgen ernähren sollen
• die Angst vor Krankheit und vor dem Tod
• die Angst, wie es mit meiner Partnerschaft weitergeht
• die Angst um die Kinder, ...
Jesus spricht heute im Evangelium auch von der Angst. Es ist hilfreich einmal genauer zu schauen:
a) von welcher Furcht spricht Jesus? b) wie rät er uns, damit umzugehen? c) wie begründet er dies?
a) Jesus spricht von der Angst im Umgang mit der Wahrheit und der Angst vor Menschen, die mir schaden wollen. Eigenartig: Es geht in beiden Fällen um eine Angst vor Menschen und im Umgang mit Menschen.
b) Jesus sagt: Fürchtet euch nicht! und wiederholt diesen Satz gleich dreimal. Jesus weiß, dass Befehle dieser Art nicht helfen – das Leben wäre zu einfach, wenn ich zu mir oder anderen sagen könnte „Hab keine Angst" und jede Angst wäre verschwunden. So einfach ist das Leben leider nicht.
c) Bei der Angst im Umgang mit der Wahrheit ist Jesus ganz nüchtern: Die Wahrheit bringt sowieso alles an den Tag: Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt ist. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag. Am besten sofort die Wahrheit sagen, dann ersparen wir uns das Zittern und die Unsicherheit, wann etwas auffliegt.
Bei der Angst vor Menschen, die mir schaden wollen sagt Jesus als Ermutigung: Mensch, du bist unendlich wertvoll, dir kann eigentlich niemand schaden, das ist höchstens ein Kratzen an deiner Würde. Du bist wertvoller als die Spatzen und sogar diese sind vor Gott wertvoll: Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Jesus unterstreicht das noch und betont, dass jeder Mensch für Gott so bekannt ist, dass Gott sogar die Anzahl seiner Haare weiß. Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.
Einer meiner Lieblingssätze heißt: Ein gläubiger Mensch hat nicht weniger Probleme, aber mehr Lösungsmöglichkeiten. Muss ich wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil. Denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. (Psalm 23)
11. Sonntag im Jahreskreis (A), 11.06.2023, Mt 11,25-30, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck, bibelpastoral@dibk.at
Evangelium vom Herz Jesu Freitag
Nehmt mein Joch auf euch
Als Kind habe ich mir manchmal gedacht: Warum braucht es denn ein Joch, das ist doch eine zusätzliche Last! Da muss ein Tier oder manchmal sogar Menschen noch mehr tragen. Inzwischen weiß ich: Das Joch hat einen großen Sinn. Es hilft, die Lasten besser und gleichmäßiger zu tragen. Das Gewicht drückt dann nicht irgendwo einseitig. Das Joch hilft, dass eine Last nicht ständig an den Füßen streift. Es hilft auch, den richtigen Schwerpunkt zu haben und aufrecht zu stehen.
„Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.", so sagt Jesus. Er spricht dann von jenen, „die sich plagen und schwere Lasten zu tragen haben." Jesus weiß, dass viele Menschen schwere Lasten zu tragen haben.
Manchmal ist es wirklich zu verzweifeln. Menschen machen sich gegenseitig das Leben schwer. Zu einer tragischen Krankheit kommt noch Arbeitslosigkeit dazu. Kinder haben keinen Halt, weil ihnen die Eltern keinen Halt geben können. Uns fallen alle viele traurige Beispiele dazu ein. „Was soll das alles?" fragen wir zu Recht. Die Realität zeigt, dass Gott solche Situationen nicht auf Knopfdruck ändert.
Jesus gibt Tipps, wie wir Lasten tragen können
Am Hilfsmittel Joch, das immer zwei tragende Teile hat, erkennen wir auch: Es geht darum, Lasten nicht auf eine Schulter zu laden, sondern gemeinsam zu tragen: Meist sind ja zwei Ochsen nebeneinander, die gut zusammenarbeiten müssen. Es geht darum, im Umgang mit Problemen aufrecht zu stehen
Im Laufe der Jahrhunderte haben Gelehrte immer wieder gefragt, was mit dem Joch Jesu wohl gemeint ist:
• Einige waren überzeugt, dass darin die Kreuzesnachfolge gemeint ist.
• Andere sahen darin die christlichen Gesetze wie z.B. die 10 Gebote oder die großen Werte wie Hilfsbereitschaft und Achtung vor dem anderen.
• Der Hl. Augustinus und viele andere betonten, dass darin nicht so sehr eine spezielle Askese oder ein besonderes Fasten gemeint sein kann, sondern viel mehr die konkrete Nächstenliebe und Gottesliebe.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welche Menschen in meiner Umgebung müssen derzeit eine schwere Last tragen?
2. Was hat all das mit dem Herz Jesu Fest zu tun?
10. Sonntag im Jahreskreis (A), 11.06.2023, Mt 9,9-13, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck, bibelpastoral@dibk.at
Jesus überrascht und lässt sich in keine Schublade pressen
Jesus überrascht und beruft zwölf Jünger, die gegensätzlicher nicht sein könnten:
• Petrus ist eine typische Führungsperson, andere bleiben lieber still im Hintergrund.
• Der Zöllner Levi/Matthäus arbeitet berufsbedingt eng mit den Römern zusammen, Simon der Zelot gehört zu jener Gruppe, welche die Römer so schnell als möglich vertreiben wollen, gerne auch mit Gewalt.
• Die meisten von ihnen sind Fischer, einige haben andere Berufe.
Jesus lässt sich in keine Schublade pressen und erfüllt nicht die gängigen Erwartungen.
• Er setzt sich mit Außenseitern an einen Tisch: Ein Skandal! Vermutlich ist er selber nicht besser! Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen?
• Er legt sich mit den Frommen an.
• Bei der üblichen Schwarz-Weiß Malerei tut er nicht mit.
Ich bin überzeugt: Jesus tut das nicht zufällig, sondern absichtlich:
• Er will damit zeigen und vorleben, dass unterschiedlichste Menschen miteinander die Welt, Gesellschaft und Kirche gestalten sollen. Miteinander und nicht nebeneinander oder gegeneinander.
• Er will damit betonen, dass alle Menschen eine Würde haben und diese nur dann erfahren, wenn wir würdevoll mit ihnen umgeben.
• Er weiß: Wir Menschen können uns nur bessern, wenn uns jemand hilft. Mit Vorwürfen und Ablehnung gelingt keine Verbesserung. Ich kenne keine verbitterten Menschen, welche die Welt zum Guten verändert haben.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Mit welchen Handlungen überrascht mich Jesus?
2. Was hilft mir, damit ich mich zum Guten bessern kann?
3. Wie unterstütze ich andere, damit sie sich gut weiterentwickeln können?
Dreifaltigkeitssonntag (A), 04.06.2023, Joh 3,16-18, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck, bibelpastoral@dibk.at
Vielleicht hast du dir schon einmal die Frage gestellt, mit welchem Satz du das Leben Jesu zusammenfassen möchtest. Was ist das Besondere an Jesus? Warum kam er in diese Welt?
In den vier Evangelien sehe ich folgende Schwerpunktsetzungen:
Johannes 3,17: Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Markus 10,45 (= Matthäus 20,28): Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Lukas 19,10: Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.
Gespräch Jesu mit Nikodemus in Johannes 3
Das Johannesevangelium enthält mehrere lange Gespräche zwischen Jesus und suchenden Menschen. Musterhaft werden etwa in den Kapiteln 3 und 4 zwei Begegnungen geschildert, die beim Start unterschiedlicher nicht sein könnten und sich gerade deswegen auch ergänzen. Es ist in Kap 3 das Gespräch Jesu mit dem Gelehrten Nikodemus, der als Ratsherr zur religiösen Elite gehört, und in Kap 4 mit der namenlosen Samariterin, aus Sicht der Juden und aufgrund ihrer Lebensgeschichte eine Außenseiterin. Beide Gespräche bewegen sich auf mehreren Gesprächsebenen und wirken deshalb auf den ersten Blick unverständlich.
Nikodemus kommt heimlich in der Nacht zu Jesus. Er redet Jesus sofort als Rabbi an und betont schon in den ersten Worten sein Wissen über ihn: Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist. Jeweils eingeleitet mit den Worten Amen, amen, ich sage dir formuliert Jesus beim Gespräch sofort theologische Gedanken von einer neuen Geburt sowie der Geburt aus Wasser und Geist. Nikodemus nimmt diese Worte seines Gesprächspartners ganz wortwörtlich und schafft es zunächst nicht, die Quergedanken Jesu zu verstehen. Jesus verschont daraufhin den Gelehrten nicht und meint: Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht? Als Kenner der großen biblischen Tradition müsste Nikodemus doch wissen, dass Jesu Worte nicht wortwörtlich, sondern viel tiefer zu deuten sind. Das Gespräch schließt in mit einem langen Monologteil Jesu (Johannes 3,14–21).
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie würde ich das Wirken Jesu in einem Satz zusammenfassen?
2. Wo gleiche ich dem jüdischen Ratsherrn Nikodemus?
3. Was möchte ich Jesus gerne fragen?
Pfingsten (A), 28.05.2023, Joh 20,19-23, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
2022 gab es am Pfingstwochenende wie in der Apostelgeschichte (lesen Sie die erste Lesung unbedingt auch!) einen Pfingststurm. Während ich mit meinem Hund durch die Felder gelaufen bin, haben die Böen mir das Haar zerzaust und ich konnte das Brausen in den Blättern hören. Ich habe gespürt: Der Wind der Veränderung weht. Dieses Brausen verändert alles. Ich hatte gerade einen neuen Job angefangen, war in eine neue Wohnung gezogen, es gab einen Todesfall. Vieles war neu, das meiste aufregend. Ich konnte den Heiligen Geist spüren und hätte ein Buch über die Pfingstperikopen schreiben können.
Heuer herrscht in meinem Kopf kurz vor Pfingsten ein nebliges Chaos aus tausend unerledigten Aufgaben, Verpflichtungen, Stimmen. Ich finde keinen Fokus – auch nicht für den Text, den Sie gerade lesen. Ich finde keine Worte und alles, was ich schreibe, klingt nach Phrase und Plattitüde. Draußen weht ein pfingstlicher Wind, aber einer, der mich wirr macht im Kopf. Er wirbelt zwar den Nebel immer wieder auf, schiebt ihn aber nicht weg. Ich rede mich raus: Es liegt sicher am Wetter. Vielleicht ist es ein Föhnwind? Wieder und wieder versuche ich den Wind zu spüren, immer wieder lese ich die Pfingsterzählung. Nichts.
Wenn sich etwas in mir nicht löst, wenn eine Bibelstelle einfach nicht mit mir sprechen möchte, brauche ich einen Perspektivwechsel. Also überlege ich, an welcher Stelle der Geist noch in der Bibel vorkommt. Vielleicht hilft ein Blick in die Schöpfungsgeschichte: Alles war wüst und wirr, der Geist schwebte über den Wassern der Urflut. Es war Tohuwabohu. Da ist es, das Chaos in meinem Kopf. Die Welt kennt dieses Problem. Alles ist so wirr, dass es gleichzeitig öd und leer wirkt. Und der Geist? Er schwebt unbeteiligt oben drüber. Aber ich weiß es doch – und jetzt kann ich es auch im Johannesevangelium sehen: der Heilige Geist, den Jesus laut Johannesevangelium den Jünger:innen einhaucht, ist kein unbeteiligter Zaungast. Er zerzaust nicht nur das Haar oder streicht über die Haut, ich spüre ihn nicht nur äußerlich, im Gegenteil: Jesus bleibt nicht draußen stehen, klopft nicht an der Tür, sondern tritt ein, mitten unter die Jünger:innen. Der Heilige Geist säuselt nicht außen ums Gebäude herum, sondern fährt in das verschlossene Haus hinein. Jesus fragt nicht: Habt Ihr Lust, meine Geschichte weiterzuschreiben? Er sendet die Jünger:innen, er sagt: Los jetzt, macht es mir nach! Der Heilige Geist wählt nicht einzelne aus, sondern er erfüllt einfach alle, die da sind, und ermutigt sie aufzubrechen, loszugehen und zu handeln.
Ich sitze draußen vor dem Büro in der Sonne. Ein leises Säuseln dringt an meine Ohren. Der Nebel in meinem Kopf lichtet sich. Vielleicht warte ich schon zu lange auf den Sturm im Außen. Vielleicht ist es nicht der Heilige Geist, der die Veränderung herbeiführt. Ich bin es. Ich kann darauf zählen, dass ich in mir die richtigen Worte finde, dass ich die Kraft habe, um Veränderung zu bewirken – bei mir und bei anderen. Aber ICH muss aufbrechen, losgehen, handeln. Denn „auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist, als warte man am Bahnhof auf ein Schiff".
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo, wann und wie spüre ich den Heiligen Geist?
2. Was möchte ich in meinem Leben verändern?
3. Wo kann ich dazu beitragen, dass sich für andere etwas verändert?
7. Sonntag der Osterzeit (A), 21.05.2023, Joh 17,1-11a, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Jesus betet. Er betet zu Gott, um „verherrlicht" zu werden, sprich: Damit Gott ihn zu sich zurückholt. Doch er bittet nicht darum, weil er lebensmüde ist oder den Tod herbeisehnt, sondern er weiß, dass sein Tod bestätigt, dass er nicht aus sich selbst heraus gelebt und gewirkt hat. Er weiß, dass er sterben muss, damit die Menschen verstehen, dass er wirklich Gottes Sohn ist. Doch sein Gebet klingt in der Sprache des Johannesevangeliums eigenwillig. Daher möchte ich heute eine Übersetzung anbieten, die das Gebet aus der Abschiedsrede von Jesus vielleicht zugänglicher machen kann.
Jesus ist im Garten Gethsemane und betet zu Gott:
1 Vater, jetzt ist es so weit. Ich spüre, dass das Ende nah ist. Nun liegt es an Dir, mich zu Dir zurückzuholen. Lass mich sterben wie ein Mensch
und zeige den Menschen, dass ich trotzdem weiterlebe,
damit sie erkennen, dass ich wirklich Dein Sohn bin.
2 Denn Du hast mich als Mensch zu den Menschen geschickt.
Du wolltest, dass all diejenigen, die mir glauben und vertrauen,
erfahren, dass Du ihnen einen ein neues, ein ganz anderes und wunderschönes Leben mit Dir schenken möchtest.
3 Ich habe es ihnen gezeigt. Ich habe ihnen gezeigt, was es heißt mit Dir zu leben,
habe ihnen gezeigt, wie es ist, dort zu leben, wo ich herkomme:
Dort zu leben, wo Du bist, heißt ohne Schmerzen, Schuld, Auseinandersetzungen und Versuchungen zu leben.
4 Ich habe ihnen von Dir und von diesem Leben erzählt und sie glauben mir.
Hier auf der Erde habe ich alles getan, was Du mir aufgetragen hast.
6 Ich habe ihnen von Dir und Deiner unendlichen Liebe erzählt
und sie geben ihr Bestes, diese Liebe in ihrem Leben wirken zu lassen.
7 Denn sie haben endlich erkannt,
dass ich all die Worte sprechen und Wunder vollbringen konnte, weil ich Dein Sohn bin.
8 (...) Sie haben verstanden, dass ich Dein Sohn bin
und sie glauben, dass Du mich zu ihnen geschickt hast.
5 Nun zeige ihnen, wer ich bin, Vater hole mich zu Dir, dorthin, wo ich war, bevor Du diese Welt geschaffen hast.
9 Ich bitte Dich darum, mich nun zu Dir zu holen, weil ich möchte, dass diese Menschen in ihrem Glauben bestätigt und in ihrer Hoffnung bestärkt werden.
Vor allem bitte ich Dich für die, die mit mir umhergezogen sind,
und die, deren Glaube an mich so stark ist, dass sich ihr Leben verändert hat.
10 Alle Menschen, die sich mir angeschlossen haben, haben sich auch Dir angeschlossen, und alle, die an Dich glauben, glauben auch an mich.
11 Ich werde sterben, aber sie werden weiter in dieser Welt leben, während ich schon bei Dir bin. Deshalb bete ich zu Dir und bitte Dich darum, ihnen ein Zeichen der Hoffnung zu schicken.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Glaube ich daran, dass der Mensch Jesus Gottes Sohn war und damit selber Gott ist? Wenn ja: Woran mache ich das fest? Wenn nein: Was glaube ich dann?
2. Welches Bild von Jesus habe ich vor Augen, wenn ich diese Zeilen lese? Wie sieht er aus? Wo befindet er sich? Wie fühlt er sich?
3. Spielt der Glaube daran, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, in meinem Leben eine Rolle?
6. Sonntag der Osterzeit (A), 14.05.2023, Joh 14,15-21, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
„Ihr werdet erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt." Ich tue mich, wie so oft, schwer mit den Worten des Johannesevangeliums. Vielleicht hilft ein Blick auf die Gesamtsituation.
Die Jünger:innen haben verstanden, dass Jesus in Zukunft nicht mehr greifbar sein wird. Sie fragen sich, wie es dann weitergehen soll. Was machen wir, wenn unser Meister nicht mehr da ist? Woher sollen wir wissen, wie wir uns verhalten, was wir tun sollen?
Intuitiv glaube ich zu wissen, wie Jesus Antwort gemeint ist. Obwohl er verschwindet, wird etwas von ihm bleiben – in dieser Welt und in den Menschen, mit denen er viel Zeit verbracht hat.
Ich erkläre mir das so: Menschen, die mir nahestehen und mit denen ich mich verbunden fühle, Menschen, die ich liebe, verändern etwas in mir. Sie prägen mein Denken und Handeln, nehmen Einfluss auf die Art, wie ich mich verhalte, wie ich anderen begegne, wie ich mit schwierigen Situationen umgehe, wie ich mein Leben gestalten möchte. Und oft merke ich erst dann, wenn jemand nicht mehr Teil meines Lebens ist, dass dieser Mensch einen tiefen Fußabdruck in meinem Herzen und in meiner Seele hinterlassen hat.
Wenn Jesus von Geboten spricht, meint er nicht das unhinterfragte Einhalten von religiösen oder moralischen Gesetzen und Regeln. Er meint nicht das Verstehen und Festhalten an einer philosophischen Lehre.
Das wichtigste Gebot, das die Grundlage für jedes Christ-Sein bildet, lautet: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst." Es geht um Liebe.
Es geht um die liebevolle Grundhaltung, die Jesus gegenüber allen Menschen eingenommen und mit der er die Menschen in seinem Umfeld geprägt und verändert hat.
Er meint nicht ein bloßes Gefühl, sondern Liebe, die sich in Beziehungen ausdrückt. Liebe, die das Handeln und den Umgang mit meinen Mitmenschen leitet. Liebe, die mich befähigt, immer wieder und immer neu auf Menschen zuzugehen, zu helfen und Hilfe anzunehmen, schwierige Situationen mit anderen auszuhalten und uns mit ihnen und für sie zu freuen.
In Anlehnung an ein bekanntes Lied lässt sich die heutige Perikope vielleicht so zusammenfassen: Wenn wir ihm begegnen, wird Gott nicht fragen: Was hast Du gesagt? Was hast Du alles versprochen? An welche Regeln hast Du dich gehalten? Gottes Frage wird lauten: Was hast Du getan, wie viel hast Du geliebt und wen hast Du geliebt?
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welche Menschen, Figuren und Vorbilder haben meine Lebenspraxis geprägt?
2. Was heißt es für mich zu lieben?
3. Wem gegenüber möchte ich mich in nächster Zeit liebevoller verhalten?
5. Sonntag der Osterzeit (A), 07.05.2023, Joh 14,1-12, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
„Glaubt an Gott und glaubt an mich", fordert Jesus die Jünger:innen auf - wieder einmal. Sie haben diese Worte schon hundert Mal gehört, sie haben mit eigenen Augen gesehen, wie Jesus Wunder vollbringt. Sie haben seine göttliche Seite erfahren und seine Kraft gespürt. Trotzdem sind sie unsicher. Thomas zweifelt - wieder einmal. Philippus will mehr sehen und mehr verstehen - wieder einmal. Sie wollen eine Gebrauchsanweisung dafür, wie es weiter geht, wohin der Weg führt und wie das Ziel aussieht.
Natürlich antwortet Jesus. Doch er reagiert mit zunehmender Ungeduld. Ich stelle mir vor, wie er die Jünger:innen an den Schultern packt und sie schüttelt: „Ich bin... ich bin doch da. Ihr seht mich, ihr kennt mich, ihr erlebt mich, ihr spürt meine Liebe und meine Anwesenheit - warum reicht euch das nicht?" Jesus setzt nicht auf das, was mit den Augen zu sehen oder mit dem Verstand zu erkennen ist, und das macht es schwierig. Er gibt keine konkreten Anweisungen, sondern bietet Beziehung an. Er will, dass Menschen ja sagen, dass sie einfach los gehen und sich ins Leben stürzen, und er verspricht: Ihr findet den Weg. Wenn ihr in meiner Nähe bleibt, könnt ihr euch an mir orientieren, wenn ihr verloren geht, werde ich euch zurückholen. Gemeinsam mit mir werdet ihr am Ziel ankommen.
Das, was Jesus anbietet, diese bedingungslose Beziehung ohne Wegweiser und Verhaltensregeln ist neu, ungewohnt, anders. Zu diesem Beziehungsangebot ja zu sagen, sich darauf einzulassen, daran zu glauben, dass es am Ende schon gut ausgehen wird, mit diesem Gott und diesem Jesus, bedeutet größtmögliche Unsicherheit - damals wie heute.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wann habe ich das letzte Mal ohne groß nachzudenken einfach ja gesagt?
2. Wem in meinem unmittelbaren Umfeld kann ich ein „Mehr" an Beziehung anbieten?
3. Welche Beziehungen tragen mein Leben? Welche stützen die Gemeinschaft(en), in der/denen ich unterwegs bin?
4. Sonntag der Osterzeit (A), 30.04.2023, Joh 10,1-10, Hinführung
Dominik Höchtl, Pastoralassistent in Ausbildung („Brunnen" im DEZ und SR St. Paulus/St. Pirmin)
Die Hirtenmetapher ist ein beliebtes Motiv im Ersten und im Neuen Testament. Es durchzieht die Kirchengeschichte und wird zum Sinnbild der kirchlich-hierarchischen Strukturen. Michel Foucault wird den Hirten als unhintergehbare Leitfigur analysieren, der für seine Schäfchen verantwortlich ist und sie zu kennen hat, bis hinein in ihre intimen Gedanken. Gefährlich, denke ich mir, gefährlich...
Doch diese Bibelstelle hat noch eine andere Seite, denn auf mich wirken die Schafe hier alles andere als dumm, alles andere als führungsbedürftig! "Die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme" (Joh 10,4), heißt es da. Nicht der Hirte kennt die Schafe, sondern erst ist es umgekehrt. Dann weiter: Diebe und Räuber im Fenster, "aber die Schafe haben nicht auf sie gehört." (Joh 10,8) Schafe, die selbst entscheiden können, wem sie folgen, und eine besondere Gabe: Nennen wir es Intuition, ein vages Gefühl oder mit dem 2. vatikanischen Konzil die "verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen" - das Gewissen (GS 16). Ein Schaf, das vielleicht nicht unterscheiden kann zwischen Tür und Fenster, noch dass es normal ist, nur durch Erstere zu gehen und nicht durch Zweiteres zu klettern. Aber es spürt ein Unwohlsein, ein Unbehagen, diffus und doch: Irgendetwas stimmt nicht!
Jesus gibt sich als Tür zu erkennen, durch die der Hirte erkannt wird. Erst danach wird er sagen: "Ich bin der gute Hirt." (Joh 10,11) Und heute? Wem erlauben wir Hirt zu sein über unser Leben? Hinterlässt nicht Jesu Tod eine gewisse Leerstelle, bewusst offen gelassen auf jegliche neue Beziehungserfahrung hin? Offen daraufhin, wie mir ein anderer Mensch gegenübertritt. Offen daraufhin, wie ich mir selbst gegenübertrete. Und immer wieder die Frage: Fühlt es sich stimmig an oder stimmt irgendetwas nicht?
Fragen zum Weiterdenken:
1. Gibt es Situationen in meinem Leben, in denen ich ein vages Gefühl spüre: Irgendetwas stimmt nicht? Schiebe ich es beiseite oder kann ich darüber nachdenken, was hier nicht stimmt?
2. Gibt es bestimmte Menschen, Werte oder etwas Anderes, an dem ich mich orientiere und sind diese Orientierungspunkte veränderbar?
3. Was muss passieren oder der Fall sein, damit ich meine Orientierungspunkte ändern kann, wenn sie sich nicht mehr stimmig anfühlen?
3. Sonntag der Osterzeit (A), 23.04.2023, Lk 24,13-35, Hinführung
Dominik Höchtl, Pastoralassistent in Ausbildung („Brunnen" im DEZ und SR St. Paulus/St. Pirmin)
Zwei Jünger verlassen Jerusalem. Sie kehren einem Stück ihrer Geschichte den Rücken zu. Der Weg Jesu hat geendet, der Messias ist getötet. Wer jetzt noch Jesus nachfolgen will, der folgt keinem glorreichen Retter, keinem glorifizierten Führer, sondern einem, der gescheitert ist. Denken die Jünger überhaupt daran, diesem Jesus nun noch nachzufolgen? Der Weg nach Emmaus scheint eine Neuorientierung. Langsam nach den einschneidenden Erlebnissen beginnen die beiden die eigene Geschichte fortzuschreiben – mit allem, was dazugehört: Trauer über Vergangenes, Unsicherheit über Zukünftiges, aber der beständigen Gewissheit, auf dem Weg zu sein. Sie erzählen einem Fremden ihre Perspektive auf diese Geschichte, sprechen authentisch von ihrer Trauer und Sorge, über Jesu Scheitern, ohne es zu verklären. Der Fremde legt seine Sicht hinzu und da, plötzlich, vielleicht auch nur kurz ergibt die eigene Geschichte einen Sinn. Was noch nicht ganz begriffen ist, wird ausgesprochen, was noch nicht in Ordnung ist, wird in Zusammenhänge gesetzt: Seht ihr es nicht? Wie diese Ereignisse an jenes erinnern, die Vergangenheit sich darin fortführt? Und der Geschichte war ein Sinn gegeben!
Gleich haben sie nicht wahrnehmen können, was sie eigentlich schon gespürt haben. Ihnen brannte das Herz. Dieser Mann hat etwas getroffen, was sie bewegt hat – aber erst im Rückblick werden sie aufmerksam. Was sich hier ereignet ist Begegnung, ist Beziehung auf Augenhöhe. Nicht als Strahlemann noch als Messias, sondern als normaler Mensch tritt hier einer gegenüber. Er wirkt so unverständig, den Namen Jesu nicht einmal auf den Lippen, doch handelt er so vertraut. Er erinnert mich an etwas... oder jemanden... es fühlt sich genauso an wie... und ein Teil meiner Geschichte setzt sich mit ihm fort... Seht ihr es?
Fragen zum Weiterdenken:
1. Gibt es in meinem Leben Ereignisse, die irgendwie unabgeschlossen sind? (Beschäftigt mich z.B. etwas immer wieder oder wiederholen sich bestimmte Erfahrungen/Erlebnisse?)
2. Wo in meiner Lebensgeschichte merke ich Zusammenhänge, die bedeutsam erscheinen?
3. Wie oder wodurch kann ich in meinem Lebensweg einen Sinn erkennen?
2. Sonntag der Osterzeit (A), 16.04.2023, Joh 20,19-31, Hinführung
Dominik Höchtl, Pastoralassistent in Ausbildung („Brunnen" im DEZ und SR St. Paulus/St. Pirmin)
Angst – bis ins Mark hinein: Angst. Der Tod hat über das Leben gesiegt, so scheint es! Jesus ist selbst gestorben, getötet durch Menschen. Was wir gehofft haben: zunichte! Was wir geglaubt haben: zunichte! Wofür wir gelebt haben: zunichte! Die Angst nimmt Konturen an, sucht einen Schuldigen, um in ihrem dunklen Loch einen Orientierungspunkt zu finden, an dem man sich festhalten kann: Für den Evangelisten Johannes entsteht die Furcht vor den Juden (Joh 20,19).
Doch wie beratungsresistent diese Angst bei Thomas: Wie denn auch? Sollen ein paar gut gemeinte Worte, Argumente oder Glaubenssätze wieder wett machen, was mir vor meinen eigenen Augen genommen wurde? In der Antwort Jesu liegt vielleicht seine ganze Revolution.
Ein Mensch fürchtet sich, Gefahr lauert hinter der Ecke und die Furcht kennt zwei Reaktionsweisen: Flucht oder Kampf! Die Jünger*innen haben sich wohl für Ersteres entschieden – die Flucht hinter Wände, Barrikaden vor den Juden. Und wenn auch sie zusammenbrechen? Sie brechen zusammen, wie sie es immer tun. Doch in dieser Geschichte, tritt an ihrer Stelle der Jude Jesus auf. Völlig unbedrohlich spricht er es aus, den vielleicht ungefährlichsten Satz, den es geben kann: „Friede sei mit euch!" Weiter ist kein Wort nötig, kein Argument und kein Glaubenssatz. Den Verängstigten gegenübertreten genügt. Die eigenen Wunden zeigen, sich selbst berühren lassen, spricht Bände. Es sagt: Verletzung, Verwundung, ja sogar der Tod – all das passiert einmal und es ist schwer, es tut weh. Ich verstehe dich. Kannst du es denn aussprechen, wenn ich dir zuhöre? Kannst du wieder aufstehen, wenn ich dir die Hand reiche? Du wirst wieder hinausgehen zu den Menschen und ich sage dir: „Friede sei mit euch!" – und was bleibt, ist Vertrauen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. In welchen Situationen oder wann im Leben habe/hatte ich Angst?
2. Wo oder wodurch finde ich Vertrauen, das mir in dieser Angst hilft?
3. Wie hängen Vertrauen und Glauben für mich zusammen oder gibt es überhaupt einen Unterschied?
Ostersonntag (A), 09.04.2023, Joh 20,1-9, Hinführung
Dominik Höchtl, Pastoralassistent in Ausbildung („Brunnen" im DEZ und SR St. Paulus/St. Pirmin)
Der Tod Jesu hinterlässt eine Leerstelle. Ganz wortwörtlich in dem Grab, das leer ist, sprichwörtlich in der Verzweiflung der Jünger und der Jüngerin. Nur die Leinenbinden erinnern noch an ihn, zeigen aber auch seine Abwesenheit. Menschen sehnen sich nach tiefen emotionalen Beziehungen, von ihnen her lebe ich, von ihnen her werde ich, wer ich bin. Was aber, wenn ich einen solchen Menschen verlieren würde? Würde ich mich selbst dabei verlieren oder schaffe ich es, wahrzunehmen, wie dieser Mensch jetzt für mich da ist und wer ich durch ihn geworden bin?
Ich versuche, mich in die Jünger*innen hineinzuversetzen. „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen" (Joh 20,2) und es ist, als hätten sie mir etwas genommen. Mir einen geliebten Menschen genommen: Was das heißt! Ich war erfüllt von einer Beziehung, buntem Leben und nun – als wäre diese Fülle in ein Loch gefallen! Weg und es ist Leere da. Gar nicht glaubbar, gar nicht fassbar... Nach dem Schock beginne ich zu begreifen, was ich hatte an diesem Menschen, wie glücklich ich war... und ich beginne zu weinen.
Wenn ich Glück habe, wird ein Mensch zu mir treten, in dieses Loch, in diese Leerstelle. Er würde mein Weinen sehen und einfach bei mir bleiben. Vielleicht würde er mein Weinen ansprechen, vielleicht ein kleinwenig mitfühlen. Er würde mir Raum geben, auszusprechen, was ich noch nicht ganz akzeptiert habe und so diesen Raum mit Trost füllen. Wenn ich Glück habe, wird ein Mensch zu mir treten, er wird mir zeigen, dass das, was ich vor diesem Tod hatte, nicht verloren ist, aufgehoben ist in mir und dass aus der Leerstelle Raum werden kann für neues Leben.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Habe ich schon einen Menschen verloren, der mir "alles" bedeutet hat? Wie ist er jetzt für mich da?
2. Wann habe ich zuletzt getrauert/geweint und was hat mir dabei wirklich geholfen?
3. Was heißt Auferstehung für mich und mit welchen Erfahrungen in meinem Leben kann ich das verbinden?
Palmsonntag (A), 02.04.2023, Mt 21,1-11, Hinführung
Dominik Höchtl, Pastoralassistent in Ausbildung („Brunnen" im DEZ und SR St. Paulus/St. Pirmin)
Es beginnt mit kleinen, stillen Schritten. Vielleicht so, wie ein Kind sich auf sein Spiel vorbereitet. Komm, wir spielen König und Königin und sind für einen Tag ganz groß. Wir brauchen nicht viel: Das ist unser Pferd, das seine prächtigen Kleider und dort – dort ist unsere Stadt. Wir reiten hinein, zu den Menschen, und die Leute werden zu uns laufen, jubeln und ein Fest für uns feiern und wir werden lachen und tanzen. Stell dir das vor! Kommst du mit?
Szenenwechsel: Es beginnt eine kleine, stille Revolution, die dieser Jesus von Nazareth hier einleitet. Gerade hat er sich zweier Menschen am Straßenrand angenommen. Von der Gesellschaft ausgeschlossen, ganz unten angekommen, sie folgen Jesus und sind vorne dabei. Er widmet sich den Kleinen und Klein-Gemachten und jetzt zieht er in Jerusalem ein: aber keine großspurigen Wahlkampfreden, kein Sturz des Herrschers, kein Krieg. Nur eine Eselin, ein Fohlen und ein paar stille Schritte auf die Menschen zu. Dieser Jesus ist selbst einer von den Kleinen. In der Stadt kennt man dieses Bild - eine Vorstellung aus dem Ersten Testament, nicht mehr vielleicht. Eine Vorstellung und Menschen, die es glauben. Sie brechen in Jubel aus und der König ist Wirklichkeit!
Es beginnt mit kleinen, stillen Schritten. Es endet in einem Wohnzimmer wie nach einer Party ohne Aufsichtspersonen, einem Teppich über der Sofalehne, einem Stadttor an die Wand gemalt – und einem ganz großen Moment für ein kleines Kind.
Fragen zum Weiterdenken:
1. In welchen Momenten fühle ich mich klein oder klein-gemacht und wie würde ich da am liebsten handeln, wenn ich könnte?
2. Wo nehme ich in der Welt Menschen wahr, die klein-gemacht werden, und was bräuchten sie?
3. Wo sind die Grenzen meines Handelns und welche Vorstellungen und Visionen helfen mir, die Welt trotzdem ein Stück weit besser zu machen?
5. Fastensonntag (A), 26.03.2023, Joh 11,1-45, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter, Pastoralassistentin der Unipfarre Innsbruck
Nach dem Johannesevangelium wirkt Jesus sieben „Zeichen", die allesamt auf sein Kreuz und seine Auferstehung hindeuten (1. Hochzeit zu Kana; 2. Heilung des Sohnes des Hauptmanns von Kafarnaum; 3. Heilung eines Kranken am Teich von Bethesda; 4. Brotvermehrung; 5. Der Gang auf dem See; 6. Heilung eines Blindgeborenen; 7. Auferweckung des Lazarus).
Das heutige Evangelium von der Auferweckung des Lazarus, also das 7. und letzte „Zeichen" ist in dieser Hinsicht besonders offensichtlich.
Lazarus lebt mit seinen Schwestern Marta und Maria in Bethanien: ein Ort, in dem sich Jesus gerne aufhält, wo er sich erholt und auftankt, gerade auch durch die innige freundschaftliche Beziehung, die er zu den drei Geschwistern hat.
Als Jesus erfährt, dass Lazarus krank ist, wartet er -anscheinend absichtlich- noch zwei Tage zu und macht sich erst am dritten Tag auf den Weg nach Bethanien. Nach der Auferstehung Jesu erinnern sich die Jünger wohl daran, dass Jesus erst am „dritten Tag" auferstanden ist, gerade als alles endgültig „zu spät" schien...
Marta macht sich auf und geht Jesus entgegen. Mitten in ihrer Trauer bezeugt sie ihr Vertrauen zu Jesus, der sich ihr neu offenbart. Hier ist auch die zentrale Aussage Jesu in dieser langen Bibelstelle: „Ich bin die Auferstehung und das Leben". Und Marta wird mitten in der Trauer fähig zu einem Glaubensbekenntnis, das sie über sich selbst hinauswachsen lässt.
Ohne Eifersucht ruft sie anschließend ihre Schwester Maria, die ihrerseits zu Jesus kommt und weint. Dabei kommt es zu einer bewegenden Szene: Jesus selbst nimmt Anteil am Schmerz seiner Freunde, er weint. Gott weint angesichts des Todes eines von ihm geliebten Menschen.
Schließlich ruft Jesus den Lazarus mit lauter Stimme aus dem Grab heraus: durch Gottes Wort wurde Lazarus geschaffen, durch Jesu Wort wird er neu ins Leben gerufen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Werfen wir einen Blick auf die geschwisterliche Beziehung von Marta, Maria und Lazarus. Jesus liebt es, in diesem Haus einzukehren: er fühlt sich wohl in dieser kleinen geschwisterlichen Gemeinschaft. Wie könnten wir den „geschwisterlichen Umgang" in unserer Familie oder in unserer Weggemeinschaft vertiefen? Was könnte ich dazu beitragen?
2. Jesus sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben". Wenn Jesus die Frage, die er an Marta richtet – „Glaubst du das?" - an mich stellen würde, was wäre meine Antwort?
3. Jesus ist tief getroffen von Marias Schmerz, und er weint angesichts des Grabes seines Freundes Lazarus. Welchen Schmerz, welche trauernde Person, welche(n) liebe(n) Verstorbene(n) möchte ich Gott heute besonders anvertrauen?
4. Fastensonntag (A), 19.03.2023, Joh 9,1-41, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter, Pastoralassistentin der Unipfarre Innsbruck
Im heutigen Evangelium begegnet Jesus einem Mann, der von Geburt auf blind ist. Dabei kommt die Frage der Jünger nach dem Ursprung des Übels auf: eine Frage, die den Menschen seit jeher beschäftig, die aber letztlich nie vollkommen beantwortet werden kann. Die Jünger stellen jedenfalls Übel und Leid mit Schuld gleich, was Jesus ganz klar zurückweist. Die eigentliche Frage ist nicht der Ursprung des Übels, sondern wie wir vom Übel und vom Bösen befreit werden können.
Jesus stellt sich selbst als Licht der Welt vor, der nicht nur dem körperlich Blinden, sondern vor allem auch den geistig Blinden -die wir zu einem gewissen Grad alle sein können- das Augenlicht schenken will. Dabei erwähnt Jesus, dass „wir" das Werk Gottes vollbringen müssen, solange es Tag ist, solange Licht ist. Er spricht vom „wir": Jesus bezieht uns in sein Werk mit ein, er möchte, dass jeder von uns teilnimmt an diesem Werk, das er nicht ohne uns vollbringen will.
Die Heilung des Blindgeborenen geschieht auf überraschende Weise: aus Erde und seinem Speichel formt Jesus einen Teig, den er dem Blinden auf die Augen streicht. Das erinnert an die Schöpfung des Menschen, als Gott den Menschen aus der Erde formte und ihm seinen Geist einhauchte. In der Tat, auch hier geht es in gewisser Weise um eine neue Schöpfung, um neues Leben. Dieser Blindgeborene „erblickt das Licht der Welt", er wird sozusagen (neu) geboren. Anschließend fordert Jesus ihn auf, sich im Teich Schiloach zu waschen, er lädt ihn also ein, selbst einen Beitrag zu leisten. Dabei bedeutet das hebräische Wort „Schiloach" soviel wie „Gesandter": Jesus Christus ist der „Gesandte Gottes". Sich im Teich Schiloach zu waschen, kann sozusagen als Symbol der Taufe gesehen werden: eingetaucht werden in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, um als neuer Mensch zu leben.
Der anschließende Streit, der sich zwischen dem Geheilten und den Pharisäern entwickelt, zeigt, dass es möglich ist, körperlich sehend zu sein und dennoch geistig blind zu bleiben. Die Pharisäer weigern sich, Jesus als Licht der Welt anzuerkennen; sie verharren in der Ablehnung Jesu und wenden sich sogar gegen jene, die ihn als Licht der Welt bezeugen. Die eigentliche Entscheidung für oder gegen Jesus Christus, für oder gegen das Licht, findet jeweils im Herzen des Menschen statt.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Erlebe ich Jesus Christus als das „Licht meines Lebens"?
2. Wo wünsche ich mir, noch mehr „sehend" zu werden, sein Licht und sein Heil noch mehr in mein Leben einzulassen?
3. Jesus spricht vom „wir": auf welche Weise fühle ich mich aufgerufen, am Werk Gottes teilzunehmen?
3. Fastensonntag (A), 12.03.2023, Joh 4,5-42, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter, Pastoralassistentin der Unipfarre Innsbruck
Das heutige Evangelium spielt sich bei einem Brunnen ab, d.h. im Zentrum des Dorfes, dort wo tagtäglich die Tierherden getränkt werden, dort wo die Menschen zusammenkommen; ja selbst die Brautschau geschieht am Brunnen. Biblisch gesehen, ist der Brunnen Symbol von tiefer Begegnung.
Jesus ist müde und setzt sich an den Brunnen. Jesus ist wahrer Mensch: er verspürt, so wie wir auch, Hunger, Müdigkeit und... Sehnsucht nach Begegnung.
Es ist die sechste Stunde, d.h. Mittagszeit. Für gewöhnlich kommen die Menschen aber nicht in der brennenden Mittagszeit, sondern in der Frische des Morgens oder in der Kühle des Abends zum Brunnen. Dass die Samariterin zu Mittag kommt, mag damit zusammenhängen, dass sie sich schämt und von niemandem gesehen werden möchte: sie ist Anhängerin einer „Sekte", sie ist eine Frau (zur Zeit Jesu wurde eine Frau nicht als dem Mann ebenbürtig betrachtet), sie hatte mehrere Männer und lebt mit einem Mann zusammen, mit dem sie nicht verheiratet ist.
Und dennoch spricht Jesu sie an, um sie um Wasser zu bitten. Unvorstellbar! Jesus, wahrer Gott, der sich als Bittsteller an eine solche Frau wendet!
Und aus dieser Bitte Jesu entwickelt sich ein Gespräch: Jesus wird sich dieser Frau schrittweise offenbaren und in ihr die Sehnsucht wecken, von dem Wasser zu trinken, das nur er geben kann und das nie mehr durstig macht. Die Frau öffnet sich immer mehr dieser Begegnung mit Jesus und merkt, dass er sie kennt, bis hinein in die Aspekte ihres Lebens, deren sie sich schämt, und dass er sie nicht verurteilt. Ganz im Gegenteil, die Begegnung mit Jesus lässt sie ihre unantastbare Würde spüren und zugleich auch ihre tiefe Sehnsucht nach wahrem Leben, nach dem wahren Gott.
So lässt sie ihren Wasserkrug stehen, um den anderen im Dorf zu erzählen, was sie erlebt hat. Sie wird damit zur Apostelin: viele Samariter kommen zum Glauben an Jesus.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Kann ich glauben, dass Jesus Sehnsucht nach der Begegnung mit mir hat?
2. Habe ich schon einmal erlebt, dass der Blick Jesu auf mein Leben mich aufbaut, mich meiner unantastbaren Würde bewusst macht?
3. Gibt es in meiner Umgebung Menschen, denen ich von Jesus erzählen möchte, damit auch sie zum ihm finden?
2. Fastensonntag (A), 05.03.2023, Mt 17,1-9, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter, Pastoralassistentin der Unipfarre Innbruck
Das Evangelium von diesem 2. Sonntag der Fastenzeit führt uns auf den Berg der Verklärung.
Jesus nimmt Petrus, Jakobus und Johannes mit auf den Berg. Aus den zwölf Aposteln wählt er zu besonderen Momenten diese drei Jünger aus, so als ob er noch einmal in spezieller Weise die Erwählung dieser Jünger unterstreichen möchte.
Auf dem Berg werden sie Zeugen seiner „Verwandlung". Plötzlich wird den Aposteln vor Augen geführt, dass Jesus nicht nur wahrer Mensch ist (diese Erfahrung war ihnen vom täglichen Leben her ja vertraut), sondern dass er auch wahrer Gott ist. Die Apostel lernen Jesus sozusagen schrittweise besser kennen. Aus der leuchtenden Wolke heraus wird die Stimme des Vaters hörbar: er bestätigt, was er bereits bei der Taufe Jesu geoffenbart hat: „Dies ist mein geliebter Sohn". Gott offenbart sich, sozusagen mitten im Alltag, als Vater und Sohn, die einander ewig lieben, ja, die die Liebe selbst sind.
Die Jünger verkosten in diesem Licht etwas von der Freude des Jenseits, sodass Petrus vorschlägt, drei Hütten zu bauen und dazubleiben. Diese Erfahrung des „offenen Himmels" wird den Aposteln später, in der schweren Zeit des Leidens und Sterbens Jesu helfen, im Leid nicht zu verzweifeln, sondern auszuharren und auf die Auferstehung zu hoffen.
Und als sich die Jünger angesichts dieser Gotteserfahrung zu Boden werfen, fasst Jesus sie an und lädt sie ein, aufzu(er)stehen und sich nicht zu fürchten.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Jesus erwählt in besonderer Weise drei Apostel, um sie auf den Berg zu führen. Kann ich daran glauben, dass Jesus auch mich in besonderer Weise erwählt?
2. Gibt es etwas, das gerade meinen Blick verdunkelt, mein Herz beschwert oder meine Gedanken so sehr in Bann nimmt, dass es mich daran hindert, mich Jesus zuzuwenden oder mir Zeit zum Gebet zu nehmen?
3. Wie und wo habe ich zuletzt die Gegenwart Gottes erfahren? Habe ich die Sehnsucht, ihn noch besser kennenzulernen?
4. Wenn Jesus uns berührt und zu uns spricht, schenkt er uns neue Kraft und Freiheit. Wo möchte Jesus mich heute ermutigen, wo sagt er heute zu mir: „Steh auf, fürchte dich nicht!"?
1. Fastensonntag (A), 26.02.2023, Mt 4,1-11, Hinführung
Martin Lesky
Das heutige Sonntagsevangelium von der Versuchung Jesu kommt direkt hinter der Taufe Jesu im Jordan und schließt den ersten Teil im Matthäusevangelium ab – der mit „die Vorgeschichten" überschrieben ist.
Warum fastet Jesus 40 Tage? Einerseits ist es eine Vorbereitung auf sein Wirken, das in Mt 4,12, also direkt nach dieser Stelle beginnt, dann kennen wir das 40-tägige Fasten schon von Moses, der 40 Tage auf dem Berg Horeb fastet, bevor er die 10 Gebote erhält (Dtn 9,9) und schließlich sind 40 Tage eine Erprobungszeit, Entwicklungszeit, Reifezeit. Das Volk Israel ist 3 x 40 Jahre unterwegs ins gelobte Land.
Der Teufel oder Versucher tritt an Jesus heran. Die ersten beiden Versuchungen beginnen mit den Worten: „Wenn du Gottes Sohn bist". Was heißt für mich Sohn Gottes sein? Welche Vorstellungen habe ich vom Sohn Gottes? Wie reagiert Jesus auf diese Frage? Jesus antwortet mit der Tora, dem Wort. Er bleibt dem Wort Gottes treu. Zweitens stellt er Gott nicht auf die Probe und drittens dient er Gott allein. Das sind die drei Antworten Jesus auf die Frage nach seiner Sohnschaft.
Bei der ersten Versuchung geht es um materielle Wünsche. Bei der zweiten Versuchung geht es darum, Gott auf die Probe zu stellen, dass sich Gott beweisen muss, und bei der dritten Versuchung geht es um Macht durch Abkehr vom Glauben. Eigentlich ganz alltägliche Versuchungen, die wir aus unserem Leben kennen. Jesus antwortet immer mit einem Bibelzitat aus der Tora (Dtn 8,3; Dtn 6,16; Dtn 5,6).
Interessant ist, wie der Teufel sozusagen auf die erste Antwort Jesu reagiert, indem er selber ein Bibelzitat bringt (Psalm 91,11-12) Es geht also darum das Wort Gottes im gesamten zu verstehen und richtig auszulegen.
Alle drei Versuchungen haben das Schema: Wenn du etwas Bestimmtes machst, dann wirst du dafür belohnt. Diese Erpressungen sind immer mit Vorsicht zu genießen.
Die Versuchung des Teufels endet mit der klaren und eindeutigen Aussage Jesu: „Weg mit dir, Satan!" Dieser Satz erinnert uns an die Zurechtweisung des Petrus, als dieser den Leidensweg Jesu hinterfragt. (Mt 16,23)
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welche dieser Versuchungen kenne ich in meinem Leben?
2. Wo braucht es manchmal meine klare Absage an eine Versuchung bzw. Ungerechtigkeit?
7. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A, 19.02.2023, Mt 5,38-48, Hinführung
Martin Lesky
Das heutige Sonntagsevangelium schließt direkt an das vom letzten Sonntag an. Beide Stellen gehören zusammen. In beiden geht es um Beziehungen zwischen Menschen, geht es um Liebe und Gerechtigkeit, geht es um das menschliche Zusammenleben. Während in der Stelle vom letzten Sonntag Jesus drei Mal mit den Worten beginnt: „Ihr habt gehört ..." und dann sagt: „Ich aber sage euch ...", ist es in der heutigen Stelle zwei Mal. Es geht wieder um die größere Gerechtigkeit und darum, wie das Übel misslingender mitmenschlicher Beziehungen an der Wurzel gepackt werden kann.
Jesus beginnt in der heutigen Stelle mit den Worten: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn." Jesus zitiert hier Ex 21,24 und erinnert an die Erfahrung, dass sich Gewalt schnell bis hin zur Eskalation hochschaukeln kann. Wir kennen das in unserem Leben und in unserer Welt. Viele Kriege sind so entstanden. Jesus stellt sich dagegen und geht einen neuen Weg. Dies beschreibt er in den folgenden Zeilen, wenn er von mehr geben, als gefordert wird spricht.
Den zweiten Absatz beginnt Jesus mit einem Zitat aus Lev 19,18 „Du sollst deinen Nächsten lieben" und fügt die Worte hinzu „und deinen Feind hassen". Den Feind hassen findet sich so nie im Alten Testament. Im Gegenteil wird dort Feindeshilfe immer wieder gefordert. Jesus will vielmehr auf eine Praxis der Pharisäer hinweisen, bei der Nächstenliebe nur für nähere Verwandte gelten soll. Wenn Jesus die Feinde zu Nächsten erklärt, dann gibt es diese Unterscheidung in nähere oder fernere Verwandte nicht mehr. Wer Jesus nachfolgt, soll nicht nur seine Verwandten und Vertrauten grüßen (segnen), sondern auch die Feinde, Gegner, die das Leben erschweren und verbittern, die beleidigen und wehtun, verletzen oder verfolgen. Jesus will die Überwindung zwischenmenschlicher Konflikte. Er will das Leben in Fülle für alle. Wenn uns das gelingt, dann sind wir in der Spur Gottes, unseres himmlischen Vaters.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welche Möglichkeiten sehe ich, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen? Kenne ich Beispiele in meinem Leben?
2. Wo sehe ich eine Möglichkeit das Übel misslingender mitmenschlicher Beziehungen an der Wurzel anzupacken?
6. Sonntag im Jahreskreis (A), 12.02.2023, Mt 5,17-37, Hinführung
Martin Lesky
Nach dem letzten Sonntagsevangelium vom „Salz und Licht sein" folgt das heutige Evangelium. Es ist die dritte Stelle in der Bergpredigt und stellt eine erste Konkretisierung des „Salz und Licht seins" dar. Im ersten Vers lesen wir „Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern zu erfüllen" (Vers 17). In diesem Wort erfüllen steckt Fülle und erinnert an Leben in Fülle (Joh 10,10). Hier beschreibt Jesus, was Leben in Fülle für uns bedeutet.
Für Jesus sind das Gesetz und die Propheten Grundlage seines Handelns. Dies ist wichtig für das weitere Verstehen dieser Stelle. Man könnte zwar zuerst meinen, Jesus sei ein Freund der Pharisäer, denn sie waren diejenigen, die das Gesetz bis ins Kleinste erfüllten. Aber Jesus meint nicht ein wortwörtliches Halten und Erfüllen der Gesetze, sondern durch die Liebe und Gerechtigkeit wird das Gesetz erfüllt, wie in den kommenden Versen klar wird. Da heißt es zuerst einmal: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist" – wörtlich übersetzt „überfließt". Diese Überfließung zeigt sich in den folgenden drei Beispielen mitmenschlicher Beziehungen.
Jesus beginnt jedes Mal mit den Worten: „Ihr habt gehört ..." und sagt dann: „Ich aber sage euch ..." Die bessere Gerechtigkeit beginnt bei diesem ersten Beispiel mit dem Umgang miteinander. Zorn und Schimpfen gehören nicht dazu, sondern Versöhnung, sogar mit dem Feind.
Weiter geht es mit dem Gebot, nicht die Ehe zu brechen. Jesus wendet sich gegen jede Leichtfertigkeit, die Ehe zu brechen. Die einzige Ausnahme für einen Ehebruch formuliert Jesu in der Unzucht. Um seine Entschlossenheit zu zeigen, fügt Jesus das Wort vom rechten Auge hinzu.
Das dritte Beispiel handelt vom Schwören. Die bessere Gerechtigkeit zeigt sich darin, dass Christinnen und Christen ehrlich miteinander umgehen.
In dieser Stelle geht es ganz stark um Beziehung, um den Umgang miteinander. Die Botschaft Jesu könnte lauten: Warte nicht, bis es zur Übertretung des Gesetzes kommt, bis etwas Schlimmeres passiert, sondern reagiere schon bei kleinen Anzeichen von Beziehungsstörungen. Gib der Liebe und der Gerechtigkeit Raum! Dann wird dein Leben erfüllt sein, dann hast du Leben in Fülle.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was heißt für mich erfülltes Leben?
2. Was sind für mich kleine Anzeichen von Beziehungsstörungen, wie könnte ich in solchen Situationen reagieren?
5. Sonntag im Jahreskreis (A), 05.02.2023, Mt 5,13-16, Hinführung
Martin Lesky
Der heutige Text steht in der Bergpredigt direkt hinter den Seligpreisungen. Es geht um Salz und Licht. Mir hat einmal jemand gesagt, dass das eine Liebeserklärung Gottes an uns Menschen sei, weil Salz seinen Geschmack nicht verlieren kann. Kann also Salz seinen Geschmack verlieren? Diese Frage wurde immer wieder diskutiert. Ich lege noch zwei Facetten dazu: Erstens verwendete man zur Zeit Jesu Salzklumpen, meist aus dem Toten Meer. Sie bestanden aus Kochsalz, Gips und pflanzlichen Resten. Sie durften wegen der Feuchtigkeit nicht zu lange im Salzfass gelagert werden, weil es sonst fad (dumm) wurde. Es musste aus dem Salzfass heraus in die Speisen. Und zweitens weiß jede und jeder, der beim Kochen Salz verwendet: wenn das Salz seine Aufgabe erfüllen will, muss es sich dabei auflösen. Mit diesen beiden Facetten bedeutet dann „ihr seid das Salz der Erde", dass wir hinausgehen, nicht lange warten, sondern initiativ werden sollen. Unser Ziel ist es, dass das Leben Geschmack bekommt. Aber unabhängig davon, ob das Salz seinen Geschmack verlieren kann, wird uns die Bedeutung in Vers 16 deutlich: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten ..." Ihr sollt für die Welt Salz und Licht sein, ihr sollt anderen Menschen Orientierung geben, Vorbild sein. Es erinnert uns an die Berufung Abrahams in Gen 12,3: „Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen!"
Interessant ist in Vers 16 die Betonung auf „euer". „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen." Es ist das Licht der Jüngerinnen und Jünger Christi, das in der Welt leuchtet.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welchen Auftrag haben wir als Christinnen und Christen?
2. Wo können wir Salz, Licht in der Welt sein?
5. Sonntag im Jahreskreis (A), 05.02.2023, Mt 5,13-16, Hinführung
Martin Lesky
Der heutige Text steht in der Bergpredigt direkt hinter den Seligpreisungen. Es geht um Salz und Licht. Mir hat einmal jemand gesagt, dass das eine Liebeserklärung Gottes an uns Menschen sei, weil Salz seinen Geschmack nicht verlieren kann. Kann also Salz seinen Geschmack verlieren? Diese Frage wurde immer wieder diskutiert. Ich lege noch zwei Facetten dazu: Erstens verwendete man zur Zeit Jesu Salzklumpen, meist aus dem Toten Meer. Sie bestanden aus Kochsalz, Gips und pflanzlichen Resten. Sie durften wegen der Feuchtigkeit nicht zu lange im Salzfass gelagert werden, weil es sonst fad (dumm) wurde. Es musste aus dem Salzfass heraus in die Speisen. Und zweitens weiß jede und jeder, der beim Kochen Salz verwendet: wenn das Salz seine Aufgabe erfüllen will, muss es sich dabei auflösen. Mit diesen beiden Facetten bedeutet dann „ihr seid das Salz der Erde", dass wir hinausgehen, nicht lange warten, sondern initiativ werden sollen. Unser Ziel ist es, dass das Leben Geschmack bekommt. Aber unabhängig davon, ob das Salz seinen Geschmack verlieren kann, wird uns die Bedeutung in Vers 16 deutlich: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten ..." Ihr sollt für die Welt Salz und Licht sein, ihr sollt anderen Menschen Orientierung geben, Vorbild sein. Es erinnert uns an die Berufung Abrahams in Gen 12,3: „Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen!"
Interessant ist in Vers 16 die Betonung auf „euer". „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen." Es ist das Licht der Jüngerinnen und Jünger Christi, das in der Welt leuchtet.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welchen Auftrag haben wir als Christinnen und Christen?
2. Wo können wir Salz, Licht in der Welt sein?
4. Sonntag im Jahreskreis (A), 29.01.2023, Mt 5,1-12a, Hinführung
Carina Mathoy, Pastoralassistentin und Lehrerin
In einer Religionsstunde habe ich meine SchülerInnen einmal gefragt: „Was verstehst du unter einem glücklichen Leben?" Die Antworten kamen schnell und intuitiv: Erfolg haben, eine eigene Familie gründen, ein Haus, ein Auto, ein gut bezahlter Job und Zeit für meine FreundInnen und Hobbys. Etwas später kamen noch Gesundheit, Zufriedenheit und Dankbarkeit hinzu. „Und was passiert, wenn dies nicht in Erfüllung geht? Wenn ich krank werde, keine eigene Familie, kein Eigenheim, kein Auto, keinen gut bezahlten Job habe? Habe ich dann keine Chance auf ein glückliches Leben? Beziehungsweise habe ich dann im Leben versagt?" Ein großes Schweigen erfüllte dann den Klassenraum. Auch ich stelle mir regelmäßig die Frage, was man unbedingt „braucht", um im Leben glücklich zu sein.
Makários – „selig" ist DAS Wort des Sonntagsevangeliums – der bekannten Bergpredigt. Übersetzt bedeutet es so viel wie „glücklich, glückselig". Jesus setzt sich hin und beginnt mit den Worten: „Selig, die ..." und dann passiert etwas Unerwartetes: Er stellt die Erwartungen der Hörenden (damals und heute) auf den Kopf. Selig/glücklich sind nicht die (Erfolg-)Reichen, Strahlenden und Mächtigen. Nein, die Armen, Trauernden, Sanftmütigen, Barmherzigen, die reinen Herzens, Friedensstifter, Verfolgten – sie werden als selig/glücklich bezeichnet. Heute fragen wir uns vielleicht, was so neu und anziehend für viele Menschen am Christentum war. Einer und vielleicht der wichtigste Aspekt für mich ist die Tatsache, dass der Mensch in seiner Ganzheit und vor allem in seiner Brüchigkeit Platz findet. Jesu Botschaft spricht ein JA zu jedem Menschen und vermittelt die Zusage: „Gott liebt dich – trotz aller Schuld und vor jeder Leistung". Er spricht am Berg als einer von uns, der auch die Schattenseiten des Lebens kennt und durchschreiten musste. Aber die jesuanische Botschaft bleibt nicht dort stehen, sie bietet eine Hoffnung, einen Ausblick, ein „Happy End". Viele kritische Stimmen in der Geschichte haben diese Theologie als eine Jenseitsvertröstung abgestempelt. Wie kann dieses Versprechen dennoch zu einem glücklichen Leben verhelfen? Ich denke, dass ein glückliches Leben derjenige führt, der auch in den schweren Stunden eine Zuversicht behält. Deshalb glaube ich auch, dass dies der Grund ist, warum die Bergpredigt eine der bekanntesten und beliebtesten neutestamentlichen Texte ist. Wir brauchen auch heute noch (oder besonders heute) Hoffnungsgeschichten. Und die jesuanische Zusage: „Es wird gut!"
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was verstehe ich persönlich unter einem glücklichen Leben?
2. Was schenkt mir Hoffnung und lässt mich zuversichtlich in die Zukunft blicken?
3. Sonntag im Jahreskreis (A), 22.01.2023, Mt 4,12-23, Hinführung
Carina Mathoy, Pastoralassistentin und Lehrerin
Wann haben Sie das erste Mal ihren Wohnort gewechselt? Manche bereits während der Schulzeit, andere dann für die Ausbildung oder das Studium, wieder andere für eine Partnerschaft – manche sind in ihrem Heimatort geblieben. Ähnlich war es anscheinend auch bei Jesus: Er ist am Beginn seines öffentlichen Wirkens ca. dreißig Jahre alt, wuchs in Nazareth auf und hat eine Ausbildung zum Zimmermann gemacht. Wir wissen von seiner Geburt, seinem Wirken, Leiden und Sterben relativ viel – laut einiger Forschungen dauerte sein öffentliches Leben ca. drei Jahre. Doch was hat Jesus die ersten dreißig Jahre getan? Davon ist uns nur wenig berichtet (z.B. als 12-jähriger in Jerusalem). Vermutlich hatte er ein ganz normales Leben – er war einer unter uns, hat die Freuden und Leiden des Alltags selbst erlebt und konnte aufgrund seiner gesammelten Lebens-Erfahrungen die Menschen besser verstehen.
Jesus ist also um die dreißig – er verlässt seine Heimatstadt, seine Familie, sein Umfeld und findet in Kafarnaum eine neue Heimat. Obwohl wir von den biblischen Geschichten wissen, dass Jesus sehr viel unterwegs war, scheint es ihm doch wichtig gewesen zu sein, einen „Ausgangspunkt" zu haben. Einen Ort, wo er sich wieder zurückziehen konnte, der für ihn ein Zuhause war.
Nach dem großen Zeugnis von Johannes am letzten Sonntag wird nun berichtet, dass er ausgeliefert wurde. Der Erzählbogen der letzten Sonntage wird hier geschlossen und Jesus rückt wieder in den Mittelpunkt des Evangeliums – es beginnt ein Abschnitt der Neuanfänge. Auffallend ist, dass die Orte, die Matthäus aufzählt von großer Bedeutung für die Sendung Jesu sind und auch einen Bogen zum alten Testament spannen. Jesus ist im Land der „Heiden" (der nichtgläubigen Juden) und so wird auf eine Universalität seiner Sendung hingedeutet. Nach der Taufe im Jordan und dem Ortswechsel beginnt das öffentliche Wirken Jesu. Er war kein Einzelgänger, Jesus will seinen Weg in Gemeinschaft gehen – er „braucht" MithelferInnen, um die Heilsbotschaft in die Welt zu tragen. Gott zeigt uns immer wieder: „Ich brauche dich – du bist wichtig!"
Das Brüderpaar, Simon und Andreas, war gerade beim Fischen als Jesus sie rief. Auch Jakobus und Johannes sitzen im Boot und werfen mit ihrem Vater Zebedäus ihre Netze aus. Die Berufungserzählungen scheinen unspektakulär, keine großen Überzeugungsreden, ein einfacher und unscheinbarer Ruf genügt ihnen – sie haben anscheinend eine tiefe Gewissheit, dass es der richtige Weg sein wird. Bekanntes Verlassen – Beruf, Wohnort und Familie, das ist ein hartes Stück. Was hat die Brüder so ergriffen und überzeugt, dass sie alles stehen und liegen lassen? Am Ende wird das Programm Jesu kurz zusammengefasst: Lehre, Verkündigung und Heilung. Fühle ich mich davon angesprochen?
Fragen zum Weiterdenken:
Wo fühle ich mich berufen, gerufen und gebraucht? (im Glauben, beruflich, privat)?
Wann war ich zuletzt mutig und habe ich einen Neuanfang gesetzt – so wie Jesus und seine Jünger?
2. Sonntag im Jahreskreis (A), 15.01.2023, Joh 1,29-34, Hinführung
Carina Mathoy, Pastoralassistentin und Lehrerin
Beim Lesen mancher Bibelstellen fühle ich mich wie in einem Kino: Der innerliche Film startet, die Kamera wird auf die Szene gerichtet, die Personen werden fokussiert und die Erzählung beginnt. Bei den vier Evangelien fällt sofort auf, dass sich verschiedene Begebenheiten bei allen Evangelisten wiederfinden (z.B. das leere Grab und die Auferstehung). Die größten Ähnlichkeiten finden wir bei den Synoptikern (Markus, Matthäus und Lukas) – Johannes tanzt mit seinem Stil und seiner Theologie oft deutlicher aus der Reihe. Wie bei einem Film kommt es darauf an, wer die Regie übernimmt oder das Drehbuch geschrieben hat. Was ist mir wichtig? Was will ich den ZuhörerInnen vermitteln? Was ist die zentrale Aussage? Jede Person wird auf diese Fragen eine andere Antwort geben. So auch Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Im Sonntagsevangelium wird die Begegnung von Johannes und Jesus erneut aufgegriffen, jedoch ändert sich der Schwerpunkt: Es stehen Johannes und sein Gottessohn-Zeugnis im Mittelpunkt der Erzählung.
Drei Dinge sind mir hierbei besonders aufgefallen: Das Lamm und die Taube, der Geist Gottes und das Nicht-Kennen:
Nicht Kennen: Es ist verwirrend, dass Johannes zwei Mal davon spricht, dass er Jesus nicht kennt. Sie waren doch fast gleich alt und sogar miteinander verwandt? Kennen setzt ein Wissen voraus, das Johannes erst durch die göttliche Offenbarung zugekommen ist.
Das Lamm: Immer wieder ist in den alttestamentlichen Texten vom Lamm die Rede. Es wird als rein und unschuldig beschrieben. Wenn wir uns an die Exoduserzählung (Ex 12,7ff.) erinnern, ist es das Blut des Lammes, das zum Schutz an die Türpfosten gestrichen wird und sein Leben für das Leben anderer hingegeben hat.
Die Taube: Auch sie kennen wir bereits aus dem Alten Testament. Sie ist Träger der Heilsbotschaft – der guten Nachricht und auch Vermittlerin zwischen Gott und dem Menschen (Gen 1,8ff.).
Aber was genau bringt Johannes zu diesem ergreifenden Zeugnis? Es ist schlussendlich die Begegnung mit Jesus selbst und das (Er-)Kennen seiner Person. In der Bibelstelle vom letzten Sonntag wurde sehr mächtig erzählt, wie sich der Himmel öffnete und eine Stimme sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn...". (Mt 3,17) Diese Woche fehlt diese „wörtliche Bestätigung". Die Szene ist stiller – Johannes sieht den Geist „nur" und weiß dennoch, dies ist der Sohn Gottes. Unweigerlich habe ich den Satz im Ohr: „Selig, die nicht sehen und doch glauben." (Joh 20,29) Was heißt dies für uns heute? Karl Rahner hat einmal gesagt: „Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein – einer, der etwas erfahren hat." Aber wie kann so eine Erfahrung aussehen? Hatten Sie schon einmal eine solche (Gottes-)Erfahrung?
Fragen zum Weiterdenken:
Taufe des Herrn (A), 08.01.2023, Mt 3,13-17, Hinführung
Carina Mathoy, Pastoralassistentin und Lehrerin
Ich habe recht. Diesen indirekten Glaubenssatz vertreten wir oft in den verschiedensten Alltagssituationen und Diskussionen. Es ist schwer zuzugeben oder zu erkennen, wenn dies nicht der Fall sein sollte. Recht hat jeder gern – wir fühlen uns überlegen und spüren eine gewisse Genugtuung, wenn wir bei Diskussionen gewinnen. In den heutigen Lesungen und dem Evangelium hören wir immer wieder vom Recht und der Gerechtigkeit, die erfüllt werden soll. Doch was passiert dann? Unsere Maßstäbe werden radikal umgedreht. Es wird auf einen Messias gewartet, der diese Gerechtigkeit für alle Nationen bringt. Und dann: kommt ein Kind zur Welt, in das diese ganze Hoffnung hineingelegt wird.
Wir erinnern uns an die adventliche Begegnung von Maria und Elisabeth und Johannes und Jesus im Mutterleib. Nun wird die Geschichte mit den Erwachsengewordenen weitergeführt: Johannes der Täufer sieht sich als Wegbereiter für den Messias, er ruft zur Umkehr auf und seine Taufe wird als Akt der Sündenvergebung gesehen. Und da kommt auf einmal Jesus und möchte sich von Johannes taufen lassen? Er, der ohne Sünde ist? Die Verwirrung des Johannes ist deshalb nicht verwunderlich und auch seine Ablehnung dies zu tun. Es wird beschrieben, dass sich nach der Taufe der Himmel auftut und eine Stimme sagt: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe." (Mt 17,5) So ist dieser Akt als öffentliche Bestätigung und als Offenbarungsgeschehen zu deuten, dass Jesus wirklich der Messias ist.
Als Gottessohn stellt er sich jedoch nicht über das Volk, er will den Menschen auf Augenhöhe begegnen. Die Haltung Jesu ist bewundernswert. Er zeigt sich nicht als einer, der von seinen Mitmenschen unabhängig leben möchte – er zeigt sich als einer, der mit uns leben will und auch auf unser Tun angewiesen ist. So finden wir in den biblischen Texten des heutigen Sonntags eine Umkehr der Verhältnisse: Die Gerechtigkeit wird nicht brutal und gewalttätig durchgesetzt. Gottes Handeln in der Welt und an uns Menschen ist anders: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus." (Jes 42,3) Auch im Handeln Jesu sehen wir das immer wieder: Er zeigt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf uns, sondern lebt uns selbst vor, wie wir handeln sollen. Die Haltung der Sanftmut, des Respekts und der Einfachheit sollen auch seine Jüngerinnen und Jünger einnehmen und so seine Gerechtigkeit in der Welt sichtbar machen.
Fragen zum Weiterdenken:
• In welcher Haltung setze ich mein Recht um?
• Wo und wie möchte ich mich für eine gerechtere Welt einsetzen?
Hochfest der Gottesmutter Maria (A), 01.01.2023, Lk 2,16-21, Hinführung
Carina Mathoy, Pastoralassistentin und Lehrerin
Viele atmen an den Tagen nach dem großen Weihnachtsfest auf. Gottesdienste, Feiern, Geschenke kaufen und Familientreffen sind vorbei und nun beginnt eine wirklich ruhige Zeit. Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigsfest herrscht ein zeitlicher Ausnahmezustand. Die Uhren gehen anders – langsamer, ruhiger. Die Erwartungen verblassen und der Stress fällt bei vielen ab. Kommt es Ihnen auch so vor?
Das Weihnachtsereignis erinnert mich manchmal an eine nostalgische Filmszene: Das Kind, der Retter der Welt, ist geboren. Die Engel singen und große Freude breitet sich aus. Und dann? Die Klappe fällt und der Abspann des Films wird eingeblendet.
Das Sonntagsevangelium am Neujahrstag blickt noch einmal zurück und nimmt die Szene erneut auf, jedoch wird die Perspektive geändert. Aus der vorerst objektiven Erzählung wird nun auf die Protagonisten „gezoomt". Die Hirten mit ihrer überschwänglichen Freude rücken in den Vordergrund. Die überwältigenden Nachrichten, die ihnen von Engeln verkündet worden sind, können sie nicht mehr für sich behalten und sie erzählen allen (Lk 2,17-18) davon. Wer mit diesen „allen" gemeint ist, wird nicht genauer beschrieben, jedoch schafft es der Evangelist Lukas die HörerInnen und LeserInnen in diese Heilsgeschichte miteinzubinden. Maria, deren Hochfest wir am Neujahrstag feiern, nimmt eine Gegenposition zu den Hirten ein. Die Reaktion auf die Worte der Hirten wird als ruhiges Wahrnehmen und Staunen beschrieben. Es gibt keine laute Bestätigung und lobenden Beifall auf die begeisterten Besucher. Und so kommt mir Lk 1,26-38 in den Sinn: Die Begegnung Mariens mit dem Engel Gabriel hatte eine ähnliche Dynamik. Maria erschrak als ihr der Engel erschien und war zunächst sprachlos, sie ließ den Engel reden und stellte ihm – vor ihrer Zustimmung – noch ihre offenen Fragen. Es ist spannend, wie unterschiedlich Menschen mit Botschaften umgehen. Und was macht Maria nun? Es wird beschrieben, dass sie dieses Mal keine verbale Antwort gibt. Sie bewahrt die gehörten Worte in ihrem Herzen und denkt darüber nach. Und die Hirten? Ihre Begeisterung und Freude halten an und sie kehren lobend wieder zurück zu ihren Feldern. In den abschließenden Versen wird der Brauch, dass jeder männliche Jude am 8. Tag nach der Geburt beschnitten werden soll, angefügt und auch hier folgt eine kurze Rückblende zu Lk 1,31: „Du sollst ihm den Namen Jesus geben."
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie gehe ich mit unterschiedlichen Botschaften um? Erzähle ich sie gleich weiter oder behalte ich sie zunächst für mich und denke darüber nach?
• Wie kann Weihnachten – auch nach dem großen Fest – für mich weitergehen?
Weihnachten (A), 25.12.2022, Joh 1,1-18, Hinführung
Anna Kraml, MA, Fachreferentin Bibelpastoral
„Im Anfang war das Wort" bzw. der ‚Logos' gehört vermutlich zu den bekanntesten biblischen Phrasen überhaupt. Sogar in Goethes Tragödie ‚Faust' findet der Prolog des Johannesevangeliums Einzug. Wussten Sie aber, dass ‚Logos' so viel mehr bedeuten kann als ‚Wort'? Der Gelehrte Faust hat nämlich mit seiner Unzufriedenheit über diese Übersetzung gar nicht Unrecht. ‚Logos' kann so vieles sein – ein Wort, eine Sprache, eine Lehre, es kann einen Sachverhalt, ein Verhältnis oder eine Beziehung ausdrücken. ‚Logos' kann Maßstab, Erklärung, Ursache oder Norm sein. Es kann sogar eine Rechnung oder einen mathematischen Bruch ausdrücken. ‚Logos' kann erdenklich viel bezeichnen. Es handelt sich um ein Wort mit enormer Wirkungsgeschichte. Bereits die frühen griechischen Philosophen verwendeten die Bezeichnung ‚Logos' in ihren Schriften – und auch in der Bibel begegnet es immer wieder, vor allem in der weisheitlichen Literatur – 1080 Belege gibt es im AT und immerhin 320 im NT (so der Eintrag zu ‚Logos' im WiBiLex).
Der Prolog des Johannesevangeliums ist ein theologisches, aber auch ein literarisches Meisterwerk und eines der großen Rätsel der Theologie. Kaum ein biblischer Text ist so reichhaltig an philosophischen Aussagen und Verhältnissen, wie dieser Text. Vermutlich ist es auch gerade deswegen so schwer über ihn zu schreiben. Ich zumindest trage den Text schon seit Tagen in Gedanken mit mir umher und finde doch nicht die richtigen Worte. So viel möchte ich Ihnen mitgeben und doch erscheint mir alles so substanzlos.
Ich bleibe bei ein paar Zitaten, die mir in diesem Text besonders wichtig sind: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war Licht der Menschen." (v3/4)
„Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt." (v9)
„Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden." (v12)
„Aus seiner Fülle haben wir empfangen, Gnade über Gnade." (v16)
Lassen Sie das Evangelium auf sich wirken und sich von diesen wunderbaren Versprechen erfüllen. Ich wünsche Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten.
4. Adventsonntag (A), 18.12.2022, Mt 1,18-24, Hinführung
Anna Kraml, MA, Fachreferentin Bibelpastoral
Zwei Evangelien schildern uns die Geburt Jesu auf zwei unterschiedliche Weisen: Das Matthäusevangelium und das Lukasevangelium. Meinen Schülerinnen und Schülern erkläre ich gerne, dass es sich um zwei verschiedene Blickwinkel handelt. Das Lukasevangelium nimmt die Perspektive Marias besonders stark wahr, was sich insbesondere im Vorfeld der Geburt Jesu (Lk 1,26-38.46-56) zeigt. Das Matthäusevangelium nimmt Josef in den Blick. Es erklärt, warum Josef in einem antiken Umfeld, in dem die Schwangerschaft einer Verlobten einem Ehebruch gleichkommt, Maria nicht verlässt.
Wie aber muss diese Botschaft auf Josef wirken? In einer Zeit, in der die Frau vollkommen von ihrem Mann abhängig war und in der die Jungfräulichkeit einer Frau ihren „Wert" ausmachte. „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen" (v20), formuliert der Engel. „Fürchte dich nicht", der Emotion Josefs wird Raum gegeben. Er befindet sich in einer schwierigen und herausfordernden Lage, ebenso wie seine Verlobte Maria. „Fürchte dich nicht", es sind geflügelte Worte in der Bibel. Über 300 Mal werden sie verwendet – entweder im Singular oder im Plural „fürchtet euch nicht". Immer wieder begegnen sie an entscheidenden Stellen – besonders dort, wo Gott mit den Menschen in Kontakt kommt. Wo Gott die Menschen zum Teil seines Wirkens macht. „Fürchte dich nicht" ist aber immer auch mit dem Zuspruch Gottes verbunden. Mit seiner Anwesenheit im Leben der Menschen. Mit seiner Zusage, dass herausfordernde Situationen nicht allein bewältigt werden müssen. „Fürchte dich nicht."
Nicht umsonst begegnet das Zitat im Vorfeld der Geburt Jesu – sowohl im Matthäus- als auch im Lukasevangelium (Lk 1,30). Josef wird in einer stürmischen Situation zu einem Festpunkt. Zu einem Standplatz, könnte man es in den Worten der Kletterer ausdrücken. Er gibt die Sicherheit, die Maria und das ungeborene Kind benötigen. Auch er ist ein Teil dieser Heilsgeschichte. Auch an ihm verwirklicht sich das göttliche Heil: Gott ist da. Er muss sich nicht fürchten, er wird nicht allein gelassen. „Fürchte dich nicht", drei unscheinbare Worte, die eine enorme Wirkkraft haben und sich letztlich im Leben Jesu entfalten. Die Heilsgeschichte beginnt mit einer Zusage an zwei Menschen. Mit der Versicherung, nicht allein gelassen zu sein.
Fragen zum Weiterdenken:
„Fürchte dich nicht." An welchen Punkten in unserem Leben fürchten wir uns? Wo brauchen und spüren wir Gottes Anwesenheit in unserem Leben am meisten?
3. Adventsonntag (A), 11.12.2022, Mt 11,2-11, Hinführung
Anna Kraml, MA, Fachreferentin Bibelpastoral
„Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird." (Mt 11,10). Im Zentrum des Sonntagsevangeliums steht ein Zitat aus dem Alten Testament (Ex 23,20; Mal 3,1). Eine Verheißung, die in den Evangelien auf Johannes den Täufer als Bote für Jesus Christus bezogen wird. Das gleiche Zitat begegnet im Markusevangelium (Mk 1,2) und im Lukasevangelium (1,76). Eine Beobachtung ist für mich besonders spannend: im Matthäusevangelium begegnet der Spruch etwa in der Mitte des Buches. Das Markusevangelium eröffnet mit dieser Verheißung bzw. auch Lukas führt sie innerhalb des ersten Kapitels, in der prophetischen Rede des Zacharias ein („Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; denn du wirst dem Herrn vorangehen und ihm den Weg bereiten.". Lk 1,76).
Das Alte Testament ist mein Forschungsgebiet und in diesem Fall ist ein Blick in das Buch Exodus bemerkenswert. „Siehe: ich werde einen Engel (oder auch Boten/Gesandten, so zumindest die wörtliche Übersetzung des hebräischen maleak) schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe." (Ex 23,20). Es folgt die Weisung, auf diesen Gesandten zu achten und auf seine Stimme zu hören, „denn in ihm ist mein Name gegenwärtig" (v21). Im Exodusbuch handelt es sich vor allem um eine Figur, die das Volk auf seiner Wanderung durch die Wüste vor Gefahren durch andere Stämme schützen wird.
Der Prophet Maleachi nimmt diesen Wunsch auf: „Seht, ich sende meinen Boten (maleaki); er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel, der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht Jhwh der Heerscharen." (Mal 3,1). Es ist kein Zufall, dass der Buchtitel, im hebräischen maleaki, „mein Bote" bedeutet. Die Botschaft ist jedoch düsterer: der Tag, an dem dieser Bote kommen wird, ist für viele Menschen nur schwer ertragbar (v2). Er wird reinigen und läutern (v3) – es handelt sich um eine Gerichtsankündigung (v5), aber auch um eine Segensbotschaft – denn wer umkehrt, dem wird der Segen Jhwhs zuteilwerden (v12).
Auch Johannes der Täufer ruft die Menschen zur Umkehr auf, wie wir aus dem Evangelium des letzten Sonntags wissen. Diese Botschaft nach Umkehr ist oft keine „leichte Kost". Sie ist radikal: fordert sie uns doch dazu auf, unser Leben zu hinterfragen – uns selbst kritisch zu sehen und zu reflektieren. Johannes als Bote Jesu, der die Menschen wachrütteln will. Der sie auf das vorbereiten soll, was kommen wird.
Fragen zum Weiterdenken:
Im Anschluss an das Evangelium des letzten Sonntags bleibt nun nicht nur die Frage nach unserem Verhalten, sondern die Reflexion unserer Handlungen und unserer Überzeugungen: wo brauchen wir selbst noch Umkehr? Was benötigen wir, um uns emotional, aber auch spirituell, wirklich auf Weihnachten einlassen zu können?
2. Adventsonntag (A), 04.12.2022, Mt 3,1-12, Hinführung
Anna Kraml, MA, Fachreferentin Bibelpastoral
„Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen!" (Mt 3,3). Mitten in der vorweihnachtlichen Adventszeit begegnet uns am zweiten Adventsonntag ein Evangelium, das in einer starken Ambivalenz zwischen Zerstörung und Hoffnung steht:
„Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt?" (Mt 3,7) „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." (Mt 3,10) „Schon hält er die Schaufel in der Hand; und er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen." (Mt 3,12)
Es sind Passagen der Trostlosigkeit, die uns im Auftakt des Matthäusevangeliums begegnen und die das Tun Johannes des Täufers in ein fast schon deprimierendes Licht für uns Menschen stellen. Gleichzeitig begegnet uns bereits in diesem dritten Kapitel des Evangeliums eines der großen biblischen Heilsversprechen: „Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen." (Mt 3,11)
Mitten im Advent, der Zeit der Besinnlichkeit, des Friedens und des Wartens werden wir durch das Evangelium ganz radikal darauf aufmerksam gemacht, wie wir uns, unseren Leben und unseren Glauben verstehen. Was bedeutet es in dieser Zeit für uns selbst „Frucht hervorzubringen"? Insbesondere in Anbetracht eines Winters, in dem wir erneut vor der großen Frage stehen, wie es weiter gehen soll. Wie unser Leben und unsere Welt sich in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren entwickeln wird. Das Evangelium trägt diese Frage auch in unser Leben hinein. Es ist ein unmissverständlicher Aufruf zur Umkehr. Zum Bewusstwerden des eigenen Handelns und des eigenen Eingebunden-Seins in diese Welt. Das macht auch der Rückbezug auf das Alte Testament in der Lesung (Jes 11,1-10) deutlich. „Der Geist Jhwhs ruht auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Frucht Jhwhs" (Jes 11,2).
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie finde ich mich selbst in dieser Welt wieder – wo bedarf es der Umkehr und wo des „Früchte-Bringens"?
• Wo finde ich selbst für mich den Geist der Weisheit und der Einsicht, des Rates und der Stärke, der Erkenntnis und der Frucht Jhwhs?
1. Adventsonntag (A), 27.11.2022, Mt 24,37-44, Hinführung
Bernhard Heindl SJ, Kirchenrektor, Jesuitenkolleg Innsbruck
„Meine Güte, ich habe die Uhr ganz aus dem Blick verloren!" Das kann ein Satz sein, der mit einem Schrecken einhergeht, weil man einen Termin völlig übersehen, vergessen hat. Das kann ein Satz sein, den man leicht wehmütig spricht, weil man etwas unwahrscheinlich Schönes erlebt hat, das einen Zeit und Raum vergessen ließ. In etwas ganz aufgehen, ganz dabei, ganz bei der Sache sein dürfen, ein schönes Gefühl!
Im Advent, alle Jahre wieder in der Liturgie Mahnungen, Appelle wachsam zu sein, die Uhr, die Lebensuhr nicht aus dem Blick zu verlieren: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt! ... Darum haltet ... euch bereit!" (Mt 24,42.44)
Eigentlich wünsche ich es mir so, wenn es an der Zeit ist, innerlich zu sagen: „Was, du bist schon da? Meine Güte war das schön, es hätte ruhig noch weiter gehen dürfen!" Letztlich spricht mir Jesus aus dem Herzen, ich will die Lebensuhr im Blick behalten, ich will nicht Leben vergeuden, vertun. Deshalb bin ich für die jährlichen Rufe zur Wachsamkeit dankbar. Sie sind mir nicht lästig, sondern hilfreiche Zwischenrufe in einer rasend schnellen Zeit, die sich leicht im „Zuviel" verliert. Um Himmels willen, ich wünsche mir keine Corona-Lockdowns zurück! Und doch habe ich noch in Erinnerung, dass wir uns hinter vorgehaltener Hand anvertrauten: „Aber die verordnete Ruhe tut auch gut, die Entschleunigung ist nicht schlecht!"
Wachsam sein, nicht zeitvergessen durch's Leben laufen. Advent, jetzt wieder freiwillig runterfahren, Innerlichkeit pflegen, Richtungsfragen stellen, damit am Ende kein Schrecken, kein Bedauern uns einholt.
Fragen zum Weiterdenken:
• Was ist unwahrscheinlich schön in meinem Leben, dass ich Zeit und Raum vergesse?
• Was gibt mir Lebenssinn und wo höhlt mich leere Routine aus?
• Wie bin ich mit Gott im Gespräch, pflege ich meine Gottesbeziehung über Momente der Innerlichkeit?
Christkönigssonntag (C), 20.11.2022, Lk 23,35b-43, Hinführung
Bernhard Heindl SJ, Kirchenrektor, Jesuitenkolleg Innsbruck
Christkönigssonntag, ich muss etwas weiter ausholen und wenig fromm: Kennen Sie Hägar, den Schrecklichen? Er ist eine Comic-Figur, die laut Wikipedia in annähernd 2000 Zeitungen weltweit auftritt. Ich habe ihn einst in einem Cartoon einer Kirchenzeitung zum Christkönigssonntag kennengelernt. Wikipedia charakterisiert Hägar wie folgt:
„Er ist der Anführer einer Gruppe von Wikingern, die sich regelmäßig auf Eroberungszüge macht. Hägar gilt als gefürchteter Eroberer, zeigt sich zuhause aber als treusorgender Familienvater, dessen Geschäft eben zufällig das Plündern und Brandschatzen ist. Er schätzt gutes Essen und verbringt viel Zeit in seiner Stammkneipe. Zudem ist er in puncto Hausarbeit eher zurückhaltend. Darüber hinaus mag er es nicht, wenn seine Schwiegermutter zu Besuch ist."
Um den Cartoon aus der Kirchenzeitung verstehen zu können, müssen Sie neben Hägar, noch Helga, seine Frau, kennen, und vor allem Hamlet, den kleinen Sohn, ein intelligenter schmächtiger Junge, der – zum großen Leidwesen seines Vaters – ein gutes Buch mehr schätzt als Raufereien.
Jetzt der Cartoon: Hägar hat zufällig, einfach so, in der Stadt, den neuen König gesehen. Helga ist begeistert: „Du hast den neuen König gesehen? Wie sieht er aus?" Hägar: „Och, hast du einen König gesehen hast du alle gesehen! Was sehen die Menschen eigentlich in einem König?" Klein Hamlet: „Ich denke, ich weiß es!" Hamlet führt aus: „Wir alle haben etwas Edles in uns, nur sind wir meistens zu beschäftigt, um es zu sehen! Wenn wir einen König sehen, verehren wir das Edle in ihm, weil wir fühlen, es ist auch in uns! Wir denken: Ich wäre ein guter König ... Ich wäre fair ... Ich würde nie mein Volk enttäuschen!" Hägar nachdenklich: „Von meiner Familie hat er das nicht, glaube ich." Helga bestimmt: „Ich auch nicht!"
Christkönigsfest, ein Sonntag für die Rückbesinnung auf das Edle in uns und ein Vorschlag, das Edle zu leben: Der Christkönig ist selbstlos. Selbstlosigkeit ist eine edle Form von Menschsein und wir erwarten sie von jedem König, jeder Königin.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wo darf ich für andere da sein?
• Wo werde ich gebraucht?
• Raubt oder verleiht mir Selbstlosigkeit Würde?
• Wann, in welchen Situationen spüre ich die Freude der Selbstlosigkeit?
33. Sonntag im Jahreskreis (C), 13.11.2022, Lk 21,5-19, Hinführung
Bernhard Heindl SJ, Kirchenrektor, Jesuitenkolleg Innsbruck
Was ist ein „Sauertopf"? Eine Definition, die ich gefunden habe, lautet: „Humorloser Mensch mit vorwurfsvoll-missvergnügter Miene". War Jesus ein Sauertopf? Da staunen einige über die Schönheit des Tempels, bewundern die Ästhetik dieses prachtvollen Baus und Jesus kappt die Stimmung: „Es wird eine Zeit kommen, da wird von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleiben ...". Peng, danke Jesus!
Wie würde ich auf einen Sauertopf reagieren? Ich würde das Weite suchen, ich würde mich auf kein weiteres Gespräch mit ihm einlassen, ihm nicht noch mehre Bühne für seine schlechte Laune eröffnen wollen.
Deshalb meine ich, Jesus war kein Sauertopf! Denn das Gespräch verebbt ja nicht. Im Gegenteil, die, welche da eben noch schwelgten und von Jesus mit einer düsteren Zukunftsprognose auf den Boden von anderen Tatsachen zurückgeholt wurden, sind an seiner Meinung interessiert, fragen genauer nach: „Wann wird das geschehen, und an welchen Zeichen wird man erkennen, dass es beginnt?"
So ernüchternd die Antwort Jesu ausfällt, indem er ein Horrorszenario auf das andere folgen lässt, erweist er sich doch als waschechter Apokalyptiker. Biblische Apokalyptik, so düster sie sein mag, darauf ist Verlass, der Hoffnungsstreifen am Horizont darf nicht fehlen: Gott!
Gott, der die Seinen nicht im Stich lässt, der ihnen in aller Bedrängnis beisteht. Der ihnen die nötigen „Worte und Weisheit" eingeben wird, um sich verteidigen zu können und der, noch viel wichtiger, ihnen verspricht, dass er ihre Existenz nicht dem Untergang preisgeben wird. Sie werden „das Leben gewinnen", heißt es. Das heißt für mich: Mit Blick auf das Ende, ob der Welt oder des ganz persönlichen, sind wir nicht der Vernichtung ausgeliefert. Wir sind in Gottes Hand geborgen, unsere Existenz wird von ihm über den Tod hinaus beschützt.
Sauertopf, ich schenke den neuen Apokalyptikerinnen und Apokalyptikern durchaus Glauben, wenn sie mir mit Blick auf die Erde Untergangsszenarien vor Augen stellen. Ich leugne nicht, dass dringendster Handlungsbedarf besteht!
Ich frage mich vielmehr, wie wir als Glaubende göttliche Worte und Weisheit beitragen können, die Hoffnung geben, die die Hoffnung nicht verlieren lassen? Wie können wir besser kooperieren, die Apokalyptikerinnen und Apokalyptiker der Umweltbewegungen und wir, die Glaubenden? Wie können wir Glaubensmut und -hoffnung in die notwendige Debatte bringen: Gott hält das Universum in Händen, jedes Leben, jede Existenz ist ihm kostbar! Jesus beharrt darauf: Letzten Endes wird denen, die Gott glauben schenken, „kein Haar gekrümmt werden".
32. Sonntag im Jahreskreis (C), 06.11.2022, Lk 20,27.34-38, Hinführung
Bernhard Heindl SJ, Kirchenrektor, Jesuitenkolleg Innsbruck
Ich bin eingeladen auf ein Fest. Es spricht sich herum, dass ein Priester da ist. Jemand kommt freundlich lächelnd, mit einem Glas in der Hand auf mich zu: „Ich hätte da mal eine Frage. Meine Tante hat nach dem Tod meines Onkels einen geschiedenen Mann, der aber ‚nur' standesamtlich verheiratet war, geheiratet. Wie ist das nun mit der Kommunion?" Ich lächle auch und denke bei mir: Kirchenrechtsfragen öden mich an. Aber natürlich müsste ich es erklären können, wer, wenn nicht ich? Natürlich hat mein Gegenüber ein Recht darauf zu erfahren, wie wir Katholiken das sehen, und es beginnt ein Gespräch, in dem ich freundlich den katholischen Standpunkt plausibel zu machen versuche ... und mir die ganze Zeit denke: Wie komme ich auf ein Glaubensthema, das ich für lohnender halte?
Zum Beispiel: „Glauben Sie an die Auferstehung der Toten?", das eigentliche Thema aus dem heutigen Evangelium. Denn die Sadduzäer leugnen diese ja generell und zeichnen deshalb ein so bizarres Himmelsbild, als ob die jenseitige Welt bei Gott ein Einwohnermeldeamt wäre, das den korrekten Familienstand zu verwalten habe.
Die Auferstehung der Toten, ein Hammerthema für mich! Schwer zu beantworten, das könne man sich nicht vorstellen, eigentlich nicht wirklich, wie soll das gehen? Also Reinkarnation sei da zumindest vorstellbarer, ... Antworten, die ich erhalten habe, wenn es mir gelungen ist, das Thema zum Gespräch werden zu lassen.
Ich glaube nicht, dass mich mein Gegenüber mit dem Familienthema auf religiöses Glatteis führen wollte, wie die Sadduzäer im heutigen Evangelium Jesus. Was mich an der biblischen Begegnung fasziniert: Jesus ist gut in Gesprächsführung! Er stellt am Ende eine Frage, über die es sich zu reden lohnt.
Fragen zum Weiterdenken:
Glauben hat viele spannende Themen. Lohnende Glaubensthemen, welche fallen Ihnen ein? Ich hätte eine ganze Menge: An Auferstehung glauben, was bedeutet das? Schöpfungsglaube und Fridays for future, gibt es Schnittmengen? Sünde, gibt es sie noch oder ist sie überwunden, abgeschafft? Bin ich Gott etwas schuldig, schuldet er mir etwas? Segen, muss der aus Irland kommen oder fällt mir auch einer ein? Vorsehungsglaube, frommer Unsinn in moderner Zeit?
Über all das kann man auch mit einem Glas in der Hand reden! Das sind nur ein paar Vorschläge. Über welches Glaubensthema würden Sie gerne mit anderen ins Gespräch kommen?
31. Sonntag im Jahreskreis (C), 30.10.2022, Lk 19,1-10, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Im Evangelium dieser Woche hören wir wieder von einem Zöllner, von einem Mann,
dessen Beruf es ist, Abgaben und Gebühren für Waren zu erheben. Wenn in den
biblischen Erzählungen von Zöllnern die Rede ist, steht dahinter das Bild von
gewinnorientiert arbeitenden Personen, die sich auf Kosten anderer bereichern. Wir
können davon ausgehen, dass Personen wie der Zöllner Zachäus nicht im Mittelpunkt der
Gesellschaft standen, dass viele Menschen ihn, diesen „Sünder" (V7) eher argwöhnisch
und aus der Ferne betrachtet haben. Doch Jesus schaut diesen Menschen an, er sieht,
wer Zachäus ist, und spricht mit ihm. Er fragt nicht, ob er bei Zachäus zu Abend essen
darf, sondern er lädt sich einfach selbst ein. Auch Zachäus fragt nicht nach, er freut sich
Jesus bei sich aufnehmen zu dürfen. Er nimmt das Beziehungsangebot, dass Jesus ihm
macht, unmittelbar an. Wir wissen nicht viel von dem, was zwischen den beiden passiert,
aber das Wesentliche gibt das Evangelium preis: Wahrgenommen und von Jesus
eingeladen, verspricht Zachäus, etwas in seinem Leben zu verändern. Obwohl er sich
Jesus nicht anschließt, nicht alles stehen und liegen lässt, um mit ihm zu gehen, öffnet die
Begegnung mit Jesus seine Augen und sein Herz. Er sieht seine Fehler und beschließt in
Zukunft nicht mehr ungerecht zu handeln, nicht mehr nur zu nehmen – sondern im
Gegenteil, aus vollen Händen zu geben. Damit erfährt aber nicht nur Zachäus selbst eine
Art Heilung. Sein ganzes Haus, also seine Familie und seine sozialen Beziehungen
werden in die Beziehung zu Gott mit hineingenommen und sind damit von den Störungen
und der Schwere, die das profitorientierte Verhalten des Zachäus produziert hat, befreit.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wer jemanden anschaut, tritt mit dem Gegenüber in eine Beziehung ein. In welchen
Beziehungen fühle ich mich (an-)gesehen? Was verändert sich für mich, wenn jemand
mich wirklich sieht?
2. Oft schauen auch wir als kirchliche Gemeinschaft an Menschen vorbei oder übersehen
das Un-Heil Einzelner. Fällt mir jemand ein, den ich besuchen, ansehen und
ansprechen, bei dem ich mich mal (wieder) einladen könnte?
30. Sonntag im Jahreskreis (C), 23.10.2022, Lk 18,9-14, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Der Pharisäer hält sich für einen gerechten Menschen, weil er den Geboten folgt und „nicht wie die anderen", nicht wie diejenigen ist, die ständig etwas falsch machen. Sein Gebet erscheint dabei fast wie eine Frechheit: Ich danke Dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin. Während der Zöllner sich seiner Fehlbarkeit sehr bewusst ist, legt der Pharisäer eine gewisse Art der Selbstgerechtigkeit an den Tag: Er glaubt, er sei durch seine Gesetzestreue „gerechtfertigt", er denkt, er lebe sein Leben auf die rechte Art und Weise und bedürfe weder der Güte noch der Vergebung Gottes. Vor dieser Art der Selbstgerechtigkeit ist niemand von uns geschützt. Gerade unter praktizierenden Christ:innen findet sich nicht selten eine Haltung, die „die anderen", also diejenigen, die nicht regelmäßig zum Gottesdienst kommen, die anders Liturgie feiern oder sich nicht in einer Gemeinde engagieren, belächelt oder gar abwertet. Nur, wer seinem Glauben im kirchlichen Kontext Ausdruck verleiht, glaubt wirklich an Gott. Vielleicht tut es gut, auf den Zöllner zu schauen, der sich seiner Fehler und Macken sehr bewusst ist, der weiß, dass er mitunter gegen gesellschaftliche Normen und sogar Regeln verstößt, der einsieht, dass er oft zu seinem eigenen Vorteil handelt. Denn dieser Zöllner traut sich, in all seiner Mangelhaftigkeit vor Gott zu treten, und bittet um Gnade, um Vergebung. Er glaubt daran, dass Gott nicht nur auf seine Fehler und auf sein Versagen, sondern auch auf sein Bemühen schaut und gnädig mit ihm umgeht. Er vertraut nicht auf die eigene Leistung und Gerechtigkeit, sondern darauf, dass Gott ihn annimmt – unabhängig davon, wie oft er im Leben an eigenen und fremden Maßstäben scheitert.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo war ich in letzter Zeit selbst-gerecht? Welche Fehler darf ich vor Gott bringen?
2. An welchen Maßstäben orientiert sich mein Handeln? Welche Erwartungen habe ich an mich und an andere?
3. Oft sehen wir den Splitter im Auge des anderen, aber den Balken im eigenen nicht. Was bedeutet dieser Satz für mich und für uns als kirchliche Gemeinschaft?
29. Sonntag im Jahreskreis (C), 16.10.2022, Lk 18,1-8, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Das Gleichnis im Sonntagsevangelium erzählt von einer Situation, die von sozialer Ungerechtigkeit geprägt ist. Während der Richter hohes Ansehen genießt und vermutlich wohlsituiert lebt, gehören Witwen in den biblischen Erzählungen mangels Vorsorge und als Alleinstehende zu den sozial Schwachen. Die eigentliche Aufgabe des Richters wäre es gewesen, die Witwe zu einer gerechten Lösung für ihr Problem zu begleiten, statt sie immer wieder zu vertrösten und ihr Anliegen zu vertagen. Doch er hilft nur, weil sie hartnäckig bleibt und ihm lästig wird. Jesus baut mit diesem Gleichnis ein Gegenbild zu Gott auf, der diejenigen, die sich mit ihren Anliegen und in ihrer Not an ihn wenden, eben nicht warten lässt. Und auch, wenn es mir manchmal so erscheint, als würden meine Bitten nicht erhört und als würde sich nichts für mich ändern, legt Jesus mir mit diesem Gleichnis nahe, hartnäckig zu bleiben und mich wie die Witwe immer wieder mit meinen Anliegen an Gott zu wenden. Doch die Zusage Jesu geht noch weiter: Gott handelt nicht in einer fernen Zukunft an uns, sondern er tut es jetzt – und zwar vor allem dort, wo wir selbst Konfliktsituationen zügig auflösen, wo Menschen sich hier und heute bemühen, andere in ihrer Not zu unterstützen, wo sie Lasten mittragen, Hilfe anbieten und füreinander da sind. Gott handelt überall dort, wo ich mich heute entscheide hinzusehen, zu helfen, zu verzeihen, zu geben und zu lieben.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo habe ich in letzter Zeit vertröstet, statt zu trösten? Gibt es Situationen der Ungerechtigkeit, die sich mit meiner Hilfe zügig lösen ließen?
2. Tragen wir als Kirche dazu bei, dass Armen, Schwachen, Kranken und Marginalisierten unbürokratisch Gerechtigkeit zuteilwird? Wenn ja, wo? Wo ist noch Luft nach oben?
28. Sonntag im Jahreskreis (C), 09.10.2022, Lk 17,11-19, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Erneut geht es heute um eine Wunderheilung, und diesmal werden gleich zehn Menschen von ihrer Krankheit befreit – und zwar allein, weil sie tun, was Jesus ihnen sagt: Sie folgen den Geboten ihrer Religionsgemeinschaft. Doch nur einer von den Zehn erkennt das Wunder darin, er sucht die Nähe Jesu und bedankt sich dafür, dass er nun gesund und munter weiterleben kann. Den anderen Neun fällt es nicht ein, sich bei Jesus zu bedanken. Sie beginnen ihr neues Leben ohne zurückzuschauen – vielleicht sind sie der Meinung, dass sie ihre Pflicht erfüllt haben und die Heilung ihnen deshalb zusteht. Doch die Geschichte zeigt, dass die Heilung nicht durch reine Pflichterfüllung zustande kommt, sondern dass die Menschen von ihrer Krankheit und Belastung befreit werden, weil sie an Jesus herantreten, er sie wahr- und in ihrer Belastung ernst nimmt, und sie auf ihn hören und ihm, was ihre Heilung angeht, glauben. Es entsteht ein Beziehungsgeschehen zwischen Jesus und den erkrankten Menschen, das auf Gegenseitigkeit und Vertrauen beruht. Doch die Beziehung bleibt einseitig: in dem Moment, in dem die Belastung verschwindet, verlieren die Menschen auch Jesus aus dem Blick. Dass der Eine von den Zehn umkehrt, bedeutet mit Blick auf die hebräische Formulierung, dass er tatsächlich radikal umkehrt, dass er sein Leben ändert. Der Eine ist dankbar für den Neuanfang, dafür, dass ihm ein neues Leben geschenkt wurde. Das neue Leben beginnt also mit echter, zum Ausdruck gebrachter Dankbarkeit.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo hat sich in letzter Zeit für mich eine schwierige Situation gelöst? Habe ich mich bedankt – bei Gott und den Beteiligten?
2. Wie praktiziere ich/wie praktizieren wir in der Familie, im Bekannten- und Freundeskreis Dankbarkeit? Gibt es Rituale?
3. Wo gibt es im kirchlichen Kontext Räume und Gelegenheiten, um Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen?
27. Sonntag im Jahreskreis (C), 02.10.2022, Lk 17,5-10, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Die Jünger:innen haben bereits viel mit Jesus erlebt. Sie haben erlebt, wie er auf wunderbare Weise Kranke geheilt und Menschen von Leiden befreit hat. Sie haben erlebt, welche Wirkung Jesus auf Menschen hat, dass manche von ihnen alles liegen und stehen ließen, weil sie von Jesus und seinen Worten so beeindruckt waren. Dennoch fordern die Jünger:innen ihn – vielleicht angesichts der nahenden Konfliktsituationen, die in Jerusalem auf die Gruppe warten – auf: Stärke unseren Glauben. Heute könnte die Aufforderung so klingen: Hilf uns zu verstehen, was hier vor sich geht. Wir wollen uns sicher sein, dass das, wovon Du sprichst, wahr ist. Jesus verweist darauf, dass es nicht um die Größe des Glaubens, dass es nicht darum geht, wie viel wir verstanden haben oder wissen. Das kleinste Korn Glaube in uns kann einen tief verwurzelten Baum aus der Erde heben und ihn ins Meer verpflanzen. Schon der kleinste Funke Glaube in uns kann Wunder bewirken. Doch diesen Senfkorn-Glaube können wir weder einfordern noch erwerben. Er ist ein Geschenk Gottes. Dieses Geschenk entfaltet sich – und zwar nicht durch besondere Leistungen, einen herausragenden Lebensstil oder besondere Frömmigkeit. Er wächst dann, wenn wir wie der Sklave das tun, wozu wir in dieser Welt gerufen sind. Dazu passt die Überzeugung des Konzilstheologen Karl Rahner, dass das ganze Leben Gottesdienst ist: die Art, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen, der anstrengende Beruf, dem wir nachgehen, unser Alltag, der uns vielleicht manchmal mühsam und ungerecht erscheint. Glaube kann nicht von außen gestärkt werden und er setzt nicht dort ein, wo wir alles verstanden oder besonders viel geleistet haben. Selbst wenn er noch so klein ist – der Glaube ist schon da und wir können ihn durch unser ganz konkretes, individuelles Leben wachsen lassen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. In welchen Situationen ist mein Glaube stark, wann fühle ich mich von Gott verlassen?
2. Welche Formen des alltäglichen Gottes-Dienstes fallen mir leicht? Welche waren in letzter Zeit eher mühsam für mich
3. Wie können wir als christliche Gemeinschaft andere Menschen dabei unterstützen ihren Senfkorn-Glaube zu entdecken?
26. Sonntag im Jahreskreis (C), 25.09.2022, Lk 16,19-31, Hinführung
Martin Lesky, Abteilungsleiter für missionarische Pastoral
Der heutige Evangeliumstext steht am Ende des 16. Kapitels im Lukasevangelium. Alle Texte in diesem 16. Kapitel handeln von Reichtum und Besitz und wie wir damit umgehen sollen. Die heutige Stelle stellt den Abschluss dar. Hier wird das Thema noch einmal zugespitzt auf den Punkt gebracht.
In den ersten Zeilen wird der Unterschied zwischen dem reichen Mann und dem armen Lazarus beschrieben. Der reiche Mann kleidet sich in Purpur und feinen Leinen – eine Kostbarkeit, die sich kaum jemand leisten konnte – und feierte jeden Tag glanzvolle Feste. Diese beiden Aspekte lassen auf unermesslichen Reichtum schließen. Der arme Lazarus dagegen ist nackt, hungrig und krank. Der Name Lazarus geht auf den hebräischen Namen Eleazar zurück, was soviel heißt wie, Gott hat geholfen. Ihm kann also nur mehr Gott helfen. Die Gegensätze der beiden wird auch noch deutlich, dass der reiche Mann drinnen im Haus am reich gedeckten Tisch feiert und der arme Lazarus draußen bei den Hunden hungert. Hier wird der riesige soziale Unterschied und die Rücksichtslosigkeit der Reichen angeprangert.
Zuerst stirbt der arme Lazarus, unmittelbar darauf auch der reiche Mann. Und auf einmal kehren sich die Verhältnisse um. Lazarus wird in Abrahams Schoß aufgenommen, der reiche Mann muss in der Unterwelt qualvolle Schmerzen aushalten. Jetzt kommt es zu einem Dialog zwischen dem reichen Mann und Abraham. Lazarus hatte im Leben nur eine Bitte, hätte gerne seinen Hunger mit den Abfällen des Tisches gestillt, der reiche Mann hat jetzt drei Bitten. Seine erste Bitte deutet diese Umkehrung an: Lazarus soll mit der Spitze seines Fingers einen Wassertropfen bringen, damit er wie ein Hund daran schlecken kann. Die zweite und dritte Bitte geht darum, dass seine Verwandten gewarnt werden. Aber alle drei Bitte verhallen ungehört, denn der reiche Mann hat zu Lebzeiten auf Kosten der anderen gelebt und sich nicht auf die Wegweiser der Bibel bezogen.
Wir hören hier vielleicht die Frage heraus: Wie kann ein Reicher in den Himmel kommen? Die Antwort finden wir im letzten Satz, beim Hinweis auf Mose und die Propheten. Es geht um ein Leben mit Gott und eine Ausrichtung auf die Wegweiser der Bibel, die uns zeigen, wie Leben und Zusammenleben gelingen kann.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Pflege ich Freundschaft zu armen Menschen?
2. Welche Antworten für mein Leben finde ich in den Wegweisern der Bibel?
25. Sonntag im Jahreskreis (C), 18.09.2022, Lk 16,1-13, Hinführung
Martin Lesky, Abteilungsleiter für missionarische Pastoral
In der Einheitsübersetzung kommen unmittelbar vor der heutigen Stelle zwei Gleichnisse, in denen es um „Verlorenes" geht. Zuerst das Doppelgleichnis vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme, das wir letzten Sonntag gehört haben, dann das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Was geht im heutigen Evangelium verloren? Der Verwalter verliert das Vertrauen seines Chefs, des reichen Mannes. Wir wissen nicht, ob dieses Misstrauen gerechtfertigt ist. Er wird beschuldigt, kann sich aber nicht verteidigen. Als er dann Rechenschaft ablegen soll, überlegt er sich, wie er das Vertrauen der Leute in den Häusern gewinnen kann, dass sie ihn aufnehmen. Er lässt die Schulden seines Herrn herabsetzen und erkauft sich sozusagen die Freundschaft der Schuldner seines Herrn. Nach dem Gleichnis lobt Jesus den ungerechten Verwalter für sein kluges Handeln. Die Verse 8 und 9 sind eine Zustimmung zu seinem Verhalten. Jesus sagt, dass der Verwalter als „Kind dieser Welt" klug gehandelt hat. Er bleibt seinen Werten treu, die sein eigenes Wohl über alles andere stellt. Auch die Kinder des Lichtes sollen sich Freunde machen mit dem ungerechten Mammon.
In den anschließenden Versen kommentiert Jesus das Verhalten des Verwalters, indem er einerseits die Verlässlichkeit, andererseits das Vertrauen anspricht. Auch wenn der Verwalter klug gehandelt hat, so wird er weder als zuverlässig noch als vertrauenswürdig bei den Menschen angesehen. Schließlich sagt Jesus ganz klar, dass wir nur Gott dienen können.
Wenn es schon am Beginn heißt: „Jesus sprach aber zu den Jüngern", dann deutet dies darauf hin, dass mit diesem Gleichnis ein neuer Aspekt ins Spiel kommt. Es ist sowohl die Verlässlichkeit, die sich in den kleinen wie großen Dingen entwickelt und zeigt, als auch die Verantwortung, die wir als Christ/innen haben. Wenn wir Rechenschaft abgeben müssen für unser Verhältnis zu den materiellen Gütern und zu Besitz, wie werden wir antworten? Heute wie damals vertrauen viele Menschen auf Besitz und die eigene Leistung, die das Leben absichern und sie unabhängig machen. Die biblische Tradition ist anderer Meinung: Leben gelingt nur in Beziehung zu Anderen, zu Menschen und zu Gott – unabhängig vom Besitz.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welchen Wert lege ich in Besitz, materielle Güter und meine Leistung?
2. Welchen Stellenwert hat Engagement für andere in meinem Leben?
24. Sonntag im Jahreskreis (C), 11.09.2022, Lk 15,1-32, Hinführung
Paulina Pieper, Referentin der Innovationswerkstatt, Koordinatorin Denk Dich neu
Die Pharisäer im heutigen Tagesevangelium können nicht verstehen, dass Jesus sich mit Sündern umgibt, mit Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, weil sie (im biblischen Sinne) nicht aufrichtig leben, schwerwiegende Fehler machen oder einen Beruf ausüben, der ihnen zu ihrem eigenen Vorteil dient. Sünder:in zu sein ist immer in ein Beziehungsgeschehen eingebunden, denn die Fehler, die ich mache, wirken sich immer auf meine Beziehung zu anderen Menschen aus. Auch in meinem Leben gibt es Situationen, die zu einem Beziehungsabbruch führen können, denn ich mache Fehler – im Großen, wie im Kleinen. Ich vergesse Termine, Aufgaben bleiben unerledigt. Ich verletze Menschen, verhalte mich unfair, schaue auf meinen eigenen Vorteil, bin ungeduldig mit anderen und mit mir selbst. Doch welche großartige und umfassende Zusage macht Jesus da im heutigen Tagesevangelium: „Im Himmel wird mehr Freude über eine Person sein, die gesündigt hat und umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben." Ich darf Fehler machen, ich darf sogar mit meinem ganzen Mensch-Sein „Sünderin" sein, weil kein Fehler so schwerwiegend sein kann, dass Gott aufhört nach mir zu suchen. Jesus zeigt uns durch seine Art zu leben, dass Gott immer wieder die Hand nach uns ausstreckt, und wenn wir sie ergreifen, wenn wir bereit sind die Beziehung zu ihm und zu denen, die unter unseren Fehlern gelitten haben, wieder aufzunehmen, müssen wir nicht damit rechnen, dass uns unsere Fehler weiterhin vorgehalten werden. Wir werden nicht mit denen verglichen, die (vermeintlich) immer alles richtig gemacht haben. Gott freut sich einfach über unsere Einsicht und über unseren Mut, die Beziehung wieder aufnehmen zu wollen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo habe ich in letzter Zeit Fehler gemacht? Bei wem sollte ich um Entschuldigung bitten? Gibt es Menschen, denen ich verzeihen kann?
2. Wie steht es um meine Beziehung mit Gott? Fühle ich mich ihm nahe? Glaube ich daran, dass mich nichts endgültig von ihm trennen kann?
3. Pflege ich und pflegen wir als Kirche eine Kultur, in der Menschen umkehren können? Was kann ich/können wir tun, damit wir nicht mehr auf die Fehler der Vergangenheit schauen, sondern uns über jede:n einzelne:n Umgekehrte:n freuen können?
23. Sonntag im Jahreskreis (C), 05.09.2022, Lk 14,25-33, Hinführung
Martin Lesky, Abteilungsleiter für missionarische Pastoral
Jesus ist mit vielen Menschen unterwegs. An sie richtet er heute diese Worte. Dabei verwendet Jesus klare Worte und drückt eine eindeutige Wertigkeit aus. Um diese Wertigkeit geht es Jesus im gesamten 14. Kapitel im Lukasevangelium. Zuerst die Frage, ob es am Sabbat erlaubt ist zu heilen oder nicht. Dann die Frage nach der Rangordnung im Reich Gottes und die Frage nach den rechten Gästen. Und in dieser Stelle die Frage, was mir wichtig ist im Leben, was das Ziel in meinem Leben ist, welche Rolle mein Glaube spielt, für was ich mich einsetzen will. Jüngerin/Jünger Jesu sein, in seiner Nachfolge leben ist keine Nebensache, die ich am Sonntag beim Gottesdienst ableiste. Nachfolge muss wichtiger sein als Familie, ja sogar als mein eigenes Leben. Nachfolge heißt in der Art und Weise Jesu Einsatz für die Armen, die an den Rand gedrängten in die Mitte holen, sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen, für Gleichberechtigung und Bewahrung der Schöpfung. Jünger/Jüngerin Jesu sein heißt, den Blick über sich hinaus auf das Ganze zu wagen, verfügbar für sein Reich zu sein und daran mitzubauen. Das muss gut durchdacht und geplant sein, vielleicht braucht es sogar eine Selbstprüfung, ob ich dafür geschaffen bin und diesen Weg mitgehen kann. Dies wird in den Bildern vom Bau eines Turmes und vom Krieg deutlich und schließlich durch den Verzicht vom Besitz.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Bin ich für Jesus verfügbar? Setze ich mich für Reich Gottes ein?
2. Wo und wie erlebe ich, dass ich als Christin / als Christ in meinem Umfeld Stellung beziehen muss? Für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Bewahrung der Schöpfung?
22. Sonntag im Jahreskreis (C), 28.08.2022, Lk 14,1.7-14, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Auf seinem Weg durch die Städte und Dörfer spricht Jesus Menschen mit seiner Botschaft an. Auch von seinen Gegnern wird er angesprochen. Im Evangelium dieses Sonntags ist Jesus zu Gast bei schriftgelehrten Pharisäern, an einem Sabbat, an dem ein festliches Mahl bereitet worden ist. Möglicherweise wurde er da als „Ehrengast" eingeladen.
Jesus beobachtete das Verhalten der Gäste genau. Einige waren sehr bedacht, den Vorrang zu beanspruchen und drängten sich an die obersten Plätze. Dies nahm Jesus zum Anlass, um über das Reich Gottes zu sprechen. Ausgehend von einer einfachen „Tischregel", die besagt, dass man bescheiden einen unteren Platz einnehmen soll, leitet er auch die Teilnahme am Mahl im Reich Gottes ab: Wer sich klein macht, wer sich nicht vordrängt, der wird „erhöht" werden und einen Ehrenplatz am Tisch im Reich Gottes bekommen.
Im zweiten Teil wendet sich Jesus an den Gastgeber; denn er ist derjenige, der einlädt. Er soll nicht Menschen einladen, bei denen er eine Gegeneinladung erwarten kann. Nein, die Ärmsten der Armen, die von vielen Bereichen des Lebens ausgeschlossen sind, sollen eingeladen werden. Das bringt ihm zwar keinen Zuwachs an Ehre oder Einfluss. Aber dieses selbstlose Tun eröffnet ihm den Weg in das Reich Gottes.
Zu den Menschen am Rand gehen... Wir können diese Botschaft wohl verstehen, doch es ist nicht einfach, sie zu leben. Wir können uns nur immer daran erinnern lassen, durch das Evangelium, aber auch durch Menschen, die diese Wertordnung vorleben. Einer von ihnen ist Papst Franziskus. Er lebt selbst bescheiden. Er ruft immer wieder dazu auf, dass wir als Christen an die Ränder der Gesellschaft gehen sollen, dass wir allen Menschen ihre Würde geben und Wertschätzung entgegenbringen sollen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Sehe ich die Menschen in meiner Umgebung wirklich, oder übersehe ich manche von ihnen? Meide ich manche Kontakte mit Menschen, denen das wichtig wäre? Fühlen sich Menschen bei mir angesehen?
• Unterstütze ich Strukturen, die sich für diejenigen einsetzen, die am Rand stehen. Stelle ich mich in meinem Denken, Reden und Tun auf die Seite derer, die die Hilfe der Gesellschaft brauchen? Gehe ich selbst da konkrete Schritte?
• Welche Werthaltung vermitteln wir als Kirche / als Christen nach außen? Welchen Platz haben Junge und Alte, Frauen und Männer, Gesunde und Kranke, Erfolgreiche und Gescheiterte? Wo kann ich selbst zum Umdenken und zum Wandel beitragen?
21. Sonntag im Jahreskreis (C), 21.08.2022, Lk 13,22-30, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
In diesem Abschnitt des Lukas-Evangeliums geht es um das Reich Gottes und die Frage, wer denn da Eintritt finden wird. Mit den Bildern der Tür und der Tischgemeinschaft macht Jesus seine Zuhörer und Zuhörerinnen darauf aufmerksam, worauf es ankommt.
Jesus zieht auf seinem Weg nach Jerusalem von Dorf zu Dorf. Er lehrt die Menschen, und sie erfahren im Zusammensein mit ihm, dass er selbst diese Lehre bis in die letzte Konsequenz lebt. Er wendet sich den Menschen am Rand zu, er durchbricht Tabus, er zeigt eine neue Art zu leben auf. Viele sind begeistert und folgen ihm nach, aber für viele ist dieser Weg zu herausfordernd und sie wenden sich ab.
Jesus selbst, mit seiner Lehre und seinem Leben, ist diese Tür zum Reich Gottes. Im Evangelium haben wir gehört: „Bemüht euch nach allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen" – dieses Wort Jesu ist ein Appell an alle, sich wie er für das Reich Gottes einzusetzen. Jesus weiß, dass der Weg in seiner Nachfolge herausfordernd ist, dass es auch Momente geben kann, die mutlos machen. In der Nachfolge Jesu zu leben stellt uns immer wieder vor Entscheidungen. Entscheidungen, die unseren ganz normalen Alltag betreffen, unser Zusammenleben in den Familien, unseren Arbeitsalltag, unsere Freizeit. Aber auch Entscheidungen, die uns in konkreten Situationen abverlangt sind, im Angesicht von Not und Leid um uns herum und auf der Welt. Die Frage heißt immer wieder: Wie will und kann ich mein Christ-Sein hier und jetzt leben?
Irgendwann, so hören wir weiter im Evangelium, ist die Tür zum Reich Gottes dann verschlossen. Und diejenigen, die noch draußen sind, bitten um Einlass. Sie berufen sich darauf, dass sie den Herrn doch kennen. Doch er schickt sie fort. Es reicht nicht, dass sie mit ihm Mahl gehalten und seine Lehren gehört haben. Denn sie haben zwar gehört, sich aber im Handeln gegen diesen Weg entschieden, haben sich nicht wie der Herr auf die Seite derer gestellt, die wenig Beachtung finden.
Wenn wir dann aber schauen, wer bei der großen Tischgemeinschaft im Reich Gottes dabei ist, dann weckt das wieder Zuversicht und Hoffnung: Denn Abraham, Isaak, Jakob und die Propheten waren Menschen, die nicht alles richtig gemacht haben. Sie haben Unrecht getan, verletzt und sind immer wieder gescheitert. Aber sie haben immer wieder neu angefangen, sich für das Reich Gottes einzusetzen.
Und wenn wir an die kleinen Mahlgemeinschaften denken, die Jesus gehalten hat, dann sehen wir das bestätigt. Nicht, dass wir schuldig werden, schließt uns aus dieser Mahlgemeinschaft aus, sondern die Untätigkeit und die Weigerung zu leben, was wir von Jesu Botschaft verstanden haben. Es geht um das Bemühen, sich immer wieder neu an der Botschaft Jesu auszurichten, in allem, was wir tun. Oder, wie Frère Roger von Taizé öfters gesagt hat: „Lebe das, was Du vom Evangelium begriffen hast! Und wenn es auch noch so wenig ist. Aber lebe es!"
Fragen zum Weiterdenken:
• Was habe ich von Jesu Botschaft verstanden?
• Versuche ich, es umzusetzen?
20. Sonntag im Jahreskreis (C), 14.08.2022, Lk 12,49-53, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Die Worte, die wir heute im Evangelium aus dem Munde Jesu gehört haben, passen gar
nicht in das gängige Bild, wie Christen sein sollen: vor allem friedfertig. Sie scheinen sogar
anderen Jesusworten - man denke an die Seligpreisungen und die Bergpredigt - zu
widersprechen. Wie können wir diese Worte von Spaltung, Zwietracht und Feuerwerfen
einordnen?
Unbestritten enthält die Botschaft Jesu ein großes Konfliktpotential. Gerade im ersten
Jahrhundert des Christentums ging der Riss unterschiedlicher Werthaltungen quer durch
Familien. Auch Staat und Gesellschaft haben sich von den Einstellungen der Christen
provoziert und in Frage gestellt gefühlt. Durch die Jahrhunderte hindurch hat das
Bekenntnis zum Glauben Auswirkungen auf das eigene Leben gehabt. Diese reichten von
Zugehörigkeit und Schutz bis zu Verfolgung und Ausgrenzung.
Auch heute kennen wir Spannungen um den Glauben, die, wie wir im Evangelium hörten,
bis in die Familien hinein führen. Die Zugehörigkeit zur Kirche ist keine gesellschaftliche
Notwendigkeit mehr. Menschen entscheiden sich aufgrund ihrer verschiedenen Erfahrungen
und Erlebnisse dafür oder dagegen. Und vielen Frauen und Männern, vor allem der älteren
Generation, tut es weh zu sehen, dass ihre Kinder oder Enkel aus der Kirche austreten und
damit Werte nicht mehr vertreten, die ihnen persönlich wichtig sind.
Und so war und ist der Weg Jesu in der Gemeinschaft immer mit Spannungen verbunden.
Jesus selbst ist diesen Spannungen nie mit Gewalt begegnet. Er hat Position bezogen, hat
seine Ansichten verteidigt und durch sein Vorbild zu vermitteln versucht. Trotzdem hat er
andere ihren Weg gehen lassen. Seine eigene Überzeugung lebte er so konsequent, dass es
ihn das Leben gekostet hat.
Jesus beschreibt mit diesen ungewohnten Worten des Evangeliums eine Realität. Konflikte,
Streit, Spannungen gehören zum Leben dazu. Trotz allem Wunsch nach Frieden sollen wir
nicht in faule Kompromisse einwilligen. Wir sollen gerade stehen für unsere
Überzeugungen, aber auch andere gelten lassen. Wir sollen den Glauben, für den wir uns
entschieden haben, konsequent leben, auch wenn wir damit in der heutigen Gesellschaft oft
anecken.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wo erlebe ich Unfrieden, Streit, Zwietracht im eigenen Umfeld, weil Haltungen und
Überzeugungen auseinandergehen? Wie geht es mir damit?
• Wo will / muss ich für meinen Glauben einstehen und klar Stellung beziehen? Fällt mir
das schwer? Kann ich andere Meinungen trotzdem gelten lassen?
19. Sonntag im Jahreskreis (C), 07.08.2022, Lk 12,32-48, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Die ersten Christen waren fest davon überzeugt, dass die Wiederkunft Jesu unmittelbar bevorsteht und sie diese erleben würden. Da sich diese Hoffnung nicht erfüllte, wurden sie gleichgültiger und nachlässiger in der Nachfolge Jesu. Der Evangelist Lukas wollte sie ermahnen und zur Wachsamkeit aufrufen. Denn Jesus kam zwar nicht real zu ihnen, aber dennoch war und blieb er gegenwärtig in denen, die an ihn glaubten, ermutigte sie, stärkte sie, tröstete und begleitete sie und gab Anstöße für ein gelingendes Leben.
Ein Gedanke, der mich in Zusammenhang mit diesem Evangelium beschäftigt ist, dass wir immer wieder Zeiten erleben, in denen wir die (scheinbare) Abwesenheit Gottes aushalten müssen. Wie viele von uns haben sich wohl schon gefragt, wo Gott denn da ist, wenn wir mit schwerer Krankheit konfrontiert sind, Lebenspläne zerstört werden, Beziehungen zerbrechen, existentielle Not uns trifft oder wenn Krieg, Klimakrisen und Machtmissbrauch gutes Leben unmöglich machen. Der Schrei nach Gott in diesen Situationen ist oft laut, und viele meinen, da keine Antwort von ihm zu hören! Da wird dann die Frage gestellt, warum Gott nicht hilft, tröstet, begleitet! Er scheint abwesend zu sein und sich nicht um die Menschen zu kümmern! Diese Abwesenheit gilt es auszuhalten.
Und gleichzeitig gilt es, achtsam zu warten, auf sein Anklopfen zu hören und ihn einzulassen, wenn die Zeit dafür da ist. Gott kommt wieder, er zeigt sich in jedem Leben, ganz egal wie gelungen oder verquer es gerade ist. Gott kommt und möchte uns wach finden, bereit zum Aufbruch (gegürtet) und bereit, Lichtträger (mit brennenden Lampen) zu sein. Doch als erstes will er Mahl halten, da sein für uns und uns dienen. Als erstes will er die Gemeinschaft mit uns, uns Nahrung sein für Körper, Geist und Seele.
Die Aufforderung des Evangelisten Lukas zur Wachsamkeit will uns erinnern, unsere inneren Antennen auszurichten auf ihn, der kommen will. Innerlich wach zu bleiben, damit wir sein Klopfen hören und ihm dann unsere Herzenstüren öffnen. Wie jede und jeder Einzelne diese Achtsamkeit pflegt, kann ganz verschieden sein: Allein oder in Gemeinschaft, in der Natur oder an einem stillen Ort, im Hören oder im Schauen. Denn er sehnt sich nach einem guten Leben für alle, zu dem wir alle in seiner Nachfolge mitwirken sollen!
Fragen zum Weiterdenken:
• Kenne ich Zeiten der „Abwesenheit Gottes" in meinem Leben? Zeiten, in denen ich gedacht / gefühlt habe, dass er nicht (mehr) da ist? Was hat das in mir ausgelöst? – Sehnsucht nach ihm? Resignation? Verzweiflung? Ohnmacht? Gleichgültigkeit?
• Wie versuche ich, wach und aufmerksam für sein Ankommen in meinem Leben zu sein und zu bleiben? Was hilft mir da? Stille? Ein Spaziergang in der Natur? Gebet und / oder Gottesdienst? Austausch mit anderen?
18. Sonntag im Jahreskreis (C), 31.07.2022, Lk 12,13-21, Hinführung
Jozef Niewiadomski, emeritierter Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Innsbruck
„Unsere Tage zu zählen lehre uns, dann gewinnen wir ein weises Herz." (Ps 90,12) Im Gebet vergewissert sich der Psalmist des Bodens unter seinen Füssen. Er möchte bodenständig bleiben, vom Humus auf dem er steht, nicht abheben und hochmütig, dumm oder aber verbittert werden. (Bemerkung am Rande: Im lateinischen Begriff „humilitas", der ins Deutsche mit „Demut" übersetzt wurde, steckt das Wort „humus"; Demut als Gegenteil von Hochmut ist also nichts anderes als Bodenständigkeit). Warum diese Bemühung des Beters um die „Bodenständigkeit"? Ist er etwa 69 Jahre alt geworden? Gelassen versucht er nämlich zwei Verse vorher festzuhalten: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, sind es achtzig". Tagtäglich stößt er auf die Vergänglichkeit und Gebrechlichkeit des Lebens, steht deswegen ständig in Gefahr zu resignieren, oder gar zu verbittern. Er sieht ja, wie das Gras unter der Einwirkung der sengenden Sonne in kürzester Zeit verbrennt (90,6f.). Johannes Brahms ließ sich von diesem Vers des Psalms für sein großartiges „Deutsches Requiem" inspirieren: „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen. Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen." Deswegen betet – dem Psalmisten nachempfunden – auch der Komponist: „Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss. Und mein Leben ein Ziel hat. Und ich davon muss."
Eine solche bodenständige Geisteshaltung wird man beim Protagonisten des heutigen Sonntagsevangeliums (Lk 12,13–21) vergeblich suchen. Vielmehr zeichnet ihn eine fast schon zur Karikatur ihrer selbst herabgekommene Dummheit aus; selbst der liebe Herrgott spricht ihn ja mit: „Du Narr!" an (Lk 12,20) Geblendet durch eine gute Ernte, gerät er in einen Stress sondergleichen. So modernisiert er im Nu seinen Hof, reißt die alten Scheunen ab, baut neue auf und wiegt sich in Sicherheit, dass er nun für die nächsten Jahre ausgesorgt hat. Das einzige Ziel, das sein zukünftiges Leben strukturieren soll, ist denkbar einfach. Er will sich nur noch seines Wohlstandes erfreuen und ohne „Wenn und Aber" das Leben genießen. Also bloß essen und trinken und ...; modern gewendet: nur noch auf einer permanenten Luxuskreuzfahrt schlemmen. Und die Moral aus der Geschichte? Schon der Psalm 49 spricht diese unmissverständlich aus. Menschen, die sich bloß auf ihren Besitz verlassen und sich auch ihres Reichtums rühmen, gleichen „dem Vieh, das verstummt". „Geradewegs sinken sie ins Grab" (Ps 49, 7. 13.15). Was nützt also dem Bauer sein ganzer Reichtum, wenn anstelle des erhofften Genusses der plötzliche Tod vor der Tür steht? In unserer Geschichte spricht diese Weisheit Gott selber aus: „Noch in dieser Nacht wird man das Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?" (Lk 12, 20)
Diese allgemein menschlich unmittelbar einleuchtende Logik wird von Jesus selber in anderen Geschichten, die vom Geld und Reichtum im Lukasevangelium erzählen, vertieft. Jesus zeigt dort Alternativen auf, oder aber die absoluten Sackgassen, in die das Leben des „dummen Bauer" führen kann oder auch könnte. Wie könnte also die Alternative aussehen? Man findet sie in der Geschichte vom „klugen Verwalter" und dem wohl noch weiseren Gutsbesitzer (Lk 16,1– 8). Von den Neidern bei seinem Herrn verleumdet, fürchtet der Verwalter, dass er seinen Job verliert. Und was macht er? Er lässt die Schuldner des Gutsbesitzers kommen und halbiert ihre Schulden. Macht sich Freunde mit Hilfe des „ungerechten Mammons", teilt vom verwalteten Reichtum aus, macht also das, wozu die materiellen Güter eigentlich bestimmt sind. Pikanterweise ist es nicht einmal sein eigener Reichtum; das Gut wurde ihm ja nur anvertraut. Der Clou der ganzen Geschichte ist deswegen in der weisen Einstellung des Gutsbesitzers zu sehen: „Der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters" (Lk 16,8). Das „weise Herz" dieses – vom Reichtum gesegneten, und nicht geblendeten – Menschen drängt ihn in letzter Konsequenz dazu, auch anderen an seinem Reichtum Anteil zu gewähren. Deswegen wird er niemals in der absoluten Sackgasse enden, dort also, wo der reiche Mann aus der Geschichte, die ein paar Zeilen drunter erzählt wird, endet (Lk 16,19 – 31). Die Tradition hat diesem Reichen den sinnstiftenden Namen des „reichen Prassers" gegeben. Er besitzt seit eh und je das, was unserem „dummen Bauer" durch die außergewöhnlich gute Ernte zugefallen ist. Er war also schon immer reich, deswegen hat er immer nur an „essen und trinken und ..." gedacht und darin auch den Sinn und das Ziel seines Lebens gesehen. Geblendet durch seinen Reichtum und sein törichtes, weil verstocktes Herz, vermag er nicht zu sehen, dass direkt vor seiner Tür ein Armer sein Dasein fristet. Der arme Lazarus! Vom Hunger und Krankheiten geplagt, stirbt dieser Arme und findet seine ewige Heimat im „Schoß Abrahams" (Lk 16,22). Und auch der Prasser stirbt und landet ... in der Hölle. Oberflächlich betrachtet, rückt der Text dieser Geschichte bloß die Wahrheit von der „ausgleichenden Gerechtigkeit" in den Vordergrund. Tiefer gesehen, sagt er aber viel mehr aus. Paradoxerweise zeigt er die ganze Armut des Prassers, dessen Leben kein Ziel hat. Diese Lebensphilosophie hat auf eine brillante Kurzformel der Prophet Jesaja (Jes 22,13) gebracht, wenn er in kritischer Absicht sarkastisch spottet: „Lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot". Kein Geringerer als der Apostel Paulus selber greift diesen Vers auf und stellt ihn in den Kontext seiner leidenschaftlichen Verteidigung der Wahrheit von der Auferstehung der Toten (1 Kor 15,32b): „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot". Nun ist aber Christus auferweckt worden! Mehr noch: er hat mit seinen Jüngerinnen und Jünger nach der Auferstehung gegessen und getrunken und das „Herrenmahl" zum Inbegriff der Hingabe gemacht, dessen würdige Feier gar an die Bereitschaft zum Teilen gebunden ist.
Die Bodenständigkeit der Christen zeigt sich also vor allem darin, dass sie gelassen ihren Alltag leben. Sie wissen, dass es ein Ende mit ihnen haben muss, ihr Leben aber ein Ziel hat. Es ist das ewige Gastmahl, von der Gastfreundschaft jenes Gottes bereitet, der selber Liebe ist. Sind sie durch Reichtum gesegnet, so werden sie auch andere daran teilhaben lassen. Und weil sie teilen, teilen können und auch teilen wollen, gleichen sie nicht dem „Vieh, das verstummt. Und geradewegs ins Grab sinkt".
Fragen zum Weiterdenken:
Versuchen Sie sich in die Rolle des „Bauers" zu versetzen und mit ihm zusammen um ein „weises Herz" zu beten. Und zwar in den drei qualitativ anderen Situationen: „gesegnet" durch die gute Ernte; „gestresst" durch die Entscheidung, den Hof zu modernisieren; „schockiert" durch die Stimme Gottes: „Du Narr!"
17. Sonntag im Jahreskreis (C), 24.07.2022, Lk 11,1-13, Hinführung
Jozef Niewiadomski, emeritierter Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Innsbruck
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und doch ist sie ein Zeichen dessen, was da kommen kann, oder auch kommen wird. Diese alte Weisheit stößt mir sauer auf, während ich über die Hinführung zum Evangelium (Lk 11,1–13) nachdenke. Was ist passiert? Den knapp gehaltenen, lakonischen Pressemeldungen konnte man am vergangenen Wochenende entnehmen, dass zwei junge Mädchen (zwischen elf und fünfzehn Jahre alt) eine Innsbrucker Kirche am hellsten Nachmittag „verwüstet" haben. Jugendlicher Übermut? Der Streich von pubertierenden Gören? Ausbruch von Frustrationen über das gerade beendete Schuljahr? Oder ein Anzeichen für die, auch unter den Jugendlichen immer mehr aufkeimende, Religionsfeindlichkeit? Seit mehr als zehn Jahren ist der öffentliche Diskurs über die Religion im Allgemeinen und über die Katholische Kirche im Besonderen von diffamierendem Klima geprägt. Die legitime Kritik am Missbrauch hat längst die Grenze der Demagogie überschritten. Soll man sich da wundern, dass die kulturell so notwendige Haltung der Ehrfurcht vor dem, was anderen Menschen heilig ist, der kommenden Generation fremder sein wird als der Mond? Und das Vertrauen auf Gott? Als 70-jähriger römisch-katholischer Priester, der problemlos die Vorurteile über die „polnischen Priester" geschluckt hat, an den Vorurteilen und Blicken, die in ihm nur den potenziellen Kinderschänder gesehen haben, gelitten hat und auch weiterhin leidet, erstarre ich vor dem Zerrbild, das unsere liberale – scheinbar so tolerante – Kultur von Religion und Kirche, damit aber auch von Gott, erschaffen hat. Und im Geist einer derartigen Starre lese ich den Text des heutigen Evangeliums, der – wie kaum ein anderes Fragment der Frohbotschaft – vom Vertrauen auf den „himmlischen Vater" geprägt ist. Größer kann der Kontrast zwischen dem, was unsere Öffentlichkeit, aber auch viele kirchlich gebundenen Gläubige unter Glauben verstehen und dem, was uns der biblische Text zum Thema: „Vertrauen auf Gott" überliefert, nicht sein! Gibt es da eine Brücke?
Jesus hat gerade gebetet, damit auch mit seinem „himmlischen Vater" gesprochen. Durch die Bitte seiner Jünger inspiriert, er möge auch sie zu beten lehren, offenbart er ihnen gleich das Geheimnis des Himmels. Sollte man da nicht sagen: „Zu viel des Guten?" Keineswegs! Denn: Dieses Geheimnis heißt: „Liebe". Mit dem „Abba" (Lk 11,2), einem Lallwort, mit dem sich der Säugling vertrauensvoll an die erste Bezugsperson seines Lebens wendet (also: an Mama oder an Papa), fängt in unserem Text keineswegs bloß ein Schnellkurs in Sachen „beten" und auch nicht ein Basislehrgang zum Thema: Gotteslehre an. Vielmehr outet sich hier Jesus selber als Sohn des himmlischen Vaters, bestätigt auf diese Weise vor seinen Jüngern, damit auch vor der Öffentlichkeit dieser Welt die eigene Sohnschaft. Bisher haben ja nur Andere (Engel, Vater selber, „andere Menschen"), aber auch Dämonen (vgl. Lk 4,41; 8,28) von einer solchen Sohnschaft gesprochen. Das jesuanische Outing hat einen eindeutigen Sinn und auch ein klares Ziel: Er, der geliebte Sohn, nimmt dadurch die Jünger und damit auch uns alle, die wir – seinem Willen gemäß – so zu beten gewillt sind, wie er uns lehrt, in diese Liebesbeziehung von Vater und Sohn mit ein. Deswegen auch die religionsgeschichtlich revolutionär anmutende Ansprache dessen, dem das Gebet gilt: „Vater unser!" Fernab von jedem Kitsch eines harmlosen „Himmelspapi", macht er uns damit zu „religiösen Menschen" bester Qualität. Und warum dies? Der Begriff „Religion" wird von „religare" (binden, aufs Neue binden) abgeleitet. Das – auf den Sohn selber zurückgehende – Gebet bindet uns also immer wieder neu an den, der selber „die Liebe" ist (vgl. 1 Joh 4,16). Es bindet uns aufs Neue an den, der sich in seinem Geist an uns gebunden hat. Und dies ganz gleich, wie wir zu dieser Bindung stehen. Ob wir diese Bindung anerkennen, uns auch mit Freude als Erntehelfer betätigen (vgl. Lk 10,2), oder uns bloß immer wieder nur den Frust von der Seele reden: „Wie der letzte Arbeiter habe ich mich all diese Jahre für dich geplagt. Alles habe ich getan, was du von mir verlangt hast. Aber nie hast du mir auch nur die (schon sprichwörtliche) kleine Ziege geschenkt..." (vgl. Lk 15,29). Der liebende Vater bricht seine Bindung an uns selbst dann nicht ab, wenn wir der Bindung überdrüssig, dem „verlorenen Sohn" nicht ganz unähnlich, uns auf und davon machen (Lk 15, 11-13), wie dies momentan wohl die meisten Jugendlichen tun. Wie im biblischen Gleichnis wartet der Vater in seiner grenzenlosen Geduld auf all die „verlorenen Töchter und Söhne", begleitet sie auch – wenn auch meistens unaufdringlich und anonym –, lässt gar den Sohn in seiner Passion in all die Abgründe des „Lebens ohne Gott" hinabsteigen, damit auch dort die göttliche Bindung nicht ganz unterbrochen wird. Die Brücke über den Abgrund des Traditionsbruches, der sich vor unseren Augen immer deutlicher abzeichnet, wird kein Kirchenmanagement bauen. Und schon gar nicht die Förderung der Mentalität der „Berufschristen". Vielmehr ist unser aller Vertrauen auf den „himmlischen Vater" hier gefragt. Und dies mehr denn je. Denn: was heute notwendig ist, ist unsere klare Einstimmung in die Sohnschaft: wir sind seine Kinder! Mit dieser Einstimmung, mit jedem „Vater unser" also, das unsere Lippen und unser Herz aussprechen, wird nämlich der Name des Vaters unter den Menschen „geheiligt". Gleichsam stellvertretend für all jene, die ihre Sohnschaft ignorieren, sich mit mehr oder weniger Gewalt aus der Beziehung der sie tragenden Liebe des Vaters lösen, den Vater gar verhöhnen, damit auch seinen Namen in dieser Welt in Verruf bringen, bauen Christen Brücken über die Abgründe der tagtäglich sich breit machenden Sinnlosigkeit unserer Konsumkultur auf. Und was hat diese theologische Reflexion mit dem Alltag unserer Jugendlichen im Allgemeinen und der – eine Kirche devastierenden – Mädchen im Besonderen zu tun?
Der Traditionsbruch, dem unsere Jugendlichen ausgeliefert sind, hat nicht zuletzt etwas mit dem Verlust des Vertrauens „auf den himmlischen Vater", den „verlässlichen Freund", den man im Gebet um alles Mögliche bitten kann (vgl. Lk 11,5–11). Der große französische Philosoph, Paul Ricoeur, sprach in diesem Zusammenhang gerne von der „zweiten Naivität". Er sah zwar den großen Wert des kritischen Hinterfragens dessen, was der naive kindliche Glaube mit sich bringt. Das Hinterfragen allein und die permanente Destruktion all der traditionellen Bilder und Geschichten, der biblischen und kirchlichen Narrationen – so wichtig sie auch sein mögen – zerstören bloß das Grundvertrauen, wenn sie nicht in eine „zweite Naivität" überführt werden. Diese „zweite Naivität" tut uns allen, tut unseren Kirchen und all den „Berufschristen" Not. Doch ohne sie kann es keine lebensfördernde „religio" – keine Bindung an den „himmlischen Vater" geben. Umso wichtiger ist es, dass wir auch für jene, die selber nicht beten wollen, oder auch nicht beten können, aus dem ganzen Herzen ausrufen: „Vater unser".
Fragen zum Weiterdenken:
• Ich halte inne und überlege, was mir persönlich der Name: „himmlischer Vater" bedeutet.
• Kann ich nachvollziehen, dass die Bitte, „geheiligt werde dein Name", im Grunde auf die Zustimmung in den Status meiner Kindschaft hinzielt?
16. Sonntag im Jahreskreis (C), 17.07.2022, Lk 10,38-42, Hinführung
Jozef Niewiadomski, emeritierter Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Innsbruck
Vom Wert der kleinen Dinge
Das bestbekannte Evangelium von Martha und Maria löst bei mir immer ein bisschen Unbehagen aus. Die sich mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen auf die Lippen drängende Frage darf nicht unterdrückt werden: Übersieht Jesus nicht den Wert der banal alltäglichen Mühe um das Wohlergehen des anderen Menschen? Er ist gerade doch selber durch das Gebiet der Samariter gezogen, wurde dort – bei der Suche nach einer Unterkunft – abgewiesen (Lk 9,51–56). Hat vielleicht auch deswegen ausgerechnet einen Samariter als Vorbild der Sorge um einen in Not geratenen Menschen – damit auch als „Miniatur des göttlichen Antlitzes" hingestellt (Lk 10, 25–37). Nun kommt er in ein Dorf, wird als „Überraschungsgast" im Haus einer Frau namens Martha empfangen und auch bestens bedient. Die Gastgeberin Martha ist im Stress. Ihre Bitte, die Schwester möge ihr helfen, wird von Jesus mit der viel zitierten Schelte zurückgewiesen. „Du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig". Kein Wort des Dankes für die Labung, vielmehr ein Wort der Anerkennung für Maria. Sie habe durch ihr Verhalten „das Bessere" gewählt. Die Rezeptionsgeschichte dieses Satzes reichte von der Einteilung der Ordensschwestern in zwei „Chöre" (die „Besseren", die sich der Kontemplation widmen und die „Minderwertigen", die den Alltag des Klosters schaukeln mussten) bis hin zur knallharten Religionskritik, die im Satz: „Erst das Fressen, dann die Moral" mündete. Ob die kulturelle Nichtbeachtung der täglichen Arbeit von „Hausfrauen" auch mit der Rezeption dieses Evangeliums etwas zu tun hat, sei dahingestellt.
Spannend wird es, wenn man dieses Evangelium mit dem Bericht über die Einladung zum Essen in das Haus des Pharisäers (Lk 7,36-50) in Verbindung setzt. Diese Einladung hatte wohl nur einen Zweck: der Pharisäer wollte dasselbe tun, was Maria getan hat: den Worten Jesu zuhören und sich mit Jesus unterhalten. Der wohlhabende Mann konnte nämlich getrost die Arbeiten, mit denen sich Martha abmühte, seinem Diener überlassen. Doch geht die Gleichung nicht ganz auf. Der Gastgeber hat es unterlassen, die selbstverständlichsten „Kleinstarbeiten" bei der Begrüßung eines Gastes zu verrichten und Jesus so zu empfangen und auch „zu bedienen", wie es sich gehörte. Er hat dem Gast weder das Wasser zum Fußwaschen, noch das Öl zur Erfrischung und Haarsalbung gegeben, geschweige denn, dass er ihm einen Willkommenskuss schenkte. All das holt im gewaltigen Übermaß eine namenslose Frau (die in der Rezeptionsgeschichte dieses Evangeliums meist mit Maria, der Schwester Marthas identifiziert wurde) nach. Dieser, den Liebesdienst an Jesus verrichtenden Maria gilt nun das Lob. Ich erwische mich immer wieder beim Gedanken, dass Jesus – sozusagen in einem Akt vorweggenommener Selbstkorrektur – mit diesem Lob auch den Hochmut der sich als besser empfindenden, sich nur dem Studium und der Kontemplation Widmenden tadeln würde. Die kleinen Dinge des Alltags, mit Liebe verrichtet, haben nämlich einen Ewigkeitswert. Das hat doch der „apokalyptische Richter" (Mt 25, 31–44) eindeutig festgehalten: schon das Hinreichen eines Bechers erfrischenden Wassers an Durstige öffnet das Himmelstor. Gerade die kleinen Dinge bauen ja große Welten auf!
Fragen zum Weiterdenken:
• Ich halte inne und frage: Welche „Marthas" machen sich meinetwegen „Sorgen und Mühen"? Begegne ich ihnen im Geist der Dankbarkeit?
• Wem in meiner Umgebung darf, soll, muss ich „Martha" sein?
15. Sonntag im Jahreskreis (C), 10.07.2022, Lk 10,25-37, Hinführung
Jozef Niewiadomski, emeritierter Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Innsbruck
Barmherziger Samariter als Miniatur des göttlichen Antlitzes
Die Szene entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Zweiundsiebzig Jüngerinnen und Jünger hatte Jesus ausgesandt. Inzwischen sind sie auch zurückgekehrt. Berichten von spektakulären Erfolgen (Lk 10,17), werden von Jesus auch seliggepriesen (Lk 10,23f.) Als Gesandter des liebenden Vaters überschritt Jesus inzwischen klar mehrere, von der Tradition festgelegte Grenzen. Machte mit seinen Worten und noch mehr mit seinen Gesten klar, dass es für seine Mission keine Grenzen geben wird. Sei er doch selber „ein Licht, das die Heiden erleuchtet" (vgl. Lk 2,32) Ist aber die Zuwendung Gottes zum Menschen nicht, oder nicht mehr, an die Zugehörigkeit zum „erwählten Volk" und an die penible Einhaltung der Gesetze gebunden? Ein traditionsverbundener Theologe, ein Spezialist in Sachen „Gott und die Menschen", ein Gesetzeslehrer will Jesus aufs Glatteis führen. Stellt ihm deswegen eine Frage, die er auch selber problemlos beantworten kann. „Was muss ich tun, um das ewige Leben tun gewinnen?" Erwartet der Gesetzeslehrer, dass sich Jesus mit seiner Antwort bloßstellt? Doch dieser lässt sich auf die Provokation nicht ein, überlässt deswegen die Antwort demjenigen, dessen Kompetenz außer Frage steht: dem Fragenden selber. Brav zitiert der Experte die zentralen Sätze des Gesetzes über „Gottes- und Nächstenliebe". Einem Schulbuben nicht ganz unähnlich, provoziert der Gesetzeslehrer aber weiter: „Und wer ist mein Nächster?"
Ganz nach dem Motto: „den größten Bildungseffekt erreicht man durch eine sinnstiftende Geschichte", provoziert nun Jesus selber, indem er mit einer meisterhaft konstruierten Geschichte über den „barmherzigen Samariter" auftrumpft (Lk 10,30-36). Ihr unmittelbarer Sinn erschließt sich sofort. Vor allem dann, wenn man die Frage umdreht und danach fragt, wer sich dem armen – in Not geratenen – Menschen als Nächster erwiesen hat (Lk 36). So muss auch der provozierende Gesetzeslehrer mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen den „Nächsten" benennen. Es sei wohl derjenige, der dem leidenden Menschen „Barmherzigkeit" erwiesen hat. Und dies obwohl er selber ein Fremder, als Samariter gar ein „Abtrünniger" ist. Der gesetzestreue Pharisäer würde um ihn auf jeden Fall einen Bogen machen. Die erste Pikanterie der Situation liegt schon in der Tatsache, dass Jesus gerade durch das Gebiet der Samariter gegangen ist, dort auch eine Unterkunft suchte, aber abgewiesen wurde. Seine Jünger sind dadurch derart in Rage geraten, dass sie das vernichtende himmlische Feuer auf die Samariter beschwören wollten, von Jesus aber zurechtgewiesen wurden (vgl. Lk 9,15-56). Und nun wird ausgerechnet ein Samariter durch Jesus in die Rolle des vorbildhaften „Nächsten" gerückt.
So berührend die Geschichte auch sein mag, wenn man sie in Kategorien „bloßer Mitmenschlichkeit" liest, so revolutionär wird sie werden, wenn sie in jenem theologischen Kontext gelesen wird, in dem sie auch erzählt wurde. Dieser Kontext ist ja durch die Frage nach dem ewigen Leben klar umrissen. Dieses Leben ist doch nichts anderes als die göttliche Liebe selbst. Die kurz vor der Geschichte ausgesprochene Koppelung von Gottes- und Nächstenliebe müsste also in beide Richtungen gelten. Die zentrale Frage der Deutung dieses Evangeliums würde demnach lauten: Stellt nicht der „barmherzige Samariter" so etwas dar, wie eine „Miniatur" des göttlichen Antlitzes? Ist also gerade Gott selber nicht dem in Not geratenen Menschen, dem an der Straße des Lebens hilflos Liegengebliebenen „der Nächste" par excellence? Weil er grenzüberschreitend Barmherzigkeit erweist? Und dies, obwohl er von diesem Menschen meist als ein Fremder wahrgenommen, ignoriert, gar gemieden wird? Das Antlitz der Liebe, das uns in der Haltung des „barmherzigen Samariters" aufleuchtet, zeigt also deutlich die zentrale Eigenschaft Gottes dar. Und diese heißt Barmherzigkeit. Und hier liegt eine weitere Pikanterie der ganzen Szene? Ausgerechnet jener gesetzestreue Lehrer, der die Grenzen göttlicher Zuwendung zum Menschen beim gesetzeskonformen Verhalten von Menschen festlegte, vollzieht mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen fundamentale Grenzüberschreitung. Er macht sich auf dem Weg, auf dem er den barmherzigen Gott begegnet, einem Gott, der sich mit bedingungsloser Liebe den am Straßenrand der Lebenswege liegenden Menschen zuwendet: ganz gleich wer sie sind, was sie getan oder auch nicht getan haben. Konsequent wird er erkennen müssen, dass man das ewige Leben nicht durch Einhaltung der Gebote gewinnt, sich vielmehr dieses schenken lassen muss, durch einen Gott, dessen Antlitz in der Haltung des barmherzigen Samariters aufleuchtet.
Fragen zum Weiterdenken:
• Welche Resonanz weckt bei mir die These, dass die Haltung des barmherzigen Samariters eine Miniatur des göttlichen Antlitzes darstellt?
• Kann ich die Kehrtwendung, die der Gesetzeslehrer macht nachvollziehen? Was sperrt sich in mir gegen die darin aufblitzende Radikalität?
14. Sonntag im Jahreskreis (C), 03.07.2022, Lk 10,1-9, Hinführung
Jozef Niewiadomski, emeritierter Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Innsbruck
Jesus verstand sich als „Gesandter" des Vaters (vgl. Lk 10,16). Deswegen sandte er selber zwölf Jünger aus (vgl. Lk 9,1-6). Und gleich drauf vergrößerte er die Zahl der „Gesendeten": „Zweiundsiebzig" sollten genau dasselbe tun und reden (Lk 10,1-10), was schon die Aufgabe der Zwölf, was auch seine eigene Aufgabe war. Mehr noch: sie selber sollen permanent den „Herrn der Ernte" bitten, noch mehr Arbeiter zu senden (Lk 10.2). Die Dynamik des Evangeliums scheint nur diese eine Richtung der Ausweitung der Sendung/der Mission zu kennen. Es ist dies also nicht der uns allen so vertraute, erstarrte Blick des Kaninchens vor der „Schlange soziologischer Prognosen", die scheinbar auch nur eine Richtung kennt: „Ihr werdet immer weniger!" Die Prognose des Evangeliums hat den gesamten Erdkreis im Blick. Warum aber dies? Schon deswegen, weil die Quelle, aus der dieses Bewusstsein des Gesandtseins entspringt, der göttliche Vater selber ist. In seiner bedingungslosen und alle seine Geschöpfe umfassenden Liebe! Deswegen ist auch derjenige, der seit Ewigkeit als Sohn geliebt wird, der erste der Gesandten. Diejenigen aber, die ihn als ihren Bruder erkannt und zu lieben gelernt haben, folgen ihm als Gesandte nach. Und dies nicht primär deswegen um als „Berufschristen" Ämter und Privilegien zu erkämpfen. Vielmehr um an seiner Liebe Anteil habend, dieser Liebe zur greifbaren Gestalt zu verhelfen. Weltweit. Doch gibt es diese Liebe niemals ohne das Geschick, das den Geliebten und Liebenden widerfährt. Es kann den Gesendeten also so ergehen, wie es den Lämmern (so die präzise Übersetzung von Lk 10,3) unter den Wölfen ergeht. Sie sollen zwar von der Liebe des Vaters erzählen, bei den Menschen auch bleiben, mit ihnen essen, sich um die Kranken kümmern (das griechische Zeitwort im Lk 10,9 heißt „therapeuo", was zuerst mehr die Sorge um den Kranken, als dessen Heilung bedeutet). Sie sollen sich aber auch dessen bewusst sein, dass sie auf Granit beißen werden. Doch selbst dann, wenn sie auf Konfrontation gehen, oder sich zurückziehen (Lk 10,10), sollen sie das „Geschick des Lammes", nicht aber die sprichwörtliche – das „Berufskaninchen" lähmende – Schlange vor Augen haben. Abgelehnt, gar verfolgt und getötet, nahm der vom Vater gesandte Sohn „die Sünde der Welt hinweg". Der gesamte Erdkreis kommt also im Evangelium deswegen in den Blick, weil überall auf der Welt das Drama der nicht erwiderten Liebe präsent ist. Die nicht erwiderte Liebe des Vaters zieht sich eben nicht zurück, geschweige denn, dass sie in Rache umschlägt. Vielmehr lässt sie sich radikal auf die Verweigerer ein, riskiert gar den eigenen Tod, um die Verweigerer so in der göttlichen Liebe zu beheimaten. Es ist also konsequent, wenn der Evangelist Lukas (als einziger der Evangelisten), die Vergebungsbitte Jesu am Kreuz überliefert: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34).
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie gelingt es mir, die unsere Kirchlichkeit lähmende Perspektive der „Berufschristen" zu meiden, zu überwinden, gar zu transformieren?
• Wie oft vergewissere ich mich darüber, dass die Quelle meiner Sendung die bedingungslose Liebe des Vaters ist?
13. Sonntag im Jahreskreis (C), 26.06.2022, Lk 9,51-62, Hinführung
Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
Fest entschlossen macht sich Jesus auf den Weg nach Jerusalem. Es ist kein Wunder, dass er bei den Samaritern keine Aufnahme findet, verkehren diese doch üblicherweise nicht mit den Juden. Jesus vergilt jedoch nicht Gleiches mit Gleichem – so wie es Jakobus und Johannes tun wollten. Der Weg Jesu ist der Weg, der nicht für sich selbst und sein Ansehen kämpft. Jesus wendet keine Gewalt an. Wenn Jesus kämpft, dann ist es für das Wohl anderer und die Sache Gottes.
Vielleicht tun sich deswegen Menschen schwer in seiner Nachfolge. Im Evangelium werden heute die unterschiedlichen Menschen vorgestellt, die Jesus auf seinem Weg folgen wollen.
Da ist zunächst der, der von sich aus den Wunsch äußert, Jesus zu folgen, obwohl er offensichtlich keine Ahnung hat von dem Weg Jesu. „Ich will dir folgen, wohin du auch gehst." So sprechen spontan Begeisterte. Daher die Antwort Jesu, ob er überhaupt weiß, worauf er sich einlässt.
Und dann die beiden anderen, die Jesus auffordert, sich mit ihm auf den Weg zu machen. Beide zögern. Beide wollen einen gewissen Aufschub. Der eine, weil er seinen Vater begraben will, der andere, weil er sich noch von seiner Familie verabschieden will.
Jesu Berufung jedoch ist radikal. Für ihn gibt es kein. Ja, aber – jetzt noch nicht – später – wenn alles erledigt ist.
Auch heute beruft Jesus Menschen auf unterschiedliche Weise, sich mit ihm auf den Weg zu machen. Er ruft Menschen, die sich und ihr ganzes Leben in Dienst nehmen lassen als Priester und Ordensleute. Er beruft Menschen, die sich ehrenamtlich als Alleinstehende und Familienmütter und Väter für seine Botschaft und seine Kirche einsetzen. Und es gibt die Menschen, die Jesus durch andere Menschen auf seinen Weg ruft. Er ruft uns durch die Menschen in unserer Umgebung und in der Welt, die uns Tag für Tag in den Medien begegnen, die Armen und Bedürftigen, die, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, und auch die, die nur ein gutes Wort des Trostes und der Zuneigung brauchen. Ganz gleich wohin und zu was Jesus beruft, es kommt darauf an, seinen Ruf zu hören und ihm vorbehaltlos und ohne zu zögern zu folgen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Jede und jeder hat ihre je eigene Berufung. Welche ist die Meine?
• Wo spüre ich im Augenblick den Ruf und die Herausforderung Jesu?
12. Sonntag im Jahreskreis (C), 19.06.2022, Lk 9,18-24, Hinführung
Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
Jesus nimmt seine Freunde mit auf den Weg. Es ist dies nicht nur ein physischer Weg durch Galiläa, sondern ein Weg, der sie immer mehr auf einen anderen Weg führt, nämlich auf den Weg seiner Nachfolge. Jesus nimmt sie mit auf seinen eigenen Weg. Diesen Weg lädt er sie ein, kennen zu lernen und mitzugehen. Es ist faszinierend zu sehen, wie behutsam und schrittweise er dies tut. So fragt er zunächst: „Für wen halten die Leute mich?" Jesus lässt seine Freunde darüber nachdenken, was man über ihn sagt und was sie über ihn gehört haben. In einem weiteren Schritt stellt er dann die ganz persönliche Frage an sie: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" Und schließlich zeigt er ihnen, wie sein eigener Weg aussieht und wohin er ihn führen wird. Und Jesus verspricht ihnen: Wenn sie, seine Freunde, diesen seinen Weg mitgehen wollen, dann werden auch sie – wie er – das Leben finden. Sie werden aber auch – wie er – nicht nur auf das eigene Fortkommen und Wohlergehen besorgt sein können, sondern vielmehr die Last des Alltags und die Widerwärtigkeiten des Lebens tragen und ertragen müssen. Sie werden den Gegenwind, der ihnen in der Nachfolge Jesu entgegenweht, aushalten und ertragen müssen.
Dieser Weg, den Jesus seinen Freunden weist, ist auch unser Weg als Christen und Christinnen heute. Wir sind eingeladen, uns auf diesen Weg zu machen. Und auch wir dürfen es schrittweise tun und immer wieder neu.
Wenn wir unseren je eigenen Weg in der Schule Jesu anschauen: Haben wir nicht mehr oder weniger alle vom Hören-Sagen von Jesus gehört – von den Eltern, in der Schule, beim Gottesdienst, aus Büchern ... ? Und dann standen oder stehen wir immer wieder vor der Frage nach unserer ganz persönlichen Beziehung zu Jesus. Und schließlich sind wir herausgefordert, uns jeden Tag wieder neu auf seinen Weg zu machen. Unser Lernen, unser Kennenlernen Jesu ist nie abgeschlossen. Es dreht sich wie eine Spirale immer tiefer und immer näher zu ihm hin. Das ist seine ständige Einladung.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wann und wie habe ich von Jesus gehört? Was hat mich angesprochen, beeindruckt, herausgefordert mehr von ihm zu wissen? Was hilft mir, ihn besser kennen zu lernen?
• Hören wir seine ganz persönliche Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" Und versuchen wir unsere eigene Antwort zu geben.
• Welche Konsequenz hat meine Antwort, wozu fordert sie mich heraus in meinem Alltag und im Zusammenleben mit anderen?
Dreifaltigkeitssonntag (C), 12.06.2022, Joh 16,12-15, Hinführung
Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
Der Dreifaltigkeitssonntag ist der erste Sonntag, der die „normalen" Sonntage im Jahreskreis fortsetzt. Dennoch geht er nicht in der im Advent begonnen Leseordnung weiter. Liturgisch hat der vergangene Advent mit dem Lesejahr C begonnen, in dem an den Sonntagen mehr oder weniger fortlaufend das Lukasevangelium gelesen wird. Der Dreifaltigkeitssonntag schließt sich dieser Logik nicht an, sondern greift noch einmal auf das Johannesevangelium zurück, und hier auf die sogenannten Abschiedsreden Jesu. Er greift auf das zurück, was Jesus vor seinem Tod und seiner Auferstehung zu seinen Freunden gesagt hatte. Sie konnten dies allerdings damals nicht verstehen. Dessen war sich Jesus bewusst. Aber er sagte es ihnen für die Zeit „danach" und damit auch für die Zeit der Kirche, für uns hier und heute.
Doch verstehen wir heute, was Jesus sagte und was wir heute im Evangelium lesen und hören? Ist das nicht alles sehr verwirrend: Was der Vater hat, ist mein, und der Geist nimmt von dem, was mein ist? Im Grunde ist dies allerdings nichts anderes als die Beschreibung Gottes, des Vaters, des Sohn und des Heiligen Geistes – so wir ihn mit jedem Kreuzzeichen, das wir machen, bekennen. Jesus spricht vom Vater, von sich selbst und vom Geist und sagt gleichzeitig, dass sie eins sind. Das ist das Geheimnis der Dreifaltigkeit, das nicht nur Theologen versucht haben zu erklären, sondern auch Künstler versucht haben, in vielen verschiedenen Bildern darzustellen. Niemand allerdings ist damit zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Und das ist gut so! Denn: Würden wir Gott erklären und „begreifen" können, würden wir ihn „fassen" können, wären wir größer als er.
Das Tröstliche des heutigen Evangeliums ist, dass wir nicht allein gelassen sind, sondern dass der Geist uns leiten wird auf unserem Weg, Gott immer näher zu kommen und damit auf dem Weg der Kirche.
Fragen zum Weiterdenken:
• Habe ich Schwierigkeiten mit dem Verständnis der Dreifaltigkeit?
• An wen richtet sich mein Gebet? An den Vater? An Jesus? An den heiligen Geist? Gibt es in meinem Gebet unterschiedliche Adressaten – vielleicht in unterschiedlichen Lebensphasen oder Lebenssituationen?
Pfingsten (C), 05.06.2022, Joh 20,19-23, Hinführung
Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
Das Johannesevangelium verbindet das Pfingstfest ganz eng mit dem Fest der Auferstehung Jesu. Jesus begegnet am Abend seiner Auferstehung seinen Freunden, die sich aus Angst eingesperrt haben. Menschlich gesehen braucht uns dies nicht zu verwundern. Die Freunde Jesu, die, die mit ihm auf dem Weg gewesen waren, hatten erleben müssen, dass man Jesus verhaftete, anklagte, ihn malträtierte und schließlich kreuzigte: Ihn, auf den sie alle Hoffnung auf ein besseres Leben gesetzt hatten. Sie mussten Angst haben, dass man nun auch ihnen nachspürte und mit ihnen genau so verfahren würde wie mit ihm. Aus Angst vor diesem Schicksal rotteten sie sich zusammen und schlossen sich ein. Sich verstecken, nichts hören und nichts sehen wollen, sich verschließen, sind Merkmale und Auswirkungen von Angst.
In diese Angst hinein kommt Jesus, kommt mitten unter sie, und sagt: „Friede sei mit euch!" „Shalom". Das hebräische Wort „Shalom" meint mehr als das, was wir meinen, wenn wir „Friede" sagen. Shalom bedeutet einen umfassenden Frieden: den Frieden mit Gott, mit dem Nächsten, mit sich selbst und mit der Umwelt.
In diesem Sinn weist „Shalom" auch auf Versöhnung hin, auf die Versöhnung mit Gott, mit dem Nächsten, mit sich selbst und mit der Umwelt. Es ist dies eine Versöhnung, die zu einem ganzheitlichen Leben und damit zu einem Leben führt, das den Glauben an die Auferstehung widerspiegelt.
Versöhnung in diesem Sinn bedeutet auch die Versöhnung mit der je eigenen Geschichte und mit dem je eignen Geworden- und So-Sein. Nicht selten führen die eigene Lebensgeschichte und das erlebte Schicksal in Verbitterung und in der Folge zu Verschlossenheit und Einkapselung.
Da brauchen wir es, dass Jesus in unsere Mitte kommt und uns „Shalom" zusagt, um uns aus Angst und Verzweiflung zu befreien und zu einem neuen, befreiten, Leben zu führen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wo brauche ich diese Zusage Jesu?
• Wo spüre ich, dass ich mich versöhnen muss und will mit Gott, mit einem Menschen in meiner Nähe, mit meinem eigenen Leben und mit der Natur?
• Wer in meiner Umgebung kapselt sich ab und wartet vielleicht darauf, dass ich mich ihm zuwende mit einem Wort oder mit einer Geste, die von „Frieden" spricht?
7. Sonntag der Osterzeit (C), 29.05.2022, Joh 17,20-26, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Das Evangelium des Sonntags lässt uns in das Innerste des Herzens Jesu blicken. Wir hören einen Abschnitt aus dem Abschiedsgebet Jesu. Jesus betet – und bringt all das vor seinen lieben Vater im Himmel, was ihm am Herzen liegt und was in seinem Herzen brennt.
Das zentrale Anliegen Jesu ist die Einheit derer, die an ihn glauben. Diese Einheit ist nicht nur eine organisatorische Frage, eine Frage von Strukturen, Kompromissen, Vereinbarungen, Schonung oder Toleranz. Sie ist eine Frage der innersten und geradezu „intimen" Zusammengehörigkeit und Verbundenheit, weil sie in der Einheit zwischen Jesus und seinem lieben Vater im Himmel gründet. „Wie du Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein..." (Joh 17,21) „...damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir." (Joh 17,22-23)
Es ist eine der bittesten Sünden der Kirche, diese Einheit nicht bewahrt zu haben - oder sie immer neu zu brechen. Obwohl der Herzenswunsch Jesu so klar ist, nehmen wir die Spaltung viel zu schnell und reaktionslos zur Kenntnis und gehen zur Tagesordnung über. Umso wichtiger ist die ständige Mahnung im ökumenischen Dialog, endlich mit Entschiedenheit und nachhaltig Schritte zur Einheit umzusetzen.
Was ist das Ziel der Einheit? Das Ziel ist, dass die Welt erkennt, dass der Vater Jesus gesandt hat. Das bedeutet: Die Einheit derer, die zu Jesus gehören, soll es den Menschen möglich machen, zu glauben. Kein Wunder, wenn die Zerstrittenheit der Christinnen und Christen als Anti-Zeugnis des Glaubens erfahren wird. Und das nicht nur im Kontext von konfessionellen Streitigkeiten, sondern auch bei Konflikten, Spannungen und Abneigungen innerhalb der einzelnen Gemeinden vor Ort.
Und noch ein Gedanke: Jesus betet nicht nur für die engsten Freunde. Er betet für ALLE. Christinnen und Christen haben eine Sendung und Aufgabe für die ganze Welt, für alle Menschen. Es genügt nicht, sich in den eigenen vertrauten, liebgewonnenen und harmonischen Kreis zurückzuziehen. Die Frohe Botschaft soll alle Menschen erreichen. Sie soll alle Menschen hineinweben in einen Resonanzraum der Liebe Gottes.
Fragen zum Weiterdenken:
• Habe ich die Liebe Gottes zu mir oder in meinem Leben schon einmal stark gespürt?
• Wie kann ich in meinem Umfeld mithelfen, den Herzenswunsch Jesu nach der Einheit zu verwirklichen?
6. Sonntag der Osterzeit (C), 22.05.2022, Joh 14,23-29, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Am vergangenen Sonntag haben wir aus dem Johannesevangelium die Überleitung vom Bericht der Fußwaschung zu den drei großen Abschiedsreden Jesu vor seinem Leiden und Sterben gehört. Heute lauschen wir hinein in die erste Abschiedsrede Jesu. Es ist sein Testament für die Seinen. Es sind Gedanken und Grundhaltungen, die weiterwirken und weiterprägen sollen.
Jesus kündigt an, dass er heimgeht zu seinem Vater. Aber er bleibt auch präsent. Er verlässt die Seinen nicht.
Er bleibt in der Mitte der Seinen durch das Wort, das in seinem Namen verkündigt und dann im Glauben angenommen wird.
Er bleibt präsent durch die Liebe, mit der seinem Wort geglaubt wird. Die Liebe ist der Resonanzraum, in dem das Wort zur Wirkung kommt.
Er bleibt gegenwärtig durch einen Beistand, den der Vater schicken wird und der eine ganz feste, innere Nähe zu Jesus möglich macht. Dieser Geist schenkt Orientierung und lebendige Erinnerung.
Und: Er bleibt spürbar nahe durch den Frieden, der mehr ist als jeder Friedensschluss und jeder Waffenstillstand dieser Welt. Er ist ein Friede, der zu einer Erfahrung von Glückseligkeit führt.
Gottes Wort, Haltung der Liebe, Beistand Heiliger Geist, Frieden: Der Herr, der die Seinen in seiner sichtbaren Gestalt verlässt, bleibt verlässlich und erfahrbar anwesend.
Das kann ein tiefes und tragendes Vertrauen stiften, das den Erschütterungen des Lebens standzuhalten vermag. Deswegen auch die starke Aufforderung Jesu: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht." (Joh 14,27)
Fragen zum Weiterdenken:
• Durch welche oder in welcher Lebenserfahrung habe ich das Vertrauen des Glaubens kennengelernt?
• Wie kann ich in meiner Umgebung Zeuge bzw. Zeugin sein für die Gegenwart des auferstandenen Herrn?
5. Sonntag der Osterzeit (C), 15.05.2022, Joh 13,31-33a.34-35, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Der Text des sonntäglichen Evangeliums folgt dem Bericht des Evangelisten Johannes über Fußwaschung und Mahl. Er bildet die Überleitung zu den drei Abschiedsreden und dem Abschiedsgebet Jesu.
Alles ist auf höchste Konzentration ausgerichtet. Jedes Wort und jede Geste ist entscheidend und zählt. Wie unter einer Lupe wird sichtbar, was Jesus am Herzen liegt und was er kurz vor seinem Leiden und Sterben den Seinen quasi als Testament mit auf den Weg gibt.
Wir kennen das: In den Stunden des Abschieds von einem Menschen wird alles wesentlich. Jedes Wort, jedes Zeichen, jede Entscheidung. Alles hat Bedeutung und wirkt nach. Die letzten Worte eines Menschen bleiben. Das, was einem Menschen wichtig ist, wird er in seinem Testament festhalten.
Jesus fokussiert alles auf das neue Gebot, das er gibt. Es ist das Gebot der Liebe. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten." (Mt 22,37-40) In der Stunde seines Abschieds „konzentriert" Jesus dieses sogenannte „Doppelgebot der Liebe" noch einmal: „Liebt einander!" (Joh 13,34)
Diese Liebe, zu der Jesus auffordert, ist nicht ein primär ethisches Gebot und auch nicht eine Form von Leistung. Es geht um eine Beziehung und um eine Antwort. Die Liebe zueinander wird eingebunden in die Liebe, die Jesus zu den Seinen hat (Beziehung) und ist eine Antwort auf die vorausgehende Liebe Jesu (Antwort): „wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13,34).
Die Liebe ist DAS Erkennungszeichen der Jünger Jesu. Wenn die Liebe nicht da ist, werden das Zeugnis und die Verkündigung im Namen Jesu unkenntlich gemacht und zerstört. Ohne Liebe geben die Seinen ein Anti-Zeugnis.
Fragen zum Weiterdenken:
• Was ist für mich der Kern der christlichen Botschaft? Was erfahre ich als „Schatz", wenn ich an das Evangelium denke?
• Wo ist das Zeugnis der Liebe von mir gefordert? Wo braucht es Mühe und Durchhaltevermögen?
4. Sonntag der Osterzeit (C), 08.05.2022, Joh 10,27-30, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
„Den heutigen Abschnitt kann man im gewissen Sinne als Nachtrag zum Bild des Guten Hirten (Joh 10,1-21) bezeichnen. Das 10. Kapitel des Johannesevangeliums beginnt mit dem Selbstbild Jesu als dem Guten Hirten und mündet in die Stelle Joh 10,10: Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Dem schließt sich das Gegenbild des Guten Hirten oder des Tagelöhners an. Es wird mit einem Hinweis auf die Reaktion der Menschen abgeschlossen.
Mit Joh 10,22 beginnt eine neue Szene mit einem Streitgespräch im Tempel. Jesus soll sich erklären. Jesus greift das Bild der Schafe wieder auf, und das heutige Evangelium setzt bei Vers Joh 10,27 ein.
Der Hinweis auf den Vater knüpft an das Argument Jesu aus Joh 10.25 an, in dem er sich als der vorstellt, der den Wunsch des Vaters erfüllt." (Aus: Predigtforum. Lesungskommentar von Norbert Riebartsch, 2007)
Das Bild „Hirte und Schafe" entwirft ein inniges und vertrautes Zueinander. Die Schafe kennen die Stimme des Hirten, und der Hirte kennt die Schafe. Beide sind voneinander nicht zu trennen. Die Hand des Hirten hat alles gut im Griff.
Die kostbare Gabe des Hirten ist das Leben. „Leben" meint das, was zutiefst glücklich macht, die innere Erfüllung und Seligkeit. Zugleich meint „Leben" die Befreiung aus allem, was kaputt macht und zerstört. Schließlich ist „Leben" die Gegenkraft gegen den Tod.
Die Liebe und Zuneigung des Hirten entsprechen der Liebe und Zuneigung, die der Vater im Himmel zu seinem Sohn Jesus hat. In diese Liebe sind die Schafe hineingenommen. Es geht also nicht nur um eine große Nähe, sondern um ein Ineinander-Verwoben-Sein, um eine Herzens-Einheit. Wer sich dem Hirten Jesus anvertraut, der hört und erlebt seinen Herzschlag. Er findet dort Zuflucht und Antriebskraft für sein Leben.
Fragen zum Weiterdenken:
• Welches Bild fällt mir ein, wenn ich die Beziehung zwischen Gott und den Menschen, zwischen Jesus und mir beschreiben will? Warum?
• Welchen (kleinen) Schritt kann ich tun, damit Menschen, denen das Evangelium fremd ist, etwas vom Guten Hirten erfahren?
3. Sonntag der Osterzeit (C), 01.05.2022, Joh 21,1-19, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Der Text des Sonntagsevangeliums stammt aus dem sogenannten Nachtragskapitel im Johannesevangelium. Dieses wurde an den ursprünglichen Schluss (Kapitel 20) angehängt. In ihm sind noch einmal Begegnungen mit dem Auferstanden enthalten. Es ist anzunehmen, dass diese Begegnungen und die darin liegende Bedeutung auf neu aufgetretene Fragen der Gemeinden zu antworten versuchen.
Die Jünger kehren – aus Frust oder aus Mangel an Vision, wie es weitergehen soll – wieder zu dem zurück, was sie früher getan haben. Sie gehen fischen. Das können sie und davon können sie – zumindest materiell – leben. Die Dynamik einer freudigen Aufbruchsbewegung scheint verloren. Von den Zwölf sind nur mehr sieben übrig. Die Zahl wird kleiner. Zudem versagen die Fischer bei dem, was sie können müssten. Leere Netze. Alles umsonst. Keine Zukunft. Wie soll das weitergehen?
Jesus, der Auferstandene, erscheint in einer fremden Gestalt, einer Gestalt, die nicht sofort erkennbar ist. Auferstehung bedeutet nicht „Überrumpelung" durch Beweise oder eine Beschreibung bzw. Erklärung unerklärbarer Ereignisse, sondern die Erfahrung, dass der Herr lebendig ist und lebt. Dass er auf neue Weise da ist. Es braucht den offenen und geistlichen Blick, damit Erkennen möglich ist.
Der Jünger, den Jesus liebt, erkennt den Herrn als Erster. Augen, die lieben, sind Augen, die mehr sehen. Johannes ist der innerlich Berührte und Staunende, Petrus der später Begreifende und der sofort Handelnde. Die Jünger sind unterschiedlich und ergänzen sich. Sie brauchen einander.
Zuerst fragt der Fremde nach einem Essen, dann hat er eines bereitet. Die Dynamik des Evangeliums folgt nicht logischen Gesetzmäßigkeiten. Vieles ist Überraschung und Irritation. Und: Es braucht das Mittun und den Beitrag der Menschen, aber das „Herdfeuer" der Sättigung bereitet Jesus selbst.
Jesus tut das, was er immer getan hat. Er lädt ein, „herzukommen" und zu essen. Er tut das, bevor alle Fehler bereinigt und ausgetilgt sind. Durch das Mahl geschieht Heilung und Reinigung. Das Mahl ist keine Belohnung für die Guten und Braven, sondern es ist Ermutigung und Neuausrichtung für die allzu Menschlichen.
Jesus fragt Petrus nach der Liebe, nicht Johannes. Er fragt nicht den Jünger, der ihm durchgehend treu war. Auf die dreimalige Verleugnung folgt das dreimalige Bekenntnis der Liebe. Die Liebe und Zuneigung zu Jesus ist die Kernkompetenz all jener, die Hirte oder Hirtin im Namen Jesu sind.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wo durfte ich erleben, dass Jesus, der Herr, lebt und wirkt – heute, in meinem Leben?
• Wie kann ich der Liebe zum Herrn in meinem Alltag ein Gesicht geben und sie spürbar und erlebbar machen?
2. Sonntag der Osterzeit (C), 24.04.2022, Joh 20,19-31, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Die Sonntagsevangelien am Beginn der Osterzeit sind Begegnungsgeschichten mit dem Auferstandenen. Den Anfang macht Maria Magdalena (20,12-18), die auch als erste das leere Grab entdeckt hat. Am Abend desselben Tages erscheint Jesus der Jüngergemeinschaft (20,19-23), acht Tage später dem Thomas (20, 24-29). Obwohl zwischen diesen beiden Erscheinungen ein gewisser Zeitraum liegt, gehören sie inhaltlich zusammen.
Die Umstände der Begegnungen sind zum einen sehr konkret beschrieben und bleiben dennoch geheimnisvoll. Fakt ist aber, dass Jesus von den Seinen erkannt wird. Bei Maria Magdalena löst das Nennen ihres Namens das Erkennen aus (20,16). Den Jüngern zeigt er seine Hände und seine Seite. Sie tragen die Wundmale des Gekreuzigten, damit ist die Verbindung vom irdischen zum auferstandenen HERRN gegeben.
Sendung im Dienst der Versöhnung
Es ist berührend, dass der auferstandene Jesus seinen Jüngern, die in der Passionserzählung so gar keine glänzende Figur gemacht haben (Verrat, Flucht, ...) keine Vorhaltungen macht. Im Gegenteil, bestärkt mit der Gabe des Hl. Geistes sendet er sie, den Frieden, den er ihnen zweimal zugesprochen hat (20,19; 20,21), im Dienst der Vergebung und der Versöhnung weiterzutragen. Jesus weist auch auf die große Verantwortung hin, wenn es darum geht, Sünden zu erlassen oder eben nicht. (20,23) Es geht dabei keineswegs um Macht oder Beliebigkeit, sondern es soll bewusst werden, dass verweigerte Vergebung Menschen für ihr ganzes Leben belastet.
Zweifeln und glauben
Glauben und zweifeln stehen von Anfang an nahe beisammen. Zweifel führt nicht automatisch weg vom Glauben und der Gemeinschaft. Thomas steht stellvertretend für die zweite und alle folgenden Generationen von ChristInnen, die auf das Zeugnis von anderen angewiesen sind, weil die unmittelbare eigene Erfahrung (noch) nicht stattgefunden hat. Thomas zweifelt, hinterfragt, formuliert, was er erleben müsste, um zum Glauben zu kommen (20,25). Jesus nimmt den zweifelnden Thomas ernst und geht auf sein Bedürfnis nach Begegnung ein. Nicht der Bericht der anderen, sondern erst die persönliche Begegnung, führen Thomas zum Bekenntnis: MEIN Herr und MEIN Gott!
Fragen zum Weiterdenken:
• „Den Auferstandenen bezeugen" bedeutet auch, auf ein versöhntes Miteinander in der Familie und in unterschiedlichen Gemeinschaften in Kirche und Gesellschaft hinzuarbeiten. Kennen Sie die Erfahrung, dass Ihnen vergeben wird? Waren Sie selber schon einmal „FriedensstifterIn"?
• Zweifeln bedeutet, Unsicherheit aushalten, ringen, suchen, dranbleiben. Auch zweifeln und verzweifeln liegen manchmal nahe beieinander. Was hat im eigenen Leben – rückblickend – geholfen, Phasen des Zweifelns zu überwinden? Welchen Platz haben Glaubenszweifel in unserer Pfarre/unserer Weggemeinschaft?
Ostersonntag (C), 17.04.2022, Joh 20,1-9, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Gekreuzigt, gestorben und begraben – so könnte man in einer Kurzformel die Ereignisse zusammenfassen, die dem Evangelium vom Ostersonntag vorausgehen. Nicht nur der Leichnam Jesu wurde zu Grabe getragen, sondern auch die Hoffnungen seiner Jünger und derer, die ihm seit dem Aufbruch in Galiläa nachgefolgt sind.
Allem zum Trotz wird eine Dynamik in Gang gesetzt, die zur Initialzündung der nachösterlichen Sammlung der Jüngergemeinschaft wird. Im Zentrum steht der Glaube, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Obwohl es unterschiedliche Akzente gibt, haben die Auferstehungsberichte der vier Evangelisten gemeinsame Grundzüge: Der Vorgang der Auferstehung selber wird nicht beschrieben. Der Auferstehungsglaube beginnt mit der Auffindung des leeren Grabes und verdichtet bzw. konkretisiert sich mit der Erfahrung der Begegnung mit dem Auferstandenen.
Im Osterevangelium bei Johannes begegnen uns drei wichtige Personen, die in den Anfängen der christlichen Gemeinden eine bedeutende Rolle gespielt haben.
Maria Magdalena wird im Johannesevangelium als Zeugin der Kreuzigung Jesu benannt (Joh 19,25). Sie ist die erste, die zum Grab kommt und entdeckt, dass der Stein, der es verschließen sollte, weggenommen worden war. Auch wenn sie mit ihrer ersten Vermutung (V2: Der Leichnam wurde geraubt) danebenliegt, wird ihr durch ihr Ausharren am leeren Grab (V11) die Begegnung mit dem Auferstandenen geschenkt. Selbstbewusst verkündet sie den Jüngern: „Ich habe den Herrn gesehen" (V18). Sie ist die Erstzeugin der Auferstehung und „in persona" die Brücke vom irdischen zum auferstandenen Jesus.
Der namenlose „Jünger, den Jesus liebte" tritt ungefähr ab der Mitte des Johannesevangeliums in Erscheinung und hatte vermutlich in der johanneischen Gemeinde eine bedeutsame Rolle. Er ist ebenso Zeuge der Kreuzigung (Joh 19,25-27), später erkennt er den auferstandenen Jesus am See Tiberias (Joh 21,7 – Es ist der Herr!).
Auch Petrus, der in der Johannespassion nach seinem Verrat Jesu (Joh 18,15-27) gleichsam abtaucht, ist wieder „an vorderster Front" mit dabei. Obwohl er bei dem österlichen Wettlauf zum Grab als zweiter ankommt, darf er als erster die leere Grabhöhle betreten. Für die frühe Kirche „musste" es fast so sein: Petrus, der Fels der Kirche, wird als erster männlicher Zeuge in die „Poleposition" manövriert. Obwohl er das leere Grab sieht, vermag er aber zunächst keine Schlüsse daraus zu ziehen. Darin hat ihm der „Jünger, den Jesus liebte" einiges voraus. Er sah und glaubte! (Joh 20,8)
Die österliche Botschaft von der Auferstehung Jesu überwindet die Grenze des Todes. Nicht nur für Jesus, sondern für alle und ein für alle Mal. Gott holt Jesus nicht zurück in sein altes Leben, sondern er erweckt ihn zu neuem Leben, anderswie und anderswo. Die Auferweckung Jesu ist Gottes unwiderrufliches JA zum Leben. Nicht nur im Jenseits, sondern auch im Hier und heute.
Fragen zum Weiterdenken:
• „Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung" – in diesem Lied (Gotteslob 472) werden Alltagserfahrungen angesprochen, die Menschen mit „Auferstehung" verbinden. Kennen Sie ähnliche Erfahrungen?
• „Er sah und glaubte" – Welche (sichtbaren) Zeichen stärken Ihren Glauben an die Auferstehung? Kennen Sie Menschen, die Sie als „ZeugInnen der Auferstehung" bezeichnen würden? Wie würden Sie diese Menschen beschreiben?
Palmsonntag (C), 10.04.2022, Lk 19,28-40 und Lk 22,14-23,56, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Mit der Feier des Palmsonntags wird die Karwoche eröffnet. Vor der Palmprozession wird das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem (Lk 19,28-40) gelesen, beim Gottesdienst dann die Passionserzählung (Lk 22,14-23,56), beginnend mit dem letzten Abendmahl bis zur Grablegung Jesu. Damit ist ein weiter Bogen aufgespannt. Was wie ein triumphaler Siegeszug beginnt, endet (vorerst) fatal: Der gefeierte König stirbt schmachvoll am Kreuz. Somit schauen wir bereits am Palmsonntag auf die Ereignisse der Kartage voraus.
Wer die Hauptstadt erobert, hat gewonnen. Wenn also die Sendung Jesu zum Durchbruch und zur Vollendung kommen soll, muss der Weg unweigerlich nach Jerusalem führen. Auf welche Art aber will Jesus die Stadt für sich „einnehmen"? Welche Symbolik ist in der Erzählung verpackt, die entschlüsselt werden will?
Bringt mir ein Eselfohlen! Beim Propheten Sacharja (Sach 9,9-10) reitet der erwartete Messias auf dem Fohlen einer Eselin. Lukas greift diese Vision auf und identifiziert Jesus mit dem erwarteten Messias, der gerecht ist und Frieden bringt. Kleider, die als „Satteldecke" dienen und auf den Weg gebreitet werden, spielen auf ein Ritual im alten Israel für einen neuen König an. (vgl. 2 Kön 19,13)
Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn! Was durch die oben beschriebene Symbolik angedeutet ist, wird durch diesen Zuruf der Jüngerschar verstärkt und präzisiert zugleich. Jesus kommt im Namen Gottes. Er verkörpert den himmlischen Frieden, der mit seiner Menschwerdung auf die Erde gekommen ist. (vgl. Lk 2,14)
Jesus – ein König der Frieden bringt! Angesichts des aktuellen Kriegsgeschehens ist die Sehnsucht nach Frieden in den Köpfen und Herzen vieler Menschen groß. Ist der Weg der Aufrüstung zur gegenseitigen Abschreckung zielführend? Was kann man den Kriegstreibern sonst entgegensetzen? Welche Wege gibt es, um Kampfhandlungen zu stoppen und weiteres menschliches Leid zu verhindern?
Gerade in diesen Tagen spüren wir, dass Frieden mehr ist als nur die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Der Friede Jesu baut auf Vertrauen, Respekt und Versöhnung auf. Seine Liebe schließt sogar die Feinde mit ein. Ein so verstandener Friede ist kein taktisches Instrument, sondern er durchdringt den ganzen Menschen.
Fast scheint es naiv zu sein zu glauben, dass der Friede Jesu mehr Kraft entfalten könnte als alle Waffenarsenale der Welt. Ich weiß aber, dass es sich lohnt, daran zu arbeiten, darauf zu hoffen und dafür zu beten. Der Blick auf den wehrlosen und dennoch starken Friedenskönig Jesus möge alle, die nach Auswegen aus aktuellen Konflikten suchen, inspirieren und bestärken.
Fragen zum Weiterdenken:
• Jesus als König des Friedens – Ist dieses Jesusbild langweilig und weltfern oder revolutionär und prophetisch? Wie denken Sie darüber?
• Frieden braucht Geduld mit sich selber und mit anderen Menschen und einen langen Atem. Was können wir als ChristInnen konkret tun, um die Haltung des Friedens einzuüben? Welche Jesusworte fallen Ihnen dazu ein?
5. Fastensonntag (C), 03.04.2022, Joh 8,1-11, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Das Sonntagsevangelium gehört zu einer Reihe von Streitgesprächen zwischen Jesus und seiner jüdischen Gegnerschaft. Ort des Geschehens ist der Tempel von Jerusalem.
Aus der Perspektive der Ankläger ist die Sache klar. Die Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, soll entsprechend dem Gesetz (Dtn 22,22-24; Lev 20,10) mit dem Tod durch Steinigung bestraft werden. Eine Steinigung bewirkt einen langsamen und qualvollen Tod. In der uns beschriebenen Szene fehlen aber der, laut Gesetz ebenso zu verurteilende Ehebrecher sowie diejenigen, die den Ehebruch bezeugen könnten. Das lässt vermuten, dass es nur vordergründig um die Bestrafung des Vergehens geht, sonst würden die gesetzestreuen Pharisäer und Schriftgelehrten wohl gründlicher arbeiten.
Die Absicht der Pharisäer und Schriftgelehrten ist vielmehr, Jesus auf die Probe zu stellen. Das Dilemma ist folgendes: Stellt sich Jesus gegen das Gesetz, kann er kein Mann Gottes sein und er macht sich angreifbar. Stimmt er der Steinigung zu, wird seine Botschaft von Gottes bedingungsloser Liebe und Barmherzigkeit ins Gegenteil verkehrt. Das ganze Geschehen steht überdies im Kontext des römischen Rechts, das nur der Besatzungsmacht erlaubt, eine Todesstrafe zu verhängen. Eine perfekte Falle also für Jesus!
Jesus gibt ihnen zunächst keine Antwort, sondern schreibt mit dem Finger in den Sand. Eine Methode, um selber Zeit zum Nachdenken zu gewinnen oder die erhitzten Gemüter abkühlen zu lassen? Oder eine Anspielung, dass das in Stein gemeißelte Gesetz des Mose kein Tötungswerkzeug sein darf, sondern angesichts des liebenden Gottes buchstäblich in Sand „zerbröselt"? „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein..." – mit diesem Satz spricht Jesus die Anwesenden dann direkt an. Er macht ihnen die eigene Verstrickung in die Sündhaftigkeit der Welt bewusst. Betroffen und nachdenklich gehen sie weg. Im Gespräch mit der Frau wird deutlich: Jesus verurteilt sie nicht, er bagatellisiert aber auch nicht ihre Sünde. Er bespricht mit ihr nicht die Vergangenheit und legt ihr auch keine Buße auf. Er lenkt den Blick auf ihre Zukunft und schickt sie weg mit der Aufforderung, in Hinkunft die Sünde zu meiden. Jesus tritt nicht als ihr Richter, sondern als ihr Retter auf. Ihm geht es nicht um Verurteilung, sondern um Vergebung. Dadurch eröffnen sich neue Chancen für ihr Leben.
Fragen zum Weiterdenken:
• Steine auf andere werfen - Was kann das im übertragenen Sinn bedeuten? Wo würde in meinem Umfeld, in der Gesellschaft eine „Abrüstung der Worte und Gesten" guttun?
• „Auch ich verurteile dich nicht!" – Stellen Sie sich vor, dass Jesus das zu Ihnen sagt. Lassen Sie diesen Satz einfach auf sich wirken. Was würde sich in unserem Umfeld verändern, wenn wir uns diese Haltung Jesu zu eigen machen würden?
4. Fastensonntag (C), 27.03.2022, Lk 15,1-3.11-32, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Wieder Heimkommen dürfen! Vergebung als Tor zu einer schöneren Beziehung. Mit Gottes Umarmung kann alles neu werden. Oftmals erleben wir das Gegenteil: Schuldiggeworden, Beziehung gebrochen und für immer entfremdet. Schuldgeschichte tief in Familiengeschichte eingeschrieben. Der heutige Text ist das Herzstück in der Verkündigung Jesu: So ist Gott! Jesus führt uns ein in das innerste Wesen Gottes – seine Barmherzigkeit. Hören wir genau hin: Der Vater lässt den jüngeren Sohn ziehen. Er macht ihm kein Theater beim Abschied. Und dann folgt die Dynamik eines Weges, der von Gott wegführt. Alles scheint vorerst zu gelingen, Spaß und Anerkennung, solange die Kohle reicht. Doch das Blatt wendet sich, das Kartenhaus stürzt in sich zusammen. In der Not: Aufbruch nach Hause? Ein Entschuldigungs-Spruch muss eingelernt werden. Und er bricht tatsächlich auf. Das ist wichtig. Wir müssen diesen ersten kleinen Schritt der Umkehr wagen. Der Vater sah ihn von der Ferne kommen – welch eine Aufmerksamkeit! Gott wartet auf den nach Schweinetrog stinkenden Sohn und: Er läuft ihm entgegen und umarmt ihn. Unfassbar! So ist Gott: Geduldig wartend und überschwänglich mit seiner Vergebung. Der Davongelaufene, der alles durchgebracht hat, wird wieder als Sohn eingesetzt. Schöner geht´s nicht! Der zweite Sohn hat damit ein Problem. Er rechnet dem Vater seine Verdienste vor und versteht nicht, dass „der da" so empfangen wird. Der zweite Sohn ist unser Spiegel: Wir bilden uns meist zu viel auf unser Gut- und Korrekt-Sein ein. Wir wissen nicht, wie die Erzählung ausgeht. In jedem Fall ist Versöhnung angesagt – und „Abrüstung".
Fragen zum Weiterdenken:
• Ist mir Gott als barmherziger Vater vor Augen? Können wir Gott „neu lernen"?
• Was spricht dafür, das Sakrament der Versöhnung (Beichte) vor Ostern neu zu empfangen?
3. Fastensonntag (C), 20.03.2022, Lk 13,1-9, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Das heutige Evangelium mutet uns einiges zu. Es berichtet von zwei Katastrophen – von einer brutalen Exekution von aufständischen Galiläern und vom Einsturz eines Wasserturms. In beiden bekannten Fällen gab es einige Opfer. Der historische Hintergrund ist für den Evangelisten Lukas die totale Zerstörung von Jerusalem im Jahr 70. Die frommen Gläubigen fragen recht aufgeregt, wer den schuld gewesen sei, sodass die besagten Opfer so gestraft worden sind. Jesus weist diese bis heute übliche Deutung zurück: Gott hat anderes zu tun, als zu strafen! Und dennoch: Jesus nützt die Aufregung, um zu erklären, dass sich niemand in Sicherheit wiegen soll. Wie wir wissen, kann jederzeit ein größeres Unheil hereinbrechen. Also: Jetzt ist Umkehr notwendig! Nicht aufschieben! Wir alle fühlen uns ohnmächtig angesichts des verheerenden Krieges mitten in Europa. Wir dürfen uns dennoch nicht in die Verzweiflung treiben lassen: Gebet und humanitäre Hilfe sind jetzt Not-wendend. Beides! Und ebenso wichtig: Die Bereitschaft, das eigene Leben zu überdenken und um Vergebung zu bitten, wo dies notwendig ist. Genau jetzt – Krise und Bedrängnis sind die dringliche Aufforderung, mit der Friedensarbeit im eigenen Umfeld zu beginnen. Wie sonst könnten wir Umkehr und Versöhnung von den Machthabern fordern? Übrigens ist uns die Drohung Jesu angesichts der aktuellen Umweltkrise ohnehin vertraut: „Ihr werdet alle umkommen, wenn Ihr so weitermacht!" Jetzt ist die Zeit der Gnade – trotz allem! Zu oft fühlen wir uns als „die Guten", die ja sicher keine Umkehr nötig haben. Darauf bezieht sich der zweite Teil des Evangeliums: Wie steht es mit den „Früchten"? Bin ich nach einem weiteren Lebensjahr etwas geduldiger, barmherziger, fröhlicher, belastbarer, gerechter, aufmerksamer oder mutiger geworden? Das wären die Früchte.
Fragen zum Weiterdenken:
• Was hilft mir auf meinem Weg der Umkehr – ein Gedanke, eine Erfahrung?
• Welches konkrete Unglück will ich „mittragen" – um es nicht nur zu kommentieren?
2. Fastensonntag (C), 13.03.2022, Lk 9,28b-36, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Die Verklärung Jesu am Berg Tabor ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Highlight. Petrus, Jakobus und Johannes erleben einen offenen Himmel. Was sich vor ihren Augen abspielt, übersteigt ihr Fassungsvermögen. Zwischen Mose und Elija befindet sich Jesus. Durch die außergewöhnliche Belichtung erkennen sie, wer er eigentlich ist: Jesus ist der neue Mose, denn das vertraute Gesetz wird durch ihn lebendig, nahe, verständlich und lebbar. „Hört auf ihn!" Diese Aufforderung ist an uns gerichtet. Auf Jesus hören! Jeden Tag von Neuem. Auf der anderen Seite der Prophet Elija. Er steht für das Ende. Dass unsere Welt- und Menschheitsgeschichte einmal gut ausgehen wird, ist keine „gemachte Sache". Wir haben das Zeug, alles zu zerstören. Denken wir nur an die aktuellen Drohungen mit Nuklearwaffen. Der Blick auf Jesus kann uns helfen, im Wirbel unserer Zeit eine Mitte zu finden – und ein neues Vertrauen. Jesus ist die strahlende Mitte. Wir dürfen leben in seinem Licht! Nach der lichtvollen Begegnung am Berg folgt der Abstieg in die Ebene des Alltäglichen. Diese Wegstrecke ist spirituell ebenso bedeutsam wie der Aufstieg. Wir müssen hinuntersteigen! Das ist der eigentliche Weg Jesu – nicht das Festhalten-Wollen an den Highlights. Auf dem Weg hinunter spricht Jesus von seinem bevorstehenden Leiden und von der Auferstehung. Durch die Todes-Dunkelheit führt der Weg zum Licht. Nur so. Mit Jesus unterwegs sein – ob hinauf oder hinunter – verbindet uns mit den vielen, die oftmals belastende Talsenken durchqueren müssen, auch Täler der Tränen wie jetzt in der Ukraine. In allen Wegstrecken geht es darum, dass wir uns mit Jesus tiefer verbinden – und unseren Glauben nicht mit schönen und wohltuenden Gefühlen verwechseln.
Fragen zum Weiterdenken:
• Welches Bild von Jesus hast Du vor Augen?
• Mit welchen Menschen fühlst Du Dich beim „Weg hinunter" am meisten verbunden?
1. Fastensonntag (C), 06.03.2022, Lk 4,1-13, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Wir beginnen die heiligen 40 Tage der Vorbereitung auf Ostern. Es ist eine Zeit, um hellhöriger zu werden, aufmerksamer und hungriger nach dem Wort Gottes – denn „der Mensch lebt nicht vom Brot allein", wie Jesus klarstellt. Aber wie kann das funktionieren, wenn wir innerlich „vollgestopft" sind? Nicht zufällig wird in den 40 Tagen das Fasten empfohlen. Eine Reduktion im Essen und Trinken, im Kaufen- und Erleben-Müssen, ein Weniger an Fernseh-Ritual oder Social-Media-Zerstreuung – all das täte uns ja gut. Übrigens gehört auch das Scheitern an den eigenen Vorsätzen dazu. Wir würden uns sonst zu viel einbilden. Sei´s drum. Durch das Weniger kann sich jedenfalls unser Geist erholen und das Herz weit werden. Ein Freiraum tut sich auf, in dem Gottes Heiliger Geist mehr Platz bekommt. Als Geist-Erfüllter wird Jesus – wieder vom Heiligen Geist (!) – in der Wüste umher geführt. Kann das sein? Wüste steht für Krise, Entbehrung, Ausgeliefert-sein, Gefährdungen aller Art und – auch für Reinigung und Erneuerung. Ja, Gott führt uns in Zeiten, die ungemütlich sind, und mutet uns so manche Ent-Täuschung zu. Wie sonst könnten wir im Vertrauen wachsen, im Glauben? Der Teufel versucht Jesus mit frommen Sprüchen und Halbwahrheiten. Er berührt präzise drei „wunde Punkte", die uns allen nicht fremd sind: (1) Keine Grenzen und Entbehrungen ertragen müssen, wenn man sogar Steine in Brot verwandeln kann. (2) Macht und Ansehen besitzen, um endlich geliebt und „angehimmelt" zu werden. (3) Keine Verantwortung übernehmen müssen, weil man ohnehin immer „auf Händen getragen wird". Jesus antwortet dreimal – immer überraschend einfach und demütig. Lernen wir von ihm? Oder wissen wir selbst alles besser?
Fragen zum Weiterdenken:
• Welche der drei Antworten Jesu gibt Dir am meisten?
• Durch welche persönliche „Wüste" führt Dich Gott in diesen Tagen?
8. Sonntag im Jahreskreis (C), 27.02.2022, Lk 6,39-45, Hinführung
Petra Unterberger, Albert Pichler – siehe auch unter www.sonntagsevangelium.at
Ähnlich wie es in der 1. Lesung (Jesus Sirach 27, 4 – 7 alltagstaugliche Hinweise für das Leben gibt, so zeigt Jesus sich im Evangelium als Lehrer der Weisheit: Diese Fähigkeit können wir von Jesus, unserem Meister, lernen und ihm so nachfolgen: Kleine alltägliche Begegnungen werden dann ein Anlass, andere zum Nachdenken zu bringen.
In den Straßen von Jerusalem sind immer wieder Blinde unterwegs, die sich mit ihrem Stock an Hausmauern entlangtasten. Manchmal zieht sich jemand eine Holzschiefer ein. Ein kleiner Splitter, der zu einer großen Entzündung wird. Ein Balken ist nicht zu übersehen, kann uns dennoch auf den Kopf fallen. Niemand käme auf die Idee in den Disteln Feigen zu suchen oder Trauben am Dornstrauch.
Weisheit verbirgt sich in vielen kleinen Dingen; sie kann auch Mystik des Alltags genannt werden. Aus den Kleinigkeiten des Alltags ergeben sich für Jesus Anleitungen für ein gutes Miteinander in der JüngerInnen - Gemeinschaft und für uns in Weggemeinschaften und Arbeitskreisen:
„Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders/deiner Schwester, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?" (Vers 41)
„Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor." (Vers 45)
Unsere Versuchung ist immer wieder, im Tratsch über andere herzufallen. Gleichzeitig brauchen wir eine große Aufmerksamkeit für uns selbst, denn das was wir an anderen kritisieren und ablehnen hat meistens mit uns selbst zu tun.
Fragen zum Weiterdenken:
• Kenne ich bei mir selber die Versuchung zum Tratsch über andere?
• Wie könnten wir uns gegenseitig unterstützen, die Gefahr des Redens über andere zu meiden?
• Wie kann ich aufmerksam bleiben und meine „Balken und Splitter" wahrnehmen?
7. Sonntag im Jahreskreis (C), 20.02.2022, Lk 6,27-38, Hinführung
Petra Unterberger, Albert Pichler – siehe auch unter www.sonntagsevangelium.at
Die ZuhörerInnen, zu denen Jesus in der Ebene spricht, sind Leute unterschiedlicher Herkunft: Sowohl Frauen und Männer aus Jerusalem und Judäa als auch aus dem heidnischen Umland. Es ist gut, uns in die Gruppe der Zuhörenden zu stellen. „Hören" ist schließlich der Anfang eines Vertrauensweges. So beginnt das tägliche jüdische Glaubensbekenntnis mit „Schma Jisrael", „Höre Mensch!" Israel hört mit dem Herzen auf die Weisungen von Mose. Wir sind eingeladen, die Weisungen Jesu in unser Herz zu nehmen.
Es könnte eine Hilfe sein, vor dem Austausch über das Evangelium gemeinsam zu schweigen. Meister Eckhart pflegte so zu meditieren: „Ich sitze und schweige und höre, was Gott in mir redet."
Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!
Die Leute der Gemeinde des Lukas waren der Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt. Die Weisungen des Evangeliums sind auf den ersten Blick eine unerhörte Zumutung, sind wir doch bei Anfeindungen reflexartig versucht, in den Modus der Verteidigung oder des Gegenangriffs zu wechseln. Ein Weg, der meistens die Spirale der Gewalt weitertreibt.
Auf dem Weg der Liebe, des Segnens und der Fürbitte treten wir einen Schritt zurück.
Es beginnt eine Entgiftung.
Manchmal gibt es auch „feindliche Kräfte in uns selber". Sie hindern uns daran, uns selber anzunehmen und in Frieden mit unserer Lebensgeschichte zu kommen. Auch diese Kräfte brauchen liebende Zuwendung.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden!
Im „Vater unser" beten wir „vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren SchuldigerInnen vergeben". In diesem Grundgebet erinnern wir uns, dass Gott durch unser Leben für andere erfahrbar werden kann.
Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.
Im großzügigen Geben liegt Segen. Großzügigkeit verwandelt uns selber.
Fragen zum Weiterdenken:
• Kann ich gute Erfahrungen des Aussteigens aus der Spirale von Gewalt und Rache erzählen?
• Kann ich vom Segen der Großzügigkeit erzählen? Von mir selber oder von anderen?
6. Sonntag im Jahreskreis (C), 13.02.2022, Lk 6,17-18a.20-26, Hinführung
Petra Unterberger, Albert Pichler – siehe auch unter www.sonntagsevangelium.at
Beim Lesen und im Teilen des Evangeliums lassen sich immer neue Schätze entdecken. In der jüdischen Praxis der Schriftlesung und -auslegung gibt es den Hinweis „Drehe sie und drehe sie wieder, denn alles ist in ihr." Eine Weggemeinschaft bietet die Chance, einen Abschnitt des Evangeliums zu drehen und nochmals zu drehen.
Im Abschnitt zuvor begegnen wir Jesus während der Nacht im Gebet. Innerlich aufgeladen wählt er bei Anbruch des Tages aus der JüngerInnengruppe zwölf aus, die er Apostel nannte. Lukas zeigt uns Jesus, der vor einer Entscheidung in die Einsamkeit geht.
Jesus stieg den Berg hinab... Die Evangelien verweisen immer wieder auf Ähnlichkeiten von Jesus und Mose. Damit wird seine prophetische Autorität unterstrichen. Auch Mose steigt vom Berg der Gottesbegegnung zum Volk hinab und legt den Leuten den Inhalt des Bundes vor. „Hin-ab-steigen" weist auch auf die innere Dynamik des Christusereignisses hin. Im ältesten Gottesdienstlied singt die Gemeinde von Philippi „Christus Jesus – Gott gleich - entäußerte sich und wurde den Menschen gleich!" In Jesus erfahren Menschen den herab-gekommenen Gott.
In der Ebene ... seine JüngerInnen, viele aus ganz Judäa, aus Jerusalem und dem (heidnischen) Küstengebiet von Tyrus und Sidon: Wie bereits in der Auslegung der Schrift beim Sabbatgottesdienst in Nazareth gehört die „Gute Nachricht vom Reich Gottes" auch den Nichtjuden. Jesus überschreitet immer wieder die Grenzen. Er geht an die Ränder.
Jesus richtete seine Augen auf seine JüngerInnen... Vielleicht denkt Lukas bei diesem Hinweis an die kleine und verfolgte Jesus-Nachfolg-Gemeinschaft. Sie braucht Ermutigung und Stärkung.
„Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen." So spricht Mose zum Volk. Die Seligpreisungen und Weherufe von Jesus entsprechen dem von Mose verkündeten Bund: Es geht um die Wahl zwischen Segen und Fluch.
Seligkeit und Segen... Fluch und Wehe... liegen mitunter nahe vor uns:
Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes: Reichtum meint „haben wollen", „fest-halten". Besitz und Armut sind immer zweideutig. Deshalb betet der weise Mensch „Gott gib mir weder Armut noch Reichtum. Denn in der Armut könnte ich verzweifeln und Reichtum überheblich werden." Das Reich Gottes ist nicht zu haben. Es ereignet sich für die mit leeren Händen und offenen Herzen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie geht es mir mit „haben wollen" und Besitz?
• Wo erlebe ich für mich Seligkeit und Reich Gottes?
5. Sonntag im Jahreskreis (C), 06.02.2022, Lk 5,1-11, Hinführung
Petra Unterberger, Albert Pichler – siehe auch unter www.sonntagsevangelium.at
Anlässlich des Gedenkens an die Befreiung des KZ Auschwitz zeigte 3sat die Doku „Die Aufseherin". Johanna L. wurde von überlebenden Frauen durchaus auch menschliches Verhalten nachgesagt. Dennoch war sie Teil des brutalen Nazi-Systems. Durch Flucht und Untertauchen entzog sie sich einer gerichtlichen Verurteilung. Doch ihr Leben war geprägt von Einsamkeit. Nach ihrem Tod 1974 fand man in ihrer Wohnung viele nicht ausgepackte Kisten. Nicht ausgepackt hatte sie auch ihre Schuld. Sie fand nicht den Mut, darüber zu sprechen und sich öffentlich als schuldig zu bekennen.
Simon Petrus, der Fischer vom See Gennesaret, erlebte mit Jesus einen übermäßigen Fischfang. Als ihm die Augen aufgingen, war er beschämt über sein anfängliches Misstrauen, dem Rat von Jesus zu folgen, die Netze noch einmal auszuwerfen. Da fiel er Jesus zu Füßen und bekannte „Geh weg! Ich bin ein sündiger Mensch!" Simon bekam die Ermutigung „Fürchte dich nicht!"
Johanna L. blieb mit ihrer Schuld im Inneren eingesperrt.
Simon Petrus bekannte sich sündig und wurde aufgerichtet.
Mögen wir wie Simon Petrus den Mut finden, zu unserer Scham zu stehen und darüber zu sprechen. Mögen wir füreinander Raum schaffen, wo andere sich „aus-sprechen" können.
Den Tag zuvor hatte Jesus an einem einsamen Ort verbracht. Innerlich „auf-geladen" trifft er Leute, die hungrig sind nach Gottes Wort. Kenne ich Leute, bei denen ich Hunger nach Gottes Wort spüre? Wo und wie werde ich „auf-geladen", das Evangelium zu leben?
„Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus." Kundige Israelreisebegleiter:innen machen für Pilger bei einer Bucht am See Gennesaret Halt und zeigen dort praktisch, wie Jesus die natürliche Gegebenheit nutzte, dass viele ihn hören konnten. Lukas ist es wichtig, Jesus als neuen Mose vorzustellen: Das Boot wird so zum „Stuhl des Mose". Welche „Gegebenheiten" sind aktuell hilfreich für die Verkündigung des Evangeliums? Welches „Boot" nutze ich, damit ich gehört und verstanden werde, wenn ich meine Erfahrungen mit dem Evangelium mit-teile?
Zu Simon sagte Jesus: „Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!" Die letzte Nacht war erfolglos für die Fischer! Und jetzt das! Noch einmal hinaus. Dorthin, wo es tief ist. Umgelegt auf seelsorgliches Handeln kann das bedeuten: Die Tiefen des Alltags und im öffentlichen Raum aufsuchen und uns überraschen lassen von den ungeahnten Schätzen weltlicher Ereignisse. Denn in allem kann das Göttliche/das ganz Andere durchscheinen. Bilder der Kunst, Musik, Lyrik und Erzählungen können Orte der Tiefe sein. Denn sie kommen aus dem Raum des Unendlichen und nehmen im menschlichen Wirken Gestalt an. Welche „Orte der Tiefe" kenne ich?
„Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen." Gesellschaftliche und kirchliche Ereignisse tragen aktuell ein großes „Entmutigungspotential" in sich. Da ist es hilfreich, unsere Christusverbundenheit zu leben. Er wirkt in uns und mit uns. Dabei der Zusage trauen, die dem Apostel Paulus zugefallen ist: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir." Christusverbundenheit leben meint „in der Spur des Evangeliums leben und handeln". Das Evangelium ist eine unerschöpfliche Quelle für das Leben. Es lohnt sich, die biblischen Zeugnisse zu lesen und das Erkannte mit anderen zu teilen. Wie lebe ich meine Christusverbundenheit? Mit wem kann ich die Erfahrungen mit dem Evangelium teilen?
4. Sonntag im Jahreskreis (C), 30.01.2022, Lk 4,21-30, Hinführung
Martin Lesky
Das heutige Evangelium beginnt mit dem Vers, mit dem das Evangelium vom letzten Sonntag geendet hat. „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt." Die Verheißung des Gnadenjahres hat sich jetzt, heute mit Jesus erfüllt.
Jesus beginnt seine Darlegung mit dem Wort „heute". Dieses „Heute" zeichnet diesen Tag aus, macht ihn zu etwas Außergewöhnlichem – so wie der Engel, der in Lk 2,11 die Geburt Jesu verkündet: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren." Dieses vorangestellte heute kommt im NT nur bei Lukas vor (Lk, 5,26; Lk 19,9).
Zuerst staunen die Leute über Jesus, dann hinterfragen sie ihn mit dem Satz: „Ist das nicht Josefs Sohn?" Jesus reagiert auf diesen Satz mit der Deutung: „Sicher werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten ... Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, ... dann tu sie auch hier in deiner Heimat." Einerseits merkt Jesus, dass die Begeisterung der Leute nicht in die Tiefe geht, andererseits stellt er die Forderung nach Wunder in Frage.
Jesus antwortet mit zwei Beispielen: Elija und Elischa: Elija wurde in den Tagen einer großen Hungersnot in Israel nicht zu den einheimischen Witwen gesandt wurde, sondern zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon (1 Kön 17,8-16). Ihr verkündigt Elija im Auftrag Gottes, dass ihr Mehltopf nicht leer werden wird und der Ölkrug nicht versiegen werde bis die Zeit der Dürre vorbei ist. Auch ihren Sohn heilt er anschließend vom Tode (1 Kön 17,17-24).
Das zweite Beispiel entstammt ebenso aus den Königsbüchern: 2 Kön 5,1-18. Naaman galt als Kriegsheld, denn er hatte als Feldherr des Königs von Aram den Aramäern zum Sieg verholfen. Jedoch war er mit dem Makel des Aussatzes behaftet. Ein junges Mädchen, das bei einem Feldzug aus Israel verschleppt wurde, stand im Dienst seiner Frau. Sie weist diese auf die Propheten in Samaria und deren Heilungskräfte hin. Elischa lässt nach Naaman schicken, als dieser zunächst zum König Israels geht. Programmatisch lässt er wissen: „Naaman soll zu mir kommen; dann wird er erfahren, dass es in Israel einen Propheten gibt." (2 Kön 5,8). Durch siebenmaliges Waschen im Jordan wird er, nach anfänglichem Zögern, weil er eine andere Vorstellung von einem prophetisch bewirkten Wunder hat, geheilt.
Mit diesen beiden Beispielen gibt Jesus den Zuhörer quasi zu verstehen, dass sie Gott eigentlich nicht vertrauen, wenn sie ihren Glauben von einem Wunder abhängig machen. Sie provozieren die Hörer der Worte Jesu „... gerieten sie alle in Wut" (Vers 28).
Zum Schluss zeigt sich die Autorität Jesu zum ersten und letzten Mal eindrucksvoll in seinem Heimatdorf. Er schreitet einfach schnurstracks auf fast geheimnisvolle Weise durch die Menge hindurch, die ihn umringt. Niemand wagt es, ihn anzufassen. Jesus verlässt Nazareth, und er verlässt es für immer. Dieser Ort hat seine Chance verspielt. Von nun an wird Kafarnaum für Jesus zur zweiten Heimat.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie gehe ich mit Widerstand um? Wenn der Glaube an Gott hinterfragt wird, stehe ich trotzdem dazu?
• Wie zeigt sich mein Vertrauen in Gott?
3. Sonntag im Jahreskreis (C), 23.01.2022, Lk 1,1-4; 4,14-21, Hinführung
Martin Lesky
Der Evangelist Lukas schickt als einziger Schreiber seinem Evangelium eine Art Vorwort voraus. Darin stellt er klar, dass er nicht der Einzige ist, der ein Evangelium geschrieben hat: „Schon viele haben es unternommen ..." Doch der Heidenchrist Lukas, vermutlich ein Arzt und ein persönlicher Freund des Apostels Paulus, will es ganz genau wissen. Er schreibt mit wissenschaftlicher Sorgfalt, ganz akribisch, wie es im Urtext heißt, für den hochverehrten Theophilus. Über Theophilus wissen wir leider wenig. Vermutlich war er ein hoher römischer Beamter in Antiochia, der ein angehender Christ war.
Im heutigen Evangelium schildert Lukas, wie es Jesus in seinem Heimatort Nazareth ergeht, als er dort „wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge" geht. Für gläubige Juden ist der Sabbat ausdrücklich ein von Gott gebotener heiliger Tag. Fester Bestandteil der Sabbat-Tradition ist der Besuch der örtlichen Synagoge. Der über zweistündige Hauptgottesdienst am Sabbatmorgen umfasst zahlreiche Gebete und Lesungen nach einer festen Ordnung. Dazu gehört auch, dass jeder männliche Jude über 13 Jahren zu den Vorlesern der vorgesehenen Heiligen Schriften gehören darf. Auch eine kurze Auslegung, eine Deutung des vorgetragenen Schriftwortes, ist jedem Vortragenden erlaubt, sofern er das möchte.
In Vers 17 wird Jesus vom Synagogendiener die Schriftrolle des Propheten Jesaja gereicht und Jesus liest die Stelle Jes 61,1-2 vor. Hier lesen wir in verdichteter Form, um was es Jesus geht: Befreiung von aller Unterdrückung, Überwindung aller Ungerechtigkeit, Begegnung auf Augenhöhe.
In Vers 20 heißt es dann: „Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich." Jesus setzt sich also. In diesem Falle bedeutet das konkret: Er nimmt die typische Position eines Lehrers ein. Er will und wird gleich etwas zur soeben gehörten Schriftlesung sagen. Stellen wir uns vor, was in diesem Augenblick in der Synagoge von Nazareth los ist. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so still ist es. Lukas steigert die Spannung noch, indem er diese Situation erzählerisch einfängt und formuliert: „Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet". Und dann kommt die kürzeste Predigt aus 11 Wörtern. „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt."
Fragen zum Weiterdenken:
• Welche Stelle aus der Bibel würde ich gerne zitieren, um auszudrücken, um was es mir geht? Wie kann Gott heute noch durch mich sprechen?
• Wo kann ich auch heute noch, trotz Corona und rasanten Entwicklungen die Gnade Gottes erkennen?
2. Sonntag im Jahreskreis (C), 16.01.2022, Joh 2,1-11, Hinführung
Martin Lesky
Im ersten Kapitel des Johannesevangeliums lesen wir den Prolog, das Zeugnis des Täufers und die Berufung der ersten Jünger. Die heutige Stelle steht am Beginn des zweiten Kapitels und erzählt von der Hochzeit in Kana. Es ist das erste öffentliche Zeichen von Jesus, die erste von sieben Wundererzählungen im Johannesevangelium.
Am Beginn der Stelle heißt es in Vers 1: „am dritten Tag". Unmittelbar vor dieser Stelle bei der Berufung der ersten Jünger ist von zwei Tagen die Rede, also unmittelbar darauf findet die Hochzeit statt. Der Ort Kana war wahrscheinlich ca. 13 Kilometer nördlich von Nazareth. Zu dieser Hochzeit war die Mutter Jesu eingeladen, die in dieser Stelle nicht mit Namen genannt wird. Vermutlich hatte sie zu dieser Familie eine engere Verbindung. Dass auch Jesus und seine Jünger eingeladen waren (Vers 2), könnte einerseits darauf schließen, dass Jesus einfach als Sohn seiner Mutter, als ältester Sohn oder weil vielleicht der Vater nicht mehr lebte, eingeladen war. Andererseits können wir aus der Einladung der Jünger darauf schließen, dass Jesus bereits als Rabbi auftritt und Schüler um sich hat.
„Als der Wein ausging" - es war eine Schande für den Bräutigam, wenn der Wein ausging – sagt die Mutter Jesu zu ihm „Sie haben keinen Wein mehr." Mit welchem Ohr hat Jesus wohl diese Aussage seiner Mutter gehört? (Schulz von Thun, Kommunikationsmodell) Seine Antwort könnte auf das Apell-Ohr schließen. Vielleicht will Jesus auch einfach seine Unabhängigkeit betonen. Aber Jesus lässt diese Schande für den Bräutigam nicht zu. Er macht etwas ganz Alltägliches. Er befiehlt den Dienern Wasser in die steinernen Wasserkrüge zu füllen. Steinerne Krüge waren für die rituelle Reinigung vor dem Essen und sind aus Stein, weil sie dadurch laut Judentum keine kultische Unreinheit annehmen konnten. Es gibt zwar die Aufforderung Jesu, die Krüge mit Wasser zu füllen und zu schöpfen, aber es gibt kein wunderwirkendes Wort Jesu und es ist auch nicht von einer Reaktion der Leute die Rede. Aber verschiedene Worte in dieser Stelle drücken aus, dass mit Jesus etwas Neues beginnt: „noch nicht", „bis jetzt", dass mit Jesus die messianische Zeit (vgl. Joh 1,41) angebrochen ist. In ihr wird lebensnotwendiges Wasser zu kostbarem Wein, Mangel zur Fülle des Lebens. Unser Blick soll aber nicht am Wein hängenbleiben, sondern durch dieses Wunder wird „seine Herrlichkeit offenbart" (Vers 11). Am Ende dieser Stelle zieht dann Jesus mit seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Jüngern nach Kafarnaum, sie bleiben also als Weggemeinschaft für längere Zeit zusammen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wann hat in meinem Leben etwas Neues begonnen? Wie hat es mich zum Guten geführt?
• Welche Vision von Zusammenleben habe ich?
Taufe des Herrn (C), 09.01.2022, Lk 3,15-16.21-22, Hinführung
Martin Lesky
Warten und Erwartung ist Thema in den ersten Kapiteln des Lukasevangeliums. In Lk 1,21 wartet das Volk auf Zacharias, weil er so lange im Tempel blieb. In Lk 2,25 wartet Simeon auf den Trost Gottes. In Lk 2,38 spricht die Prophetin Hanna zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Und hier in Lk 3,15 ist die Rede, dass das Volk voll Erwartung war. Diese Erwartung erinnert uns vielleicht zuerst einmal an den 3. Adventsonntag. Dort ist die freudige Erwartung des Herrn das Thema dieses Sonntags. Johannes weist auf den, der stärker ist als er, der die Menschen mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen wird. Das Feuer und der Heilige Geist erinnern uns an Pfingsten. Wasser und Feuer haben reinigende Wirkung. In der Natur braucht es oft beides, damit neues Leben entstehen kann. Feuer beinhaltet auch ein kämpferisches Element. Jesus wird mit Kraft erfüllt.
Was ist heute, vier Wochen später anders oder neu, was kommt noch dazu? Dazu kommt die Taufe Jesu. Hier im Lukasevangelium lässt sich, zum Unterschied zu den anderen Evangelien, Jesus mit dem ganzen Volk taufen, es ist sozusagen eine öffentliche Taufe. Das ganze Volk kann die Bestätigung Gottes sehen, als der Heilige Geist sichtbar in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkommt. Interessant ist, dass Jesus vor der Taufe betet. Im Lukasevangelium betet Jesus immer wieder vor wichtigen Entscheidungen (zwischen zwei Heilungswundern Lk 5,16; vor der Wahl der Zwölf Lk 6,12, vor der Verklärung Lk 9,28)
Und schließlich die Himmelsworte: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden." Jesus wird hier auf besondere Weise vom Heiligen Geist erfüllt. Diese Zusage Gottes, „Du bist geliebt!" ist eine wunderbare Zusage. Wir sind geliebt, ohne Vorleistung. Alles, was wir tun, ist eine Antwort auf unser geliebt sein.
Fragen zum Weiterdenken:
• Welche Erwartung, welche Sehnsucht habe ich im neuen Jahr? Gerechtigkeit herstellen? Die Schere zwischen arm und reich verkleinern? Schöpfungsverantwortung wahrnehmen? ...
• Wann kann ich Menschen diese Liebe Gottes „Du bist geliebt!" zusagen?
2. Sonntag nach Weihnachten (C), 02.01.2022, Joh 1,1-18, Hinführung
Martin Lesky
Über dem heutigen Sonntagsevangelium steht in der Einheitsübersetzung die Überschrift Prolog – Vorwort. Es ist der Beginn des Johannesevangeliums und gleichzeitig der Schlüssel zum Johannesevangelium. Schon die ersten beiden Worte „Im Anfang" erinnern uns an Gen 1,1: „Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde." Johannes sagt uns hiermit, dass mit Jesus etwas Wichtiges, etwas Neues beginnt. Der Prolog hilft uns verstehen, dass Jesus nicht nur durch seine Worte und Taten, sondern auch durch seine Person und sein Sein, das im Anfang schon von Gott vorgesehen war und Gott war, wesentlich und wichtig für uns ist.
Dann gibt es keine Kindheitsgeschichte Jesu, keine Geburtsszene wie bei Lukas oder Matthäus. Das war den Menschen zu dieser Zeit schon bekannt. Johannes schrieb sein Evangelium um ca. 100 nach Christus. Johannes möchte den Blick seiner Leserinnen und Leser gleich von Beginn an auf das Wesentliche lenken, auf Jesus, das fleischgewordene Wort Gottes an uns Menschen, der uns Licht in der Finsternis ist. Sehr schön hat das Karl Rahner ausgedrückt: „Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hineingesagt, ein Wort, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil es Gottes endgültige Tat, weil es Gott selbst in der Welt ist. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch."
Der Prolog wird von zwei Einschüben unterbrochen. In Vers 6 – 8 ist das erste Mal von Johannes dem Täufer die Rede, dann wieder in Vers 15 – 18. Das war in der Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums wichtig, denn die Johannes- oder Täuferbewegung, die in dieser Zeit noch sehr stark war, sollte in die Jesusbewegung integriert werden.
Auffällig ist, dass die Verse 1 – 13 in der 3. Person geschrieben sind – es handelt sich also um eine Verkündigung. Ab Vers 14 geht es in der 1. Person plural weiter „hat unter unser gewohnt" - es geht ab hier um ein „wir", um eine Gemeinschaft derer, die sich zu Jesus bekennen.
Der Prolog schließt mit einem schönen Bild ab: Jesus ruht am Herzen des Vaters. Jesus gehört in das Innerste des göttlichen Vaters und bringt uns von dort Kunde.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wer ist Jesus für mich?
• Was verändert Jesus für mein Leben?
• Wie kommen wir zu einem „Wir-Gefühl" der an Jesus Glaubenden?
Fest der Hl. Familie (C), 26.12.2021, Lk 2,41-52, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter
Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem.
Gleich nach dem Weihnachtsfest führt uns das Evangelium dieses Sonntags zum Paschafest. Die Geburt Jesu weist in der Tat bereits auf das Osterfest hin, auf Jesu Leiden und Auferstehung; denn das eigentliche Ziel des Kommens Christi in diese Welt ist die Erlösung des Menschen.
Jesus ist zwölf Jahre alt – und damit vor dem jüdischen Gesetz volljährig. Er bleibt im Tempel, und seine Eltern finden ihn „sitzend" unter den Gelehrten. Dieses „Sitzen" ist in der biblischen Tradition die Position dessen, der mit Autorität lehrt (so sagen wir zB auch, dass jemand einen „Lehrstuhl innehat"). Wie aber lehrt Jesus? Durch das „Hören", durch das „Stellen von Fragen" nicht weniger als durch seine „Antworten".
„Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?"
Im Lukasevangelium ist das erste wie das letzte Wort Jesu das Wort vom Vater (hier wie am Kreuz, vgl. Lk 23,46). „Abba, Vater, Papa": dieses Wort wird zum Rahmen des ganzen Lukas-Evangeliums. Jesus führt uns den Weg in die Freiheit der Kinder Gottes, die Gott vertrauensvoll „Vater" nennen dürfen.
Doch sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen gesagt hatte.
Für Maria und Josef, die Jesus voller Sorge suchen, ist sein Wort vorerst nicht verständlich. Maria aber bewahrte all die Worte in ihrem Herzen, so wie einen Samen, der wachsen wird. Maria hat Jesus vorerst neun Monate in ihrem Leib getragen; jetzt aber bewahrt sie - in einer Art „geistiger Schwangerschaft" - sein Wort in ihrem Herzen. Sie wird damit zur geistigen Mutter Jesu und zum Vorbild aller Gläubigen. Jesus wird das später hervorheben: „Meine Mutter und meine Brüder und Schwestern sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln" (Lk 8,21).
Fragen zum Weiterdenken:
• Habe ich schon einmal die Erfahrung gemacht, dass ich Gottes Wort zuerst nicht verstehen konnte, dass es aber später für mich verständlich wurde?
• Kann ich Gott vertrauensvoll „Vater" nennen?
- Wenn nein, was hindert mich daran?
- Wenn ja, wie könnte ich dazu beitragen, dass auch andere Menschen in eine vertrauensvolle Beziehung zum Vater gelangen?
4. Adventsonntag (C), 19.12.2021, Lk 1,39-45, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter
Die Szene des heutigen Evangeliums zeigt das freudige Zusammentreffen von Maria mit ihrer Cousine Elisabeth. Beim genaueren Hören merken wir allerdings, dass hier nicht nur zwei, sondern insgesamt fünf Personen aufeinandertreffen.
Maria, die sich gleich nach der Verkündigung des Engels auf den Weg zu Elisabeth macht, ist gerade erst im ersten Monat schwanger; ihre Schwangerschaft ist nach außen hin noch nicht erkennbar. Und doch löst die Gegenwart Jesu im Mutterleib bei Johannes, dem Täufer, ein freudiges „Hüpfen" aus: er tanzt im Bauch seiner Mutter, so wie David vor der Bundeslade tanzte. Er erkennt den Besuch des Messias und antwortet darauf mit seinem Freudentanz.
Auch uns sucht Gott ständig auf. In seiner Liebe sucht er immer neue Wege, um zu uns zu gelangen. Er besucht uns in unserem Innersten, dort wo niemand außer ihm Zugang hat. In der Tiefe des Herzens sind wir in der Tat das, was wir wirklich sind, dort ist der Ursprung unseres Lebens und Sehnens, dort ist der Zugang zu Gott.
Es reicht aber nicht, dass Gott uns besucht, sein Besuch muss auch erkannt werden. Wie oft sind wir aber zerstreut, laufen allem Möglichen nach und sind nicht wirklich „zu Hause", da wo Gott kommen möchte, ganz einfach weil wir ihn vergessen! Deshalb sehen schon manche Kirchenväter im „Vergessen" den Ursprung aller Sünde.
Wenn ich hingegen innehalte, in mich gehe, mich an Gottes Gegenwart erinnere und mein Ohr für sein Wort öffne, werde ich wachsam für sein Kommen. So kann ich ihn erkennen und auf sein Kommen antworten.
Elisabeth ist ihrerseits im sechsten Monat schwanger. Diese - nach menschlichem Ermessen unmögliche - Schwangerschaft im vorgerückten Alter ist das Zeichen, das Maria bei der Verkündigung erhalten hat: Zeichen dafür, dass „für Gott nichts unmöglich ist".
Und „erfüllt vom Heiligen Geist" ruft Elisabeth voll Freude aus „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes!"
Hier ist also auch der Heilige Geist unsichtbar gegenwärtig. Er ist es, der Elisabeth jene Worte eingibt, die seither täglich von Millionen Menschen wiederholt werden. Worte, die für viele zum täglichen Gebet geworden sind, Worte die Menschen in schönen wie in schweren Momenten in die Gegenwart der Muttergottes und Ihres Kindes hinführen, Trost spenden, Dankbarkeit ausdrücken, Vertrauen und inneren Frieden schenken. Worte, die an die Gegenwart Gottes unter uns Menschen erinnern.
Fragen zum Weiterdenken:
• Jesus, wahrer Gott, ist ein ungeborenes Kind. Wie passt das zu meinem Gottesbild?
• Gott sucht immer wieder den Weg zu meinem Herzen. Was möchte ich tun, damit ich ihn im Trubel des Alltags, in der Hektik der Feiertagsvorbereitungen nicht vergesse und seinen Besuch erkenne?
• Der Heilige Geist gibt Elisabeth Worte ein, die viele Menschen zu Gottes Gegenwart führen. Kann ich mir vorstellen, dass der Heilige Geist auch mich inspirieren will, durch mich sprechen und segnen will? Habe ich das einmal schon erfahren?
3. Adventsonntag (C), 12.12.2021, Lk 3,10-18, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter
„Das Volk war voll Erwartung". Die freudige Erwartung des Herrn ist das Thema dieses Sonntags, auch Sonntag „Gaudete" genannt. Wir dürfen uns freuen, denn der Herr ist nahe.
Johannes der Täufer verkündet die Frohe Botschaft vom Kommen Christi; dabei erklärt er, dass Christus, wenn er kommen wird, die Menschen nicht nur mit Wasser, sondern mit dem Heiligen Geist taufen wird. Anders ausgedrückt, Christus wird die Menschen in das göttliche Leben, in ein Leben in Fülle, eintauchen.
Nun löst diese freudige Erwartung bei den Menschen eine Frage aus, die in diesem Evangelium gleich dreimal vorkommt: „Was sollen wir tun?"
Genau dieselbe Frage stellen die Menschen übrigens zu einem ganz anderen Zeitpunkt, nämlich am Pfingsttag, nach der Predigt der Apostel, kurz vor der Ausgießung des Heiligen Geistes: „Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun?" (Apg 2,37)
Diese Frage entspringt nicht etwa einem schlechten Gewissen und kommt auch nicht aus einem Pflichtgefühl heraus: in keinem Fall geht es hier darum, in irgendeiner Art und Weise durch eigenes Tun das Heil selbst verdienen zu müssen.
Die Menschen sind vielmehr in ihrem Innersten berührt von der Frohen Botschaft des Kommens Gottes, des Heils, das zum Greifen nahe ist. Sie wollen sich für das Kommen des Herrn öffnen und bereiten. Die Sehnsucht in ihren Herzen wächst. Diese Sehnsucht ist zugleich das erste Zeichen, dass Gott bereits am Werk ist: „Du würdest Gott nicht suchen, wenn du ihn nicht schon gefunden hättest" (Blaise Pascal).
Um den Weg frei zu machen für das Kommen Christi lädt Johannes die Menschen dazu ein, lebensnotwendige Güter zu teilen, sodass Gemeinschaft entsteht, Geld als ein Mittel zum Zweck zu verwenden ohne es zu vergötzen, Autorität auszuüben, um Schwächere zu schützen und nicht, um andere zu missbrauchen.
Es geht also darum, sein Leben zu ordnen und insgesamt auszurichten auf das Kommen Christi.
Die (Vor)Freude gibt die Motivation dazu,
die Freude begleitet das Kommen Christi,
die Freude ist letztendlich auch eine Frucht des Heiligen Geistes.
Fragen zum Weiterdenken:
• Welche Erwartung, welche Sehnsucht trage ich in mir?
• Würde ich heute Johannes dem Täufer die Frage stellen: „Was soll ich tun?", welche Antwort würde er mir wohl geben?
• Was erfüllt mich mit Freude?
2. Adventsonntag (C), 05.12.2021, Lk 3,1-6, Hinführung
Sr. Elisabeth Senfter
Das Evangelium dieses Sonntags beginnt mitten in einer konkreten politischen Situation, in der Turbulenzen, Spannungen und Gewalt keineswegs ausgespart werden: Pontius Pilatus, Herodes, Philippus, Hannas und Kajaphas werden selbst später an der Kreuzigung Jesu beteiligt sein.
Auch heute kommt Gott in die ganz konkrete geschichtliche Situation dieser Welt, so wie sie ist, mit all ihrer Begrenztheit, all ihrem Leid, allen Spannungen und aller Ungerechtigkeit.
Das Wort Gottes ist an alle Menschen gerichtet: Gläubige wie Skeptiker, Gleichgültige und Ungläubige. Denn Gott möchte, dass alle Menschen Trost und Heilung erfahren.
Der Ort, wo dieses Wort an Johannes und damit an alle Menschen ergeht, ist weder der Tempel noch ein Palast, sondern die Wüste.
- In der Stille der Wüste kann ein neues, schöpferisches Wort hineinklingen. In der Stille findet der Mensch sich selbst und Gott.
- Die Wüste erinnert an den Auszug aus Ägypten, Auszug aus dem Sklavendasein in die Freiheit.
- In der Wüste entsteht aus einer losen Menschenansammlung eine Gemeinschaft, ein Volk. Durch das gemeinsame Hören auf Gottes Wort, durch das Teilen der Nahrung, durch das gemeinsame Unterwegssein werden wir zu Brüdern und Schwestern.
- In der Wüste hat keiner mehr als der andere: niemand kann unnötiges Gepäck mittragen, niemand besitzt das Land, das gerade unter seinen Füssen liegt. Der einzige Reichtum ist die Solidarität untereinander und die Hoffnung auf das gemeinsame Ziel.
In diese Wüste ruft Johannes den Trost Gottes hinein. Er erinnert das Volk an die Verheißung des Herrn und daran, dass Gott treu ist.
Fragen zum Weiterdenken:
• Auch wir sind als Pilger unterwegs. Auch wir dürfen immer wieder neu aufbrechen und dabei unnötigen Ballast abwerfen. Wo kann ich Unnötiges loslassen, wo möchte ich mich in dieser Woche neu auf den Weg machen?
• Auch wir dürfen gemeinsam unterwegs sein. Wie kann ich Schluchten füllen und Berge abbauen, wie kann ich zur Einheit, zum Frieden, zur Gerechtigkeit unter den Menschen beitragen?
• Auch wir dürfen uns Gottes Trost zusprechen lassen. Wo brauche ich heute Trost?
1. Adventsonntag (C), 28.11.2021, Lk 21,25-28.34-36, Hinführung
Martin Lesky
Advent heißt ankommen, erwarten. Wir bereiten uns im Advent auf das Fest der Geburt Jesu vor. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn im heutigen Evangelium vom Kommen des Menschensohnes die Rede ist. Dieses Kommen in einer Wolke erinnert an das Buch Exodus, an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Das Wort Erlösung in Vers 28 erinnert noch an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, denn das griechische Wort kann wörtlich mit Loskauf (von Sklaven) übersetzt werden. Wir werden durch das Kommen Jesu losgekauft, freigekauft, befreit von allem, was uns versklavt und unterdrückt. War es im Buch Exodus die Befreiung aus der Sklaverei, so geht es hier um die Befreiung vom Bösen und Zerstörerischen. Jesus macht uns bewusst, wo wir verstrickt sind mit dem Bösen, Jesus löst diese Verstrickungen des Bösen, er löst die Kreisläufe auf, die uns zerstören.
Die Zeichen des Wiederkommens des Menschensohnes machen die Menschen bestürzt, ratlos, versetzen sie in Angst. Für die Jüngerinnen und Jünger Jesu sollen diese Zeichen Anlass zur Freude sein. „Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe." (Vers 28)
Weiters wird zur Achtsamkeit ermahnt, dass dieser Tag die Christinnen und Christen nicht überrascht. Deshalb fordert Jesus auf, wachsam zu sein und zu beten.
Fragen zum Weiterdenken:
• Was nehme ich mir für den Advent vor? Wo kann ich wachsam sein und beten?
• Wovon wünsche ich mir Befreiung?
Christkönigssonntag (B), 21.11.2021, Joh 18,33b-37, Hinführung
Martin Lesky
Im heutigen Evangelium lesen wir von einem Verhör Jesus durch Pilatus. Pontius Pilatus war von 26 bis 36 nach Christus Präfekt des römischen Kaisers Tiberius in der Provinz Judäa. Von den Machthabern, den Römern aus gesehen war er ein mächtiger Mann. Jesus hingegen war als Rebell in Joh 18,12 verhaftet worden und in Joh 18,28 ins Prätorium überstellt worden, wo ihn Pilatus verhörte. Pilatus lieferte dann in Joh 19,16 Jesus aus, damit er gekreuzigt wird.
Pilatus weiß, was die Juden von ihm wollen. In Joh 18,30 heißt es: „Wenn er kein Übeltäter wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert." und in Joh 18,31 steht: „Uns ist es nicht gestattet, jemanden hinzurichten."
Im Verhör geht es um die Anmaßung der Königswürde, die in römischen Augen ein Todesurteil zur Folge hätte. Das Verhör beginnt mit der Frage des Pilatus „Bist du der König der Juden?" Mit dieser Frage zeigt er, dass er weiß, was der Hohe Rat gegen Jesus vorbringt. Jesus geht auch in dieser Situation auf sein Gegenüber ein. Dieses Wissen nützt Jesus bei seiner Gegenfrage: „Sagst du das von dir aus oder haben es dir andere über mich gesagt?" (Vers 34) Mit dieser Frage zeigt Jesus, dass sich Pilatus abhängig macht von der Meinung anderer und dass ihm die Macht von anderen gegeben wird. Dies führt in der Antwort des Pilatus zu der Frage: „Was hast du getan?" (Vers 35) Jetzt kann Jesus seine Sichtweise vorbringen. „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt." (Vers 36) Jesus sagt damit, dass die göttliche Liebe größer ist als die weltliche Macht. Dies mündet in Vers 37 in die Aussage Jesu: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege." Das ist wesentlich, um das geht es. Die weltliche Macht wird vergehen, aber die göttliche Liebe hat Bestand. Sie führt zum wahren Leben.
Fragen zum Weiterdenken:
• Was heißt für mich Wahrheit?
• Was hat für mich Bestand im Leben?
32. Sonntag im Jahreskreis (B), 07.11.2021, Mk 12,38-44, Hinführung
Martin Lesky
Im Markusevangelium beginnt die Auseinandersetzung Jesu mit den Schriftgelehrten im zweiten Kapitel bei der Heilung eines Gelähmten und endet hier im 12. Kapitel. Die Schriftgelehrten (oder Pharisäer), waren jüdische Gesetzeslehrer und in der damaligen Zeit die religiöse Autorität. Diese Auseinandersetzung spitzt sich zu. Während in Mk 2,6 noch die Rede ist von „dachten in ihrem Herzen", heißt es Mk 3,6 „Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen." In Mk 12,38-40 schließlich findet Jesus deutliche Worte. Er kritisiert ihre Lebensweise. „Lange Kleider; lieben es, gegrüßt zu werden; wollen Ehrensitze" – es geht ihnen um Ansehen und Prestige in der Öffentlichkeit. Sie denken nur an sich und vergessen dabei die anderen. Die scheinheilige Frömmigkeit der Schriftgelehrten (lange Gebete) entspricht nicht ihrem sozialen Verhalten (Umgang mit Witwen). „Sie fressen die Häuser der Witwen auf" meint hier ein übles Spekulantentum. Wenn die Witwen die Kosten für ihre Häuser nicht mehr aufbringen konnten, kauften sie diese billig auf und taten dann noch wohltätig, wenn sie eine größere Spende in den Tempelschatz gaben, der für die Versorgung der Armen (und damit auch der Witwen) dienen sollte.
Das Gegenteil ist die Witwe. Sie schaut nicht auf ihren Vorteil, sondern gibt alles, was sie hat. Sie wirft zwei kleine Münzen hinein. Zwei Münzen – vielleicht will uns Jesus vor Augen führen, dass sie sich entscheiden konnte – sie hätte ja eine Münze zurückbehalten können und nur eine geben. Aber sie entscheidet sich, beide zu geben, also ihren ganzen Lebensunterhalt, ihr ganzes Leben. Jesus kommt es nicht auf die Höhe der Spende an, sondern auf die Haltung. Jesus stellt die Haltung der Witwe als Vorbild dar: „Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle anderen."
Fragen zum Weiterdenken:
• Wo würde ich gerne einen Ehrensitz einnehmen?
• Mit welcher Haltung spende ich? Gebe ich von meinem Überfluss oder gebe ich etwas von meinem Leben?
31. Sonntag im Jahreskreis (B), 31.10.2021, Mk 12,28b-34, Hinführung
Helene Daxecker-Okon, Theologin, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung
Gebot der Liebe
Ein Dialog mit Annäherung: Ein jüdischer Schriftgelehrter, der Jesus vermutlich schon län-ger zuhört, stimmt ihm öffentlich zu. Jesus versichert ihm Gegenzug dessen Nähe zum Reich Gottes. Man trifft sich mit dem Liebesgebot im Herzen des jüdischen (und später christlichen) Glaubens. Der Schriftgelehrte verbindet den Hinweis auf das Liebesgebot mit einer schon prophetisch tradierten Kritik an der Brandopferpraxis.
Quellen: P. Dschulnigg, Das Markusevangelium, Kohlhammer (321-326); E. Reuber, Handbuch zum Markus-Evangelium, Lit Verlag (179-183);
Fragen zum Weiterdenken:
• Wo merke ich, dass Gottes- und Nächstenliebe miteinander verbunden sind?
• Oft wird das Liebesgebot mit der Goldenen Regel verglichen. Wo geht es darüber hin-aus?
30. Sonntag im Jahreskreis (B), 24.10.2021, Mk 10,46-52, Hinführung
Helene Daxecker-Okon, Theologin, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung
Blindheit auch im Herzen
Zum zweiten Mal in Folge beendet Markus einen Hauptteil (Mk 8,27-10,52) seines Evan-geliums mit einer Blindenheilungserzählung. Er will wohl „darauf hinweisen, dass den Be-gleitern Jesu die Augen geöffnet werden müssen, damit sie ihn wirklich erkennen" (Dschulnigg, 288).
Sohn Davids. Durch die Anrufung mit diesem Titel unterstreicht der blinde Barti-mäus seinen Glauben an Jesus und stellt ihn in einen politisch-religiösen Kontext. Er sieht Jesus in einer Abstammungslinie mit König David. „Zur Zeit Jesu war die-ser Titel als Hoffnungsentwurf auf den künftigen Messias im Judentum geläufig, je-doch als politische Messiasvorstellung, als königliche Gestalt." (Reuber, 153)
Blindheit. Auffällig ist, dass Jesus diesen Bartimäus nicht einmal berührt. Er sagt nur: „Dein Glaube hat dir geholfen." Die Heilung ist da eigentlich irgendwie schon vorbei. Diese Heilung ohne Berührung und die Aussage „er folgte ihm nach" - die im Griechischen nicht nur ein Nachlaufen im körperlichen Sinn meint, sondern ein Fol-gen als Jünger - könnten auch auf eine sinnbildliche Blindheit des Herzens hinwei-sen.
Quellen: P. Dschulnigg, Das Markusevangelium, Kohlhammer (287-290); E. Reuber, Handbuch zum Markus-Evangelium, Lit Verlag (152-155);
Fragen zum Weiterdenken:
• Was für Bilder entstehen in mir, wenn ich von Jesus als Sohn Davids, als Messias spreche?
• Wo nehme ich „blinde Herzen" in unserer Gesellschaft wahr?
29. Sonntag im Jahreskreis (B), 17.10.2021, Mk 10,35-45, Hinführung
Helene Daxecker-Okon, Theologin, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung
Führungskompetenz
Jesus macht es seinen Jüngern nicht leicht. Er verspricht keinerlei Belohnungen für ihre Mühe und auch was Leitung und Führung betrifft, ist sein Anspruch ohne Gleichen: Die Mächtigen als Knechte.
Jakobus und Johannes. Als Erstberufene kommt den beiden im Markusevangelium eine besondere Bedeutung zu. Der frühjüdischen Vorstellung entsprechend wollen sie links und rechts neben dem „Thron der Herrlichkeit" sitzen. (Die besten Plätze!) Jesus antwortet mit zwei Metaphern, die für uns heute nicht unbedingt verständlich sind. Becher und Taufe stehen für das Martyrium, in diesem Fall für sein Martyrium. Und obwohl die Jünger sich (fast trotzig) auch dazu bereit zeigen, können sie nicht mit himmlischen Fixplätzen rechnen. Da verweist Jesus auf die Entscheidung Gottes. Jeglicher Genugtuung gegenüber der eigenen Lebensführung erteilt Jesus eine Abfuhr.
Die zehn anderen Jünger. Sie ärgern sich verständlicherweise. Gleich wie Jakobus und Johannes werden auch sie zur Demut gemahnt. Dem Sog der Macht darf man sich im Sinne Jesu niemals aussetzen. Dienen als die erste Führungskompetenz.
Quellen: P. Dschulnigg, Das Markusevangelium, Kohlhammer (273-279); E. Reuber, Handbuch zum Markus-Evangelium, Lit Verlag (142-147);
Fragen zum Weiterdenken:
• Wenn die Bewertung eines Menschenlebens bei Gott liegt, was heißt das für meine eigenen Urteile?
• Dienende Leitung - wie kann das aussehen?
28. Sonntag im Jahreskreis (B), 10.10.2021, Mk 10,17-30, Hinführung
Helene Daxecker-Okon, Theologin, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung
Misslungene Nachfolge mit vielen Gefühlsregungen
• Ein Abgang. Eigentlich läuft alles gut. Ein reicher Mann zeigt Ehrerbietung vor Jesus (Kniefall, „guter Meister") und bittet ihn um Rat, wie er ewiges Leben bekom-men kann. Er sagt von sich, dass er die Gebote befolgt, und Jesus „gewinnt ihn lieb". Ein idealer Jünger? Doch was Jesus von ihm verlangt, ist mehr als die Befol-gung der Gebote. Der Reiche spürt („betrübt", „traurig"), dass er sich nicht so kon-sequent von seinem Besitz lösen kann.
• Ein Schrecken. Jesus berühmter und paradoxer Vergleich mit dem Reichen, der so schwer in den Himmel kommt, wie ein Kamel durch ein Nadelöhr, erschüttert die Jünger tief („bestürzt", „Schrecken"). Damit ist eine Errettung ja quasi ausgeschlos-sen. Hier öffnet Jesus die Ausweglosigkeit, indem er auf die Möglichkeiten Gottes verweist. „Ohne Aussicht ist der Mensch nur von sich her, bindet er sich aber an Gott und vertraut er auf ihn, wird ihm Rettung zuteil." (Dschulnigg, Das Markus-evangelium, 278). Es geht also um die richtige Perspektive.
• Eine Antwort. Doch Petrus ist immer noch unsicher und bekommt auf seine Frage (Salopp: Und was ist mit uns?) eine klare Antwort: Wer es ernst meint, erhält hun-dertfach. „Auffallend ist aber auch, dass nicht vertröstet wird auf das Leben nach dem Tod, sondern, dass hier bereits sicherer Lohn wartet." (Reuber, Handbuch, 147).
Quellen: P. Dschulnigg, Das Markusevangelium, Kohlhammer (273-279); E. Reuber, Handbuch zum Markus-Evangelium, Lit Verlag (142-147);
Fragen zum Weiterdenken:
• Welche Gefühle löst das Evangelium in mir aus?
• Woran erkenne ich, dass Gott mein Leben gelingen lässt?
27. Sonntag im Jahreskreis (B), 03.10.2021, Mk 10,2-16, Hinführung
Helene Daxecker-Okon, Theologin, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung
Ehescheidung und Kindersegnung
Im Sonntagsevangelium geht es um zwei sehr unterschiedliche Themen: Pharisäer befragen Jesus zur Ehescheidung, um zu wissen welcher Auslegungstradition er angehört (Mk 10,2-12). Darauf folgt der bekannte Abschnitt, bei dem Jesus Kinder herzt und segnet (Mk 10,13-16).
Mit Kenntnissen über die damaligen Wertsysteme ist das Evangelium leichter verständlich:
• Ehescheidung: Jesus positionierte sich – mit Verweis auf die Schöpfung - eindeutig gegen die Ehescheidung. Wer seine Frau (bzw. seinen Mann entlässt), begehe Ehebruch (Mk 10, 11f). Vielfach wird diese Aussage Jesu als eine Aufwertung der Frau verstanden, da sich in der jüdischen Gesellschaft praktisch nur Männer scheiden lassen konnten. Für die Frauen, die außerhäuslich kaum Möglichkeiten hatten, war eine Scheidung prekär. Ihnen drohte der gesellschaftliche Absturz bis hin zur Prostitution.
• Kindersegnung: Es ist anzunehmen, dass Jesus mit seiner Parteinahme für die Kinder nicht unbedingt deren Kreativität und kindliche Wahrnehmung ins Zentrum rücken wollte. Vielmehr stellte er einmal wieder fest, dass die Rechtlosen, Abhängigen und Besitzlosen (zu denen Kinder faktisch zählten) den Weg in den Himmel finden werden – ähnlich wie in den Seligpreisungen (Lk 6,20). Besonders auffällig: Die Kinder wurden zu ihm gebracht, „damit er sie berühre" (Mk 10,13). Jesus erfüllte den Wunsch gleich dreifach leiblich: Er umarmte, er segnete, er legte die Hände auf. Eine dreifach heilsame Wohltat.
Quellen: P. Dschulnigg, Das Markusevangelium, Kohlhammer (265-273); E. Reuber, Handbuch zum Markus-Evangelium, Lit Verlag (140-142);
Fragen zum Weiterdenken:
• Gibt es Menschen (meist Frauen) in der Pfarre, die von Armut betroffen sind, weil ihre häusliche Arbeit nicht abgesichert war (z.B. wegen einer Scheidung)?
• Was könnte man gesellschaftspolitisch dagegen tun?
• Wo fehlen heilsame Berührungen in der Zeit des Abstandshaltens?
26. Sonntag im Jahreskreis (B), 26.09.2021, Mk 9,38-43.45.47-48, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Umgang mit schwierigen Bibelstellen und mit schwierigen Menschen
Wie gehen Sie mit Bibelstellen um, die unverständlich sind und komisch klingen?
• Sind sie ein Beweis, dass die Bibel veraltert ist?
• Forschen Sie nach, was der jeweilige Satz bedeuten könnte?
• Legen Sie den Satz beiseite im Wissen, dass viele andere Bibelworte für Sie hilfreich und klar sind?
Die heutigen Worte lösen grausame Bilder aus: ein Mühlstein um den Hals, abgehauene Hände und Füße, einäugige Menschen, nie erlöschendes Feuer.
Diese Bilder wurden im Laufe der Jahrhunderte auch dazu missbraucht, um Angst einzuflößen oder im Namen Gottes grausame Methoden zu rechtfertigen. Leider! Gezieltes Schüren von Angst und Gewalt kann nie das Ziel der Bibel sein.
Was also tun mit solchen Bibelworten?
Ich möchte sie nicht einfach weglöschen oder schnell sagen, dass diese Worte später in die Bibel eingefügt wurden und auf keinen Fall von Jesus stammen. Für mich sind sie ein realistischer Blick auch auf das Dunkle in uns Menschen. Mir hilft, den größeren Zusammenhang zu sehen. Bei den heutigen Bibelworten ist dies die Weisheit, dass wir das Böse bei der Wurzel packen müssen. Eine rollende Lawine kann nicht mehr gestoppt werden.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie gehen Sie mit Menschen um, deren Handeln Sie nicht verstehen?
Vielleicht hilft auch hier, zunächst die guten Seiten dieser Menschen zu sehen.
Vielleicht hilft auch hier, genauer hinzuschauen, warum sie so handeln.
25. Sonntag im Jahreskreis (B), 19.09.2021, Mk 9,30-37, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Exerzitien auf dem Weg nach Jerusalem
Auf dem Weg nach Jerusalem (Mk 8,27 – 10,52) bereitet Jesus seine Jünger auf die Ereignisse in Jerusalem vor. Wie bei guten Exerzitien tauchen dabei verschiedenste Gefühle und Gedanken auf.
Der Aufbau im Markusevangelium ist hilfreich und auch entlastend:
• Dreimal kündigt Jesus an, dass er in Jerusalem leiden, sterben und auferstehen werde (Mk 8,31; 9,31; 10,33).
• Dreimal wird gezeigt, dass die Jünger nichts kapieren und ganz anderes im Kopf haben: Petrus weist Jesus zurecht (Mk 8,32); die Jünger sprechen heimlich darüber, wer von ihnen der Größte ist (Mk 9,34), Jakob und Johannes kommen mit der Bitte, im Himmelreich rechts und links von ihm sitzen zu dürfen (Mk 10,37)
• Dreimal folgt daraufhin eine Belehrung durch Jesus: Am Berg der Verklärung öffnet sich der Himmel (Mk 9,2-8), Jesus stellt ein Kind in die Mitte (Mk 9,35-37), Jesus heilt den Blinden von Jericho, um zu zeigen, dass er uns von unseren Blindheiten heilen kann. Er fragt dabei: „Was willst du, dass ich dir tue?" (Mk 10,51)
Es ist heilsam, klärend und ehrlich, wie die Bibel die Reaktion der Jünger schildert. Das hilft uns, beim Beten und im Leben als ChristIn nicht einfach ein „frommes Mäntelchen" aufzusetzen, sondern all unsere Gefühle und Gedanken vor Jesus zu legen.
Fragen zum Weiterdenken:
• Wie sehe ich die Fehler der Jünger Jesu und die Art, wie die Bibel davon berichtet?
• Wie gehe ich in der Familie, in der Verwandtschaft, in der Pfarre mit den Fehlern anderer um?
24. Sonntag im Jahreskreis (B), 12.09.2021, Mk 8,27-35, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Menschen zu Jesus führen
Das Markusevangelium tritt mit dem Ziel an, die frohe Botschaft von Jesus zu verkünden. Der erste Satz des Evangeliums bringt dies treffend zum Ausdruck:
„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn." Dieser Satz ist das
große Eingangsportal zum Geheimnis der Identität Jesu.
Es fällt auf, dass Markus in seinem Evangelium die großen Aussagen „Christus/Messias" und „Sohn Gottes" nicht einfach voraussetzt und hinknallt, sondern sie Schritt für Schritt entfaltet.
Christus (griechisch) = Messias (hebräisch) = Gesalbter
Nach vielen Begegnungen in Galiläa erkennt Petrus Jesus als den Christus (Mk 8,29). Beim Prozess fragt der Hohepriester: „Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?" (Mk 14,61).
Sohn Gottes
Am Beginn des Evangeliums wird Jesus als Sohn Gottes angekündigt (Mk 1,1), am Ende unterstreicht der römische Hauptmann dieses Geheimnis: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!" (Mk 15,39) Jesus wird bei der Taufe und Verklärung von Gott als Sohn angesprochen, merkwürdigerweise erkennen Dämonen ganz klar seine Identität als „der Heilige Gottes" (Mk 1,24), „Sohn Gottes" (Mk 3,11) und „Jesus, Sohn des Höchsten Gottes" (Mk 5,7)
Messiasgeheimnis
Um zu verstehen, wie Jesus sein Christussein/Messiassein versteht, müssen wir das ganze Leben Jesu im Blick haben, nicht nur seine Wundertätigkeit. Deshalb betont Jesus mehrfach im Markusevangelium, dass wir erst nach seinem Leiden, Sterben und Auferstehen erahnen können, wer er wirklich ist.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wer ist Jesus für mich?
2. Wie gelingt es mir, über den Glauben zu reden?
3. Es ist Aufgabe der Kirche, Menschen zur Begegnung mit Jesus zu führen. Wie kann dies wieder neu und besser gelingen?
23. Sonntag im Jahreskreis (B), 05.09.2021, Mk 7,31-37, Hinführung
Martin Lesky, Referent für missionarische Pastoral
Auffallend ist als erstes die Ortsangabe. Während Jesus in der vorhergehenden Stelle zum heutigen Evangelium in das Gebiet von Tyrus zieht (Mk 7,24), verlässt er im heutigen Evangelium Tyrus wieder, geht weiter nach Norden in das Gebiet von Sidon um sich dann von Nordosten dem See Gennesaret zu nähern. Dabei kam er auch in die Nähe der zehn Städte (Dekápolis). Was dieses Gebiet auszeichnet ist, dass es heidnisches Gebiet ist. Die Heiden sind es dann auch, die am Ende dieser Stelle staunen und sagen: „Er hat alles gut gemacht!" Die Heiden, die eigentlich die Schrift nicht kennen, loben Gott und bezeugen das wunderbare Wirken Gottes. „Die Tauben hören und die Stummen sprechen." Jetzt wird Gott bei allen Menschen präsent sein und aus aller Not befreien.
Ein zweiter Aspekt: Dann wird ein Mann zu Jesus gebracht, der taub war und stammelte. Fälschlicherweise wird er oft als taubstumm bezeichnet, auch in der neuen Einheitsübersetzung steht Heilung eines Taubstummen. Aber er kann offensichtlich Laute bilden, die aber nicht für alle verständlich sind. Jesus nimmt ihn beiseite, weg von der Menge, weg vom Trubel. Es entsteht der Eindruck, als ob alles Störende ausgeschaltet werden muss, um zur Heilung zur kommen.
Dann noch die Frage, was heilt diesen Mann? Ist es das auf die Seite nehmen, nur für ihn da sein? Oder das Hineinlegen der Finger in die Ohren und die Berührung der Zunge mit Speichel? Oder das Gebet Jesu, bei dem sich Jesus dem Himmel zuwendet, dann seufzt und schließlich sagt „Effata – öffne dich!" Gesund werden Ohren und die Sprachfähigkeit des Mannes erst, als Jesus ihm zuspricht: „Öffne dich!"
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie gehen wir mit Menschen um, die um Hilfe bitten?
2. Kann auch ich sagen, „Er hat alles gut gemacht!" und was erzähle ich von Gott weiter?
22. Sonntag im Jahreskreis (B), 29.08.2021, Mk 7,1-8.14-15.21-23, Hinführung
Angelika Stegmayr, Leiterin Katholisches Bildungswerk Tirol
Es ist Urlaubszeit. Landkarten, egal ob in der Hand oder am Handy sind für uns hier wichtige Wegbegleiter. Um sie richtig zu verwenden ist es wichtig auf den richtigen Maßstab zu achten. Auch im heutigen Evangelium geht es um die Frage, wonach man sein Leben ausrichtet. Wie und nach welchen Regeln soll man leben? Für die Gläubigen zur Zeit Jesu war die Frage nach rein und unrein diesbezüglich eine sehr Wichtige. Die Pharisäer waren hier als die Verfechter einer harten Linie zusätzlich auch noch die größte religiöse Gruppierung. Sie forderten ein, dass alle Gläubigen sich an alle Gebote – also auch an jene, die ursprünglich nur für die Priester und den Tempel galten – halten. Den Alltag durch Einhaltung der schriftlichen und mündlichen Vorschriften zu heiligen, war ihr höchstes Ziel. Ganz Israel sollte dadurch ein reines und heiliges Volk werden und so das Kommen des Messias sowie den Anbruch der Herrschaft Gottes ermöglichen. Auch wir kennen diese Haltung: nur nichts riskieren, besser auf Nummer sicher gehen, Gesetz ist Gesetz, basta.
Doch der Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden. Viele dieser Gesetze haben ihren Ursprung in der Zeit des babylonischen Exils. Also jener Zeit, in der das Volk Israel in der Fremde war. Reinheitsgebote, Speisevorschriften und Handlungsanweisungen sorgten für Sicherheit, schufen Vertrauen und Klarheit und gaben so Halt und Zuversicht. Doch die in den Bibelworten geschilderte Situation spielt Jahrhunderte später in der Heimat. Jesus wirft seinen Berufskollegen daher auch vor, den Blick für das Wesentliche verloren zu haben. Nur noch die Paragrafen und nicht mehr die Menschen und Gottes Wille im Blick zu haben. Wer das Leben in seiner Vielfalt stärken und unterstützen will, darf sich nicht blind an Gesetzesklauseln klammern. Denn so wird das Gesetz unhaltbar. Es verurteilt und wird menschenfeindlich. Jesus setzt sich für die Mündigkeit jeder und jedes Einzelnen ein. Barmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit sind die Kategorien, die Jesus als die Zentralen führt. Danach gilt es den Maßstab zu berechnen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie sehr ist die Botschaft Jesu Maßstab für mein Leben?
2. Was hilft mir meinen Lebenskompass immer wieder gut zu norden?
21. Sonntag im Jahreskreis (B), 22.08.2021, Joh 6,60-69, Hinführung
Angelika Stegmayr, Leiterin Katholisches Bildungswerk Tirol
Entscheidungen treffen wir jeden Tag. Glaubt man dem Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel so sind es über 20.000 Entscheidungen pro Tag. Den Großteil dieser Entscheidungen treffen wir blitzschnell, unbemerkt und intuitiv: Frühstück, Kleidung, Arbeitsweg... Und dann gibt es noch diese Anderen. Entscheidungen, die uns nicht einschlafen, Pro- und Kontralisten schrieben lassen und selbst dann, wenn wir sie getroffen haben noch ein mulmiges Gefühl machen.
Auch Jesus fordert von seinen Anhängern eine Entscheidung. Nach den ersten großen Erfolgen und Menschenmassen, scheint sich das Blatt zu wenden und Jesu Anhängerschar wieder zu schrumpfen. Ja sogar von einer "galiläischen Krise" ist die Rede. Warum? Jesus fordert Verbindlichkeit ein. In vielen Worten, Zeichen und Wundern hat er seiner Botschaft Kraft und Ausdruck verliehen. Er hat sich geoffenbart, nun ist es an der Zeit Antworten zu geben. Für Mitläufer und Zaungäste ist hier kein Platz mehr. Für Manche erscheint die Antwort eindeutig, klar und intuitiv – Petrus scheint so jemand zu sein. „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes." (Joh 6,68f) Beeindruckend. In einem Moment der großen Erwartungen punktet er, kann ausdrücken, was er empfindet und trifft ins Schwarze. Er erkennt Jesus als Brot des Lebens, das lebendig und heil macht. Er vertraut sich und sein Leben Gott an.
Bei uns war das anders. Die meisten von uns wurden als Säuglinge getauft. Die Eltern haben uns diese Entscheidung in die Wiege gelegt. Sind wir damit jetzt Christen 2. Ordnung? Nein! Denn einerseits leben wir in einer Zeit in der das Christsein keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Immer wieder gilt es Auskunft zu geben, Stellung zu beziehen und wir sind angefragt uns zu erklären. Andererseits ist es auch so, dass man Christ nie alleine seine kann. Das Bekenntnis des Petrus ist keine „one man show", er spricht im Wir. Es ist das Ergebnis einer glaubenden Gemeinschaft. Sich über Jesu Worte und Taten auszutauschen, herauszuschmecken, wo dieses Brot des Lebens süß, bitter oder sauer schmeckt, ist gemeinsam lohnender. Vor allem dann, wenn es darum geht, auf den Geschmack zu kommen.
Fragen zum Weiterdenken:
Gehen oder bleiben? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche. Was hat mich auf den Geschmack gebracht und lässt mich bleiben? Was kann ich dazu beitragen, dass sich Menschen in unserer Gemeinschaft willkommen fühlen?
Mariä Aufnahme in den Himmel (B), 15.08.2021, Lk 1,39-56, Hinführung
Angelika Stegmayr, Leiterin Katholisches Bildungswerk Tirol
Maria geht zu Elisabeth – es ist eine der schönsten und kraftvollsten Begegnungen in der Bibel für mich. Was sie dazu macht? 3 Kraftquellen möchte ich mit Ihnen teilen...
1. Die Kraft des Zutrauens
Beide Frauen sind schwanger. Beide unerwartet: Maria eigentlich zu jung und unverheiratet. Elisabeth eigentlich zu alt und immer noch kinderlos. Beiden traut die Gesellschaft nicht zu, dass sie es schaffen werden. Für die Menschen ihrer Zeit sind sie abzulehnende Außenseiterinnen. Für Gott sind Elisabeth und Maria Auserwählte und genau die Richtigen. Sie lassen sich auf den Weg ein und haben den Mut sich auf Gottes Zusage wider aller Vernunft einzulassen.
2. Die Kraft der Gemeinschaft
„Geteiltes Leid, ist halbes Leid", dieses Sprichwort bringt zum Ausdruck, dass schwierige Situationen sich besser gemeinsam bewältigen lassen. Mit anderen darüber sprechen zu können und Herausforderungen gemeinsam zu erleben, macht es erträglicher und schafft auch neue Perspektiven. Als Elisabeth Maria erblickt, vertraut diese auf ihr Innerstes, ihre Intuition. Aus tiefsten Herzen spricht sie Maria Gottes Nähe zu. Sie gibt ihr damit ihre Würde zurück und stärkt sie darüber hinaus indem sie sie segnet.
3. Die Kraft des Vertrauens
Vielleicht ist Elisabeth die Erste, die positiv auf Marias Schwangerschaft reagiert. Vielleicht ist sie die Erste, die sie freundlich und hoffnungsvoll anblickt. Dieses Einfühlungsvermögen und diese Vertrautheit sind es, die Maria den Mut geben sich zu öffnen. Und so entsteht ihr ganz besonderes Glaubensbekenntnis. Der vorurteilsfreie Blick lässt Visionen entstehen von einer schier unfassbaren Gerechtigkeit und einem menschenwürdigen Miteinander aller. Maria verkündet Gott als Inbegriff von Liebe und Barmherzigkeit. Einen Gott, der sich mit den Armen und Unterdrückten solidarisiert, ihnen Befreiung und Gerechtigkeit schenkt.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie gehe ich mit Menschen um, die meiner Meinung nach aus dem Rahmen fallen? Wie schnell fälle ich ein Urteil?
2. Wer sind die „Elisabeths" meines Lebens, die mich aufrichten und segnen?
3. Wer sind die „Marias" meines Lebens, die ich unterstütze und ermutige?
19. Sonntag im Jahreskreis (B), 08.08.2021, Joh 6,41-51, Hinführung
Angelika Stegmayr, Leiterin Katholisches Bildungswerk Tirol
Die Stimmung zu Beginn des heutigen Evangeliums könnte besser sein. Vom „Murren" ist die Rede. Diese Haltung kennt die Bibel öfter. Das Volk murrt immer wieder gegen Gott und seine Gesandten. Ganz ehrlich gesagt sind es genau diese Momente, die mir an der Bibel so gefallen. Sie machen deutlich, dass es das Buch des Lebens ist, das alle Regungen, auch die unangenehmen und unangemessenen, kennt.
Und dass die Worte Jesu verwundern kommt nicht von ungefähr. Es ist eine unglaubliche Zusage, die er macht: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben." (Joh 6,51) Der Widerstand bringt im ersten Moment Stillstand. Jesus geht auf seine Zuhörenden ein. Er holt sie dort ab, wo sie stehen. Er dreht mehrere Runden, erklärt sich in unterschiedlichen Bildern. Warum? Weil er das ewige Leben für alle will. Weil Gott um jede und jeden einzelnen von uns ringt, weil er niemanden ausschließt. Wie Brot will er sein. Er bietet sich als Grundnahrungsmittel für uns an, nicht als exklusive Delikatesse für die oberen 10.000. An uns selbst liegt es, wie wir damit umgehen. Kann ich das glauben? Will ich das glauben? Ist das nicht unvorstellbar?
Auch der Begriff der Ewigkeit ist eine Zumutung. Der Tod gehört zum Leben. Aber dennoch zieht es uns den Boden unter den Füßen weg, wenn wir uns von geliebten Menschen verabschieden müssen. „Stopp! Halt!, wollen wir hier rufen. Auch diese existenzielle Angst nimmt Jesus ernst und geht uns voran. Mit seinem Tod und der Auferstehung bezeugt Jesus leibhaftig, dass der Tod besiegt ist – bis in alle Ewigkeit. Er nimmt dem Tod das letzte Wort. Unser Alltag ist oft von anderen Haltungen geprägt: Wo wir uns so für das Diesseits abmühen, soll es auch noch ein Jenseits geben? Auch hier nimmt Jesus Bedenken und Umwege in Kauf. Passt sich unserem Tempo an. Er ist kein autoritärer Herrscher, sondern gibt uns die Möglichkeit, ihm aus freien Stücken unser Vertrauen zu schenken. Nur annehmen müssen wir das Angebot selbst.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie gehe ich mit Widerstand um? Habe ich den Mut dahinter zu schauen und mich auf mein Gegenüber einzulassen, um es miteinander anzugehen?
2. Der Tod gehört zum Leben, die Auferstehung auch? Was nährt meine Hoffnung und lässt mich auf Gottes Zusagen vertrauen?
18. Sonntag im Jahreskreis (B), 01.08.2021, Joh 6,24-35, Hinführung
Angelika Stegmayr, Leiterin Katholisches Bildungswerk Tirol
Fake news - „absichtlich verbreitete Falschmeldungen" sind aktueller denn je. Egal ob Covid 19 Impfung, Verbrechen, Politik oder Prominente, das Spektrum ist breit gefächert. Was ist wahr? Welche Meldung ist richtig? Wem glaube ich? Fragen, die hier unumgänglich sind.
Auch die Menschen, die Jesus zu Beginn des Evangeliums aufsuchen, haben so einiges von ihm gehört. Geheilte, die Frau am Jakobsbrunnen, die Gesättigten nach der Brotvermehrung, sie alle haben ihnen von Jesus erzählt. So haben auch sie sich auf den Weg gemacht. Sicherlich war hier auch die ein oder andere Übertreibung mit im Spiel. Jetzt stehen viele Erwartungen und Hoffnungen im Raum. Wer ist er? Kann man ihm glauben? Erfüllt er meine Sehnsüchte? Jesus macht sehr schnell klar: Er ist nicht der Erfüller aller Begierden, bei ihm geht es um mehr. Es ist die Einladung tiefer zu schürfen. Alles auf eine Karte zu setzen: Glaube und Hoffnung zu wagen.
Es ist eine Herausforderung, die sich auch uns stellt. Jedes Mal, wenn man den Postkasten öffnet, fallen haufenweise Prospekte heraus. Öffnet man das Internet, ist nicht viel anders. Werbung an den Seiten, zwischen Artikeln, im Email. Orientierungslosigkeit und Verwirrung sind also kein Wunder. So sind wir den Menschen dieser biblischen Erzählung ähnlicher als vermutet. Jesu Worte gelten auch uns. Er macht uns ein Angebot. Das Angebot unseres Lebens. „Ich bin das Brot des Lebens" (Joh 6,35). Es geht um mehr als das körperliche Stattwerden, es ist die Antwort auf die Sehnsucht nach Leben. Er ist kein Frühstücksbrot oder Snack für Zwischendurch. Von ihm können wir zu Recht alles erwarten. Tausche fake news gegen Evangelium im wahrsten Sinne des Wortes: die frohe Botschaft.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was lässt mich glauben? Welche Menschen und welche Momente kommen mir in den Sinn, wenn ich auf meinen Lebens- und Glaubensweg blicke?
2. Was brauche ich wirklich? Wofür setze ich meine Zeit und meine Kraft ein?
3. Wie geht es mir mit meinem inneren Kompass? Spüre ich die Kraft der frohen Botschaft auch in meinem Alltag?
17. Sonntag im Jahreskreis (B), 25.07.2021, Joh 6,1-15, Hinführung
Markus St. Bugnyár, Rektor des Hospiz in Jerusalem
Berge sind göttlich. Das wissen Tiroler besser als andere. In den Bergen sind wir der Schöpfung nah und damit auch dem Schöpfer. Im Glaubensbekenntnis sprechen wir: „Wir glauben an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde." Also können wir in und durch die Schöpfung den Vater erkennen, der sich in ihr zeigt und sie uns geschenkt hat.
In den Bergen sind wir dem Himmel ganz, jedenfalls näher als im Tal. Von alters her haben die Menschen auf Bergen den Kontakt zu den Göttern gesucht; zu den guten Göttern jedenfalls, denn nur die bösen Götter wandelten unter der Erde oder in den Tiefen der Meere. Einen Berg, einen Aufstieg baute man dann auch in Kirchen und Kapellen symbolisch nach; durch die Stufen, die von der Ebene zum Altar hinaufführen. Von einem Hochalter sprach man nicht nur wegen seiner Höhe, sondern weil er zum Höchsten führen und wir zu ihm hinaufsteigen sollen.
Dieses Hinaufsteigen ist ein körperliches Wandern und Klettern, aber auch ein geistlich-moralisches Über-sich-Hinauswachsen; ein besserer Mensch zu werden als der, der ich gestern noch war. Das alles bringt das Wort vom Berg in Erinnerung. Alle wichtigen Schlüsselszenen in der Geschichte Gottes mit seinem Volk handeln auf Bergen. Die Niederungen des Lebens sollen wir abstreifen. Hinauf himmelwärts erhebet die Herzen und den Sinn.
Wer zu Jesus kommt, leidet keinen Hunger, spürt keinen Mangel. Wer zu Jesus kommt, hat das Leben in Fülle. Und das ganz im Ernst. Er ist dem Himmel ganz nah.
Ich bin dafür, dass wir das Evangelium genauso verstehen sollten, wie es dasteht; keine symbolischen Interpretationen. Denn: Warum sollte der, der die Welt und den Kosmos und das Universum geschaffen hat (und das glauben wir gern bereitwillig im Credo), nicht auch in der Lage sein, ein paar Brotfladen entstehen zu lassen (was manchem als Wunder zu unwirklich scheint)?
Fragen zum Weiterdenken:
1. Trauen Sie Jesus zu, dass er in Ihrem Leben aufscheinen kann? Trauen Sie Gott zu, dass er Antworten für Sie ganz konkret liefern kann? Lautet Ihre Antwort: Nein; warum wundern Sie sich dann, dass er sich Ihnen nicht zeigt?
2. Jesus nährt die Menschen. Aus ganz wenig wird ganz viel. Wer teilt, hat mehr vom Leben. Erinnern Sie sich an die arme Witwe, die zwei kleine Münzen spendete und dabei viel mehr gab als der Reiche in seinem Überfluss. Mit wem können Sie das Wertvollste -Nähe und Zeit teilen?
16. Sonntag im Jahreskreis (B), 18.07.2021, Mk 6,30-34, Hinführung
Markus St. Bugnyár, Rektor des Hospiz in Jerusalem
Sie kommen zurück; die Apostel Jesu nach getaner Arbeit. Und erstatten Bericht. Offenbar war der Herr mit ihnen und ihrem Werk zufrieden, denn er lädt sie ein, ein wenig zu chillen -wie wir heute sagen. In Ruhe und Beschaulichkeit, an einem Ort, an dem sie allein sein können.
Wir können uns das heute nur noch schwer vorstellen; dass unsere Kirchen so überfüllt sind, unsere Priester so umringt, dass ihnen die schiere Zahl der Antwortsuchenden schon zu viel werden könnte. Die Apostel fanden, so erfahren wir, kaum Zeit zum Essen. Heute haben wir manchmal eher den Eindruck, dass die vielen Essenseinladungen uns erdrücken und nicht die Last der Arbeit im, wie es so schön heißt, Weinberg des Herrn.
Es hilft aber nichts; man sieht sie abfahren und schon eilt die Menge Jesus und den Aposteln hinterher. Des Rätsels Lösung finden wir am Ende des Textes. Die Menschen sind allein, verwirrt, ohne Hirten, ohne Anführer, ohne Fürsten und Politiker, denen sie vertrauen können. Allzu oft hatten sie die Erfahrung gemacht, dass die oberen Zehntausend lieber ihrem eigenen Fortbestehen verpflichtet sind als den Sorgen und Nöten der Vielen.
Das Phänomen ist also nicht neu und gibt es in Wahrheit zu jeder Zeit. Menschen, die korrupt sind und jene, die ausreichend vermögend oder bestens vernetzt sind, um ein solches System für sich zu nutzen. Die anderen sind zwar in der Mehrheit, aber wie Schafe, die keinen Hirten haben: Niemanden, der es ernst mit ihnen meint. Heute wie damals, zu oft in dieser Welt.
Jesus sieht sie an, blickt auf jeden einzelnen, und erblickt die Leere, das Misstrauen, aus der gleichzeitig die Sehnsucht nach einem wahren Hirten aufblitzt. „Und er lehrte sie lange." Vielleicht wie sie selbständiger sein können in ihrem Leben; eigenständiger in ihrem Denken. Im Gegensatz zu anderen führt Jesus uns nicht am Gängelband. Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Gehorsam nur der Stimme Gottes in unserem Gewissen.
Wie die jüdische Philosophin Hannah Arend einmal sagte: „Keiner hat das Recht zu gehorchen." Sie meinte die falschen Hirten und Anführer. Selber denken, sein Gewissen bilden.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Jesus hatte Mitleid. Das lateinische Wort lautet misericordia; wörlich: ein Herz haben für die Armen. Habe ich ein Herz für die Armen, lindere ich Not oder schaue ich weg, wenn andere mich brauchen? Jesus wendet den Blick nicht ab; von niemandem.
2. Ein Christ hat Verantwortung für die Gesellschaft, in der er lebt. Lebe ich sie? Oder hänge ich meine Fahne in den Wind, richtet sich meine Meinung ungeprüft nach der Mehrheit?
15. Sonntag im Jahreskreis (B), 11.07.2021, Mk 6,7-13, Hinführung
Markus St. Bugnyár, Rektor des Hospiz in Jerusalem
Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei; so lesen wir ganz am Anfang der Bibel, im Buch Genesis. Eine alte Weisheit, die auch griechische Philosophen beschäftigt. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Uns drängt es nach Gemeinschaft, nach Zweisamkeit. Gerade in Pandemiezeiten spüren wir das am ganzen Leib.
Jesus weiß das, und schickt seine Jünger zu zweit aus. Auf den gefährlichen Landwegen vermutlich auch aus Sicherheitsgründen. Die Jünger können so einander ergänzen, einander beistehen. Und vielleicht ist da noch ein weiterer Gedanke: Vor Gericht mussten nämlich immer zwei Zeugen auftreten, damit eine Aussage an Gewicht gewann.
Die Ausstattung der Jünger ist interessant. Sie ist ein gezielter Auftrag Jesu. Denn wer kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd dabeihat, ist auf Gedeih und Verderb der Güte der Anderen ausgeliefert oder aber auf seiner Hände Arbeit angewiesen. Derlei bewahrt effektiv vor Übermut. Nichts sollte dem Verkünden hinderlich im Wege stehen.
Was sie dabeihaben durften, ist nicht minder aufschlussreich. Einen Wanderstab und an den Füßen nur Sandalen; also einfaches, leichtes Schuhwerk, für die Ebenen des Heiligen Landes auch ausreichend. Aber vielleicht war man zur Jesu auch weniger zimperlich. Einen Stecken aber braucht es ohne Widerspruch. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein traf man auf Schakale und wilde Tiere, gleich links hinter der zweiten Biegung vor dem Stadttor Jerusalems. Diese Gefahr war allgegenwärtig.
Menschen, die euch aufnehmen, bei denen bleibt; den anderen lasst sogar noch den Staub ihrer Straßen zurück. Aus diesen Zeilen spricht Eile. In kurzer Zeit möglichst viele Menschen zu erreichen. Wer nicht will, soll selber sehen, wo er bleibt.
Das Reich Gottes steht vor der Tür. Jesus klopft an die Tür. Wer wird ihm öffnen?
Fragen zum Weiterdenken:
1. Zum Auftrag der Jünger gehört es, Kranke zu salben und Dämonen auszutreiben; damals ein Bild für „teuflische" Krankheiten, die man nicht so schnell loswurde. Der Auftrag gilt auch heute. Besuchen Sie Ihre kranken und einsamen Angehörigen und Freunde? Haben Sie ein kräftigendes Wort für sie? Die Salbung können Sie, wenn Sie nicht Priester sind, auch durch eine Flasche guten Weines ersetzen.
2. Zeit ist kostbar. Nehmen Sie sich die Zeit für ein gutes Gespräch oder fürs Zuhören, Dableiben und Ausharren! Morgen schon kann das Leben anders sein oder Jesus an die Tür klopfen, der uns fragt, wie wir unser Christsein gestaltet haben.
14. Sonntag im Jahreskreis (B), 04.07.2021, Mk 6,1b-6, Hinführung
Markus St. Bugnyár, Rektor des Hospiz in Jerusalem
In den ersten drei Sätzen des Evangeliums ist schon alles gesagt, die Szene im Grunde fertig erzählt. Jesus in seiner Heimatstadt, tritt am Sabbat in der Synagoge auf, die Menschen sind erstaunt. Alles, was wir danach hören, ist nur noch Erläutern und Erklären.
Interessanterweise hat Jesus, das wissen wir aus anderen Stellen, gleich zwei Heimatstädte; seinen Familiensitz in Nazareth und seine Wahlheimat in Kafarnaum am See Genezareth. Hier fand er mehr Anklang, mehr Resonanz, hier fand er seine ersten Jünger. Im Gegensatz dazu konnte er in Nazareth, so erfahren wir, keine Wunder tun; „nur einigen Kranken legte er die Hände auf."
Das hat wohl damit zu tun, dass die Einwohner der Stadt Jesus kennen; fast möchte man sagen, zu gut kennen. Sie kennen seine Familie, seine Verwandten, sie kennen ihn von Kindesbeinen an, wissen, wo er hingehört, und deshalb wissen sie auch, wie er einzuordnen ist, in welche Schublade er gehört. Seine Lehre in der Synagoge empfinden sie als anmaßend. Nicht weil er nichts zu sagen hätte, sondern weil er den Bogen seiner Herkunft zu überspannen scheint.
Niemand bezweifelt, dass er sehr wohl etwas Wichtiges zu sagen hat. Der Inhalt seiner Rede ist es ja, der sie aufregt. Hätte er Nichtssagendes gepredigt, hätten sie ihn ausgelacht und gemeint: Eh klar, wie sollte er auch gescheiter sein, bei dem Stall, aus dem er kommt. (Man beachte das Wortspiel, die Doppeldeutigkeit der Redewendung, die angesichts seines Geburtsstalles in Betlehem eine neue Brisanz bekommt.)
Weil diese Stelle immer wieder die forschenden Gemüter erregt: Wenn man zur Zeit Jesu im alten Griechisch von Bruder und Schwester sprach, konnten damit auch Cousins und Cousinen gemeint sein. Einen Beweis für richtige Blutsgeschwister liefert der Text nicht; auch wenn es manche nur allzu gerne sehen würden.
Jesus, so heißt es, wundert sich über ihren Unglauben. Hätte er es nicht schon im Vorfeld besser wissen müssen? Vermutlich schon, denn bis heute haben sich diese Mechanismen des zwischenmenschlichen Lebens kaum verändert. Auch wir könnten manches schon vorher besser wissen, und doch wollen wir Menschen, die wir lieben, immer eine Chance geben, sich zu besinnen und einen Irrweg, einen Fehltritt, einzusehen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Meinen Sie womöglich, unsere Mitmenschen zu kennen und schubladisieren so gern und nachhaltig, dass kaum jemand eine Chance hat, in unserer Achtung wieder aufzusteigen?
2. „Leben nicht seine Angehörigen unter uns?" Wie werden Sie zu einem Familienmitglied Jesu, zu jemandem, der zu ihm gehört?
13. Sonntag im Jahreskreis (B), 27.06.2021, Mk 5,21-43, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Wer sich auf Spurensuche nach Frauen im Markusevangelium begibt, wird im vorliegenden Sonntagsevangelium doppelt fündig. Das Geschick eines zwölfjährigen Mädchens, Tochter des Synagogenvorstehers Jairus sowie einer namenlosen Frau stehen im Zentrum des Evangeliums. Die zwei Begebenheiten werden hier nicht einfach nacheinander erzählt, sondern sind ineinander verschachtelt. Es beginnt mit dem Hilferuf des Synagogenvorstehers Jairus an Jesus: Die Tochter liegt im Sterben. (Mk 5,21-24) Auf dem Weg zu seinem Haus begegnet Jesus einer blutflüssigen Frau, die in Berührung mit ihm von ihrem chronischen Leiden geheilt wird (Mk 5,25-34). Das Gespräch zwischen ihr und Jesus wird von der Todesnachricht des Mädchens unterbrochen. Ungeachtet dessen begibt sich Jesus dennoch ins Haus des Jairus und ruft das Mädchen ins Leben zurück. (Mk 5,35-43)
Die beiden Erzählungen weisen mehrere Gemeinsamkeiten auf:
1. Die Dramatik der Situation: Ein Mädchen, mit 12 Jahren an der Schwelle zur erwachsenen Frau liegt im Sterben. Eine kranke Frau hat ihr gesamtes Vermögen mit erfolglosen Therapien aufgebraucht. Der 12 Jahre andauernde Blutfluss und die dadurch bedingte Unreinheit (Lev 15,19f) zwingen sie in ein Leben in Einsamkeit. Sie ist vom sozialen Tod bedroht.
2. Der Glaube an die heilende Kraft Jesu: Jairus ist überzeugt, dass Jesus seine Tochter heilen bzw. von den Toten auferwecken kann. Die blutflüssige Frau wagt sich aus der verordneten Isolation heraus in die drängende Menschenmenge und setzt ihre Hoffnung auf den Kontakt mit Jesus.
3. Heilung erfolgt durch Berührung: Vom wem die Initiative ausgeht, ist jeweils unterschiedlich. Einmal ist es die kranke Frau, die durch ihre bewusste und absichtliche Berührung des Gewandes Jesu heilende Kräfte aktiviert. Jesus spürt das (Mk 5,30) und bekräftigt das Geschehene durch sein Wort: Du sollst von deinem Leiden geheilt sein (Mk, 5,34) Durch die Heilung wird die Frau wieder rein und Teil der Gesellschaft. In der anderen Erzählung fasst Jesus das Mädchen an der Hand und sagte zu ihm: „Talita Kum, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!" Sein Wort zeigt Wirkung: Sofort stand das Mädchen auf und ging umher.
„Damit sie am Leben bleibt" – damit begründet Jairus seinen Appell an Jesus (Mk 5,23). Mit diesem Vers könnte man das rettende Eingreifen Jesu in beiden Erzählungen überschreiben. Sowohl das Mädchen als auch die Frau werden von ihm - in unterschiedlichem Sinn - zurück ins Leben geholt. Dass er dabei religiöse Tabus wie die jüdischen Reinheitsgesetze bricht, kümmert ihn nicht.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welche der beiden Erzählungen berührt Sie mehr und warum? Gibt es Anknüpfungspunkte oder ähnliche Erfahrungen aus dem eigenen Leben?
2. „Damit sie/er am Leben bleibt" – wo sehen Sie Leben und Lebendigkeit konkret bedroht? Wo geschieht Ausgrenzung? Fallen Ihnen Menschen ein, die davon betroffen sind? Wer könnte sie aufrichten?
12. Sonntag im Jahreskreis (B), 20.06.2021, Mk 4,35-41, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Im Anschluss an die Verkündigung Jesu über das Reich Gottes (Mk 4,1-34) folgt beim Evangelisten Markus ein Paket mit 3 bzw. 4 Wundererzählungen (Mk 4,35-5,43). Das Evangelium vom 12. Sonntag im Jahreskreis „Der Sturm auf dem See" ist die erste davon. Jesus schlägt den Jüngern eine Bootsfahrt ans andere Ufer vor. Während er schläft, entsteht durch Starkwind und hohen Wellengang eine lebensbedrohliche Situation für die Bootsfahrer, sodass die Jünger den schlafenden Jesus wecken. Dieser reagiert prompt, spricht ein Machtwort und die Lage beruhigt sich augenblicklich.
Aber was ist das bloß für eine Geschichte? Eine spektakuläre Selbstinszenierung Jesu als Herr über Wind und Wetter, bei der seine Jünger wie die größten Angsthasen erscheinen, denen mangelnder Glaube attestiert wird?
Natürlich ist die Stillung eines Seesturms eine beeindruckende Sache. Derartige Naturwunder werden in der jüdischen Tradition nicht nur von Jesus erzählt. Gott selber ist es, der z.B. in der Jonageschichte (Jona 1, 3-15) als Herr über Wind und Meer schrieben wird, auch im Talmud gibt es ähnliche Motive. Für das jüdische Volk ist es also durchaus vorstellbar, dass durch Gottes Eingreifen der wildeste Sturm zur Ruhe gebracht wird. Die Frage der Jünger „Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen? (Mk 4,41) bleibt zwar im Evangelium an dieser Stelle unbeantwortet, vielleicht aber ahnen sie auch hier, dass Jesus „mit Gottes Vollmacht" am Werk ist.
Ist Angst ein Zeichen für schwachen oder fehlenden Glauben? Haben die Jünger spirituell versagt und sollten sich eigentlich schämen? Genau genommen tun sie in dieser lebensbedrohlichen Situation das einzig Richtige: Sie wenden sich an Jesus („Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? - Mk 4,38) und sie erfahren, dass er rettend eingreift und die Gefahr für ihr Leben abwendet. Auch Jesus wendet sich in seiner Angst an Gott. Er spürt die Gefahr für sein Leben, wenn er am Ölberg bittet: „Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen" (Mk 14,36), am Kreuz schreit er sogar laut sein Gefühl der Gottverlassenheit heraus (Mk 15,35). Wir kennen die Reaktion Gottes: Er rettet das Leben Jesu, indem er ihn auferweckt. Er zeigt, dass für alle Menschen diese Tür aufgeht, die über das irdische Leben hinausreicht.
Die ersten Christengemeinden haben Verfolgung erlebt und auch heute können an manchen Orten Menschen ihren christlichen Glauben nur unter Lebensgefahr ausüben. Im Bild gesprochen wird es für sie erst richtig stürmisch, weil Jesus in ihrem Leben mit an Bord ist. Ihr Glaube und ihre Zuversicht, dass sie die rettende Zuwendung Gottes in dieser Welt oder darüber hinaus erfahren, sind stärker als die Angst. Die Frage stellt sich für uns vielleicht nicht in dieser Radikalität aber dennoch: Was ist stärker, wenn es im Leben stürmisch zugeht: Die Angst oder die Zuversicht, die darin begründet ist, dass Jesus mit uns im selben Boot ist und das Leben letztlich in Gottes rettenden Händen liegt?
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welche Ängste nehmen sie in Ihrem Umfeld wahr? Was macht Ihnen Angst? Wo/mit wem können Sie darüber sprechen? Welche Rolle spielt dabei das Gebet?
2. Wo werden gegenwärtig ChristInnen konkret benachteiligt und verfolgt? Was kann man tun, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen oder sich für sie einzusetzen?
Herz Jesu Sonntag, 13.06.2021, Mk 4,26-34, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
Garteln ist in! Selbst am Balkon oder sogar auf der Fensterbank kann man Kräuter, Blumen und Gemüse ziehen und die Faszination erleben, wie aus einem Samen etwas wächst, das man ernten kann oder das einfach nur das Auge erfreut. Auch wenn man durch gute Erde, ausreichend Licht, Feuchtigkeit und Wärme gute Voraussetzungen für das Wachstum bereitet, so bleibt der Wachstumsvorgang selber letztlich doch irgendwie staunenswert und geheimnisvoll. Wer diese Erfahrung des Gartelns kennt, versteht sofort die Bilder der Gleichnisse aus dem Sonntagsevangelium. Bleibt die spannende Aufgabe, sie zu entschlüsseln um zu verstehen, was Jesus sagen möchte.
Im Zentrum der Verkündigung Jesu steht das nahegekommene Reich Gottes (vgl. Mk 1,15). Es ist nicht zeitlich oder örtlich definiert, sondern es ereignet sich. Es wird sichtbar in den Taten und Worten Jesu. Damit das Reich Gottes wachsen kann ist es notwendig, dass der Funke überspringt auf andere Menschen, die das Wort Jesu aufnehmen und ihm Raum geben. Davon erzählen das Gleichnis vom Sämann und die Deutung dazu (vgl. Mk 4,1-20), die Jesus seinen Jüngern gibt: Der Sämann ist Jesus, der Same ist das Wort, also seine Verkündigung und die Menschen mit ihrer unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit bzw. Aufnahmebereitschaft bilden den Ackerboden dafür. Wo der Same auf guten Boden fällt, sind Wachstum und reiche Ernte möglich.
Zurück zum Sonntagsevangelium: Wenn in der Botschaft Jesu der Same zum Reich Gottes grundgelegt ist, dann wird diese Saat überall dort aufgehen, wo Menschen versuchen zu leben, was sie davon verstanden haben. (Mk 4,33) Die Beobachtung, dass selbst aus dem kleinen Senfkorn eine große Staude wächst, kann uns zuversichtlich stimmen: Aus einer kleinen Initiative kann eine gesellschaftliche Bewegung entstehen. Das rechte Wort zur rechten Zeit kann „fruchten" und dem Leben eines Menschen die entscheidende Wende geben. Aus einer kleinen Geste der Zuwendung kann eine lebenslange Freundschaft entstehen. Beispiele dafür gibt es genug.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Das Wort ist ausgesät! – Welches Schriftwort hat sich in Ihnen „eingenistet"? Wie zeigt sich das in Ihrem Leben?
2. Was wächst zurzeit in Ihrem Leben? In der Weggemeinschaft/in der Pfarrgemeinde? Was wächst in unserer Gesellschaft? Was davon „riecht" nach Reich Gottes? Was nicht?
3. Ersetzen Sie gedanklich die Vater-Unser-Bitte „Dein Reich komme!" durch „Dein Reich wachse". Sehen Sie einen Unterschied?
10. Sonntag im Jahreskreis (B), 06.06.2021, Mk 3,20-35, Hinführung
Gudrun Guerrini, Bibelreferentin
In den kommenden Wochen ist das Sonntagsevangelium jeweils dem ersten Hauptteil des Markusevangeliums (Mk 1,14-8,26) entnommen. Dieser Abschnitt wird auch als „Galiläischer Frühling" bezeichnet. Frühling signalisiert Neubeginn und Wachstum. Die Verkündigung Jesu findet im ländlichen Bereich Galiläas enormen Zulauf. Seine Botschaft vom nahegekommenen Reich Gottes (Mk 1,15) wird durch sein Wort und sein Tun konkret und fordert verschiedene Personengruppen heraus, sich zu positionieren und Stellung zu beziehen. Schnell wird sichtbar: An Jesus scheiden sich die Geister.
Im vorliegenden Textabschnitt vom 10. Sonntag im Jahreskreis richtet sich der Blick auf die Angehörigen Jesu (Mk 3,21; 31-35) und die Schriftgelehrten (Mk 3,22-29). Beide Personengruppen sind sich in ihrem Urteil über Jesus recht ähnlich: Er ist von Sinnen, meinen die Angehörigen und wollen ihn mit Gewalt zurückholen. Was treibt sie an? Die Sorge um Jesus? Die Scham über den „verrückten" Verwandten? Über ihre Motive erfahren wir nichts. Es kommt auch zu keiner direkten Begegnung zwischen Jesus und seiner Familie.
In den Augen der Schriftgelehrten ist Jesus von Beelzebul bzw. einem unreinen Geist besessen, mit dessen Hilfe er Dämonen austreibt. (Mk 3,22; 3,30) Bereits beim ersten Auftritt Jesu in der Synagoge von Kafarnaum wird von einer solchen Dämonenaustreibung berichtet (Mk 1,21-28). Der Dämon selber erkennt in Jesus einen mächtigen Gegenspieler „aus einem anderen Stall", er outet ihn als Heiligen Gottes, dem er schließlich klein beigeben muss. Diese Begebenheit unterstreicht die Argumente Jesu in seiner Verteidigungsrede. (Mk 3,23-27)
Weder die Familie noch die Schriftgelehrten erkennen, dass Jesus in der Kraft des Geistes Gottes redet und handelt. Ihnen gegenüber findet Jesus ungewöhnlich scharfe Worte:
• Wer den Heiligen Geist lästert, findet in Ewigkeit keine Vergebung. (Mk 3,29)
• Jesus relativiert die Verbindung zu seinen biologischen Verwandten. Welch ein Affront in einer Kultur, in der die Familie einen sehr hohen Stellenwert hat!
Bereits in den frühen christlichen Gemeinden machten Menschen die Erfahrung, dass das Bekenntnis zu Jesus und seiner Botschaft vom Reich Gottes Konflikte im Familienverband provoziert und sie in letzter Konsequenz von der jüdischen Tradition, der Synagogengemeinde trennt. Die Aussicht auf eine neue Gemeinschaft, die ähnlich wie eine Familie Sicherheit gibt und trägt, macht die Entscheidung für die Nachfolge Jesu leichter.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Unterschiede in Religion, Glaube, Weltanschauungen führen auch heute häufig zu Konflikten oder Brüchen in Familien und Freundeskreisen. Gibt es dazu eigene Erfahrungen? Welche Beobachtungen machen Sie dazu in der aktuellen gesellschaftlichen Situation?
2. Den Willen Gottes tun: Was hilft Ihnen, in den konkreten Herausforderungen des Lebens den Willen Gottes zu erspüren?
Dreifaltigkeitssonntag (B), 30.05.2021, Mt 28,16-20, Hinführung
Domini Markl SJ
Der Dreifaltigkeitssonntag blickt auf das Zentrum des christlichen Glaubens: Gott in drei Dimensionen menschlicher Wahrnehmung. Die Lesungen des Dreifaltigkeitssonntags präsentieren uns Schlüsseltexte für den Gottesglauben des Judentums und des Christentums.
Die erste Lesung aus dem Buch Deuteronomium ist in ihren geschichtlichen Zusammenhängen von revolutionärer Bedeutung. Mose tritt hier als Prophet auf, der zunächst die Leiden und Bekehrung Israels im Exil voraussieht (Dtn 4,25-31) und dann darauf abzielt, Israel müsse erkennen, dass sein Gott JHWH der einzige Gott des Universums sei, im Himmel und auf Erden, „keiner sonst!" (Dtn 4,32-40). Während alle Welt selbstverständlich von der Existenz Tausender Götter ausging, entstand auf dem Hintergrund des babylonischen Exils (6. Jh. v.Chr.) der Monotheismus Israels, der die Existenz der anderen Götter außer dem Einen ausdrücklich verneint (vgl. besonders auch Jesaja 45). Der springende Punkt ist, dass diese Erkenntnis erst auf dem Hintergrund der traumatischer Erfahrungen entsteht: der Zerstörung Jerusalems, des Tempels und des Königtums und der Zwangsdeportation des Volkes nach Babylonien. Wie ein Phönix aus der Asche ersteht nach der völligen Zerstörung der alten Religion und Gesellschaftsform eine neue, transformierte, vertiefte Religion.
Das Ende des Matthäusevangeliums zeigt eine vergleichbare Dynamik: Jesus war am Kreuz gestorben, was für die Jünger Angst, Depression und tiefste Infragestellung von allem bedeutete. Der Auferstandene versichert ihnen jedoch: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde!" Auf dem Hintergrund des völligen Zusammenbruchs auch falscher Träume begegnen die Jünger dem einen und einzigen Gott im Auferstandenen, der universal gegenwärtig ist, nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt." In diesem Rahmen der göttlichen Gegenwart des Christus erhalten die Jünger den Auftrag, bei „allen Völkern" die Lehre Christi zu verbreiten und zu taufen, „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Die Taufformel birgt eine Kondensierung des christlichen Gottesglaubens, auf den heute tatsächlich in aller Welt Menschen getauft sind.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Sowohl der jüdische Glaube an den einen Gott des Universums als auch der christliche Glaube an den dreieinen Gott sind auf dem Hintergrund traumatischer Erfahrungen ent-standen. Kenne ich eine schmerzvolle Erfahrung, die mir neue Aspekte des Lebens und des Glaubens eröffnet hat?
2. Der Auferstandene sendet die Jünger in alle Welt. Wo erfahre ich die globale Dimensi-on der christlichen Gemeinschaft? Wo bin ich gerufen, Jesu Lehre weiter zu vermitteln?
Pfingstsonntag (B), 23.05.2021, Joh 20,19-23, Hinführung
Domini Markl SJ
„Aus Furcht vor den Juden" saßen die Jünger hinter verschlossenen Türen. Bei diesen Worten könnten wir heutige Hörer*innen zusammenzucken. Verbreitet das Johannesevangelium Angst vor den Juden? Gehört es zu den Auslösern der langen und unsäglichen Geschichte der Verfolgung von Juden durch Christen? Jedenfalls blickt diese Aussage tief ins Herz der Jünger. Nach dem Schock, den der Tod ihres Lehrers ihnen versetzt hat, sind sie verschreckt, verängstigt. Das ist zunächst auch allzu verständlich. Trotz der verschlossenen Türen kann der Auferstandene in ihre Mitte kommen. Er spricht direkt das kranke Herz der Jünger an: „Friede sei mit euch!", sind seine ersten Worte, und mit ihnen zeigt er seine Seite und Hände, die seine eigenen, überwundenen Schmerzen und Ängste bezeugen. Nach den Schreckmomenten einer ausbleibenden Antwort wiederholt er, „Friede sei mit euch!" Angst braucht geduldige Zuwendung und Ermutigung.
„Schalom" meint mehr als „Friede" – umfassende Heilung, an Leib und Seele. Jesus belässt es nicht bei Worten. Er gibt seinen leiblichen Atem. Er haucht die Jünger an – so wie Gott bei der Schöpfung Lebensatem in die Nase des Menschen bläst (Genesis 2,7). Jesus vermittelt einen neuen Lebenshauch: „Empfangt heiligen Geist!" Der göttliche Lebenshauch durchdringt jede Faser des Menschen mit heiligem, göttlich energetisiertem Leben. Die Wirkungen dieses Geistes sind sanft, heilsam und stärkend, wie es die Pfingstsequenz entfaltet. Ein Spaziergang durch eine Wiese von Frühlingsblumen kann die sanfte Wirkung heiligen Geistes spüren lassen. Auch das Frühlingskonzert der Vogelstimmen, eine Schitour im Firn, ein inspirierendes Kunstwerk, oder ein Wiedersehen mit Freunden.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Jesus haucht mich an. Wie fühlt sich das an?
2. Nach welchen Wirkungen des göttlichen Lebenshauches sehne ich mich? Wo erlebe ich heiligen Geist gerade? Wie kann ich mich ihm weiter öffnen?
7. Sonntag der Osterzeit (B), 16.05.2021, Joh 17,6a.11b-19, Hinführung
Domini Markl SJ
Beim brennenden Dornbusch erhält Mose die Offenbarung des göttlichen Namens. Gott öffnet sich auf solch intime Weise, da er eine Lebensaufgabe für Mose hat – sein unterdrücktes Volk zu befreien. Die Offenbarung des göttlichen Namens und die Sendung zur Befreiung sind unmittelbar miteinander verbunden (Exodus 3). Nicht zufällig kommt Mose als Hirte zum Sinai. Wie er die Schafe seines Schwiegervaters gehütet hat, soll er in Zukunft auch sein Volk behüten und in die Freiheit, das versprochene Land begleiten.
Ein ganz ähnliches Cluster von Motiven begegnet in jenem großen Gebet, das Jesus an einem einschneidenden Moment seines Lebens spricht (Johannes 17): zum Abschluss seiner Abschiedsreden (Joh 14-17) und unmittelbar vor seinem Leiden (Joh 18-19). Jesus hat seinen Jüngern einen göttlichen Namen offenbart. Er hat sie wie ein Hirte bewahrt und behütet. Jesus selbst wurde gesandt, und auch er sendet seine Jünger.
Während die Berufung des Mose am Anfang der großen Erzählung seines Lebensauftrags steht, formuliert Jesus sein Gebet am Ende seines Lebens. Zu Beginn und am Ende großer Lebensabschnitte kann Entscheidendes in Worte gefasst werden, vorausblickend oder im Rückblick. Die Abschiedsreden Jesu sind jedoch – ähnlich wie Moses Abschiedsreden im Buch Deuteronomium – nicht nur Rückblick, sondern auch bleibendes Vermächtnis für die Hörer seiner Botschaft. „Bewahre sie in deinem Namen", bittet Jesus, „damit sie eins sind wie wir." Mose hatte gesagt: „Höre, Israel! JHWH, unser Gott, JHWH ist Einer" (Deuteronomium 6,4). So wie Gottes Einzigkeit Israel in „unserem Gott" als Wir verbindet, so wird auch die Einheit Jesu mit Gott zum vereinenden Raum der an Jesus Glaubenden.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Welchen Namen Gottes hat Jesus offenbart? Wie vereint uns dieser Name als Glau-bende?
2. Welchen göttlichen Namen hat Gott mir ins Herz gelegt? Welche Lebensaufgabe ist für mich damit verbunden?
6. Sonntag der Osterzeit (B), 09.05.2021, Joh 15,9-17, Hinführung
Domini Markl SJ
Einmal jene Innbrücke überquert, die der Stadt ihren Namen verleiht, kommst du in einen kleinen Park, in dessen Konglomerat von betagten Monumenten und belebten Spielplätzen vor allem eine Discokugel von beträchtlicher Größe meine Aufmerksamkeit auf sich zog, die über dem Giebel einer Art Schrebergartenschuppen schwebt und sich dreht. Sie bildet das O des Schriftzugs LOVE FIRST. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der Schuppen als Bar namens „Vogelweide", nach dem eponymen Walther. Dessen Monument fand ich erst im Zuge meiner einschlägigen Recherchen unweit der Bar. Der Basketballkorb hinter Walther – und die hineinzuwerfenden Bälle – hatten mich bis dahin von ihm abgelenkt. Nicht von ungefähr nennt sich die Bar nach dem Dichter. Sie versteht sich als „Energietankstelle für Stadtbenützer*innen ohne Konsumzwang", als ein Ort der Kultur und Poesie. Karussellfahrende Kinder, basketballspielende Jugendliche und andere schwindlige Gestalten haben hier das Gefühl, leben zu dürfen.
„Bleibt in meiner Liebe": mit dieser Einladung stellt Jesus seine Liebe als Raum vor, in der man wohnen, leben und bleiben kann. Sie ist eine Art Vogelweide: wie jener große Baum, gewachsen aus dem kleinsten aller Samen, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels nisten. Sie ist Spielplatz und Freiheitsraum, ein Paradiesgarten. Im Schatten des Apfelbaumes lebt das biblische Liebesspiel (Hoheslied 2,3; 8,5) und in den Weingärten (Hld 1,14; 2,15; 7,13). Mit dem Wein als Urbild des nuancenreichen Bouquets der Liebe eröffnet die weibliche Stimme das Hohelied: „Er küsse mich mit Küssen seines Mundes, denn besser schmecken deine Zärtlichkeiten als Wein." Nicht von ungefähr entwickelt Jesus seine Liebesrede aus dem Bild vom Weinstock.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Habe ich den Paradiesgarten der göttlichen Liebe schon gefunden? Möchte ich in ihm wohnen, leben, bleiben? Könnte ich ihn verlassen?
2. Welche Bäume, Früchte, Spielplätze und Monumente finde ich in diesem Garten? Welcher Musik und Poesie lausche ich dort?
5. Sonntag der Osterzeit (B), 02.05.2021, Joh 15,1-8, Hinführung
Domini Markl SJ
„Ich will singen von meinem Freund, das Lied meines Liebsten von seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe." So beginnt der Prophet Jesaja in klangvoller hebräischer Poesie sein Weinberglied (Jes 5,1-7). Gott erscheint als hart arbeitender, doch enttäuschter Winzer. „Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit edlen Reben. Er baute in seiner Mitte einen Turm und hieb zudem eine Kelter in ihm aus. Dann hoffte er, dass der Weinberg Trauben brächte, doch er brachte nur saure Beeren." Wie arbeitsintensiv der Weinbau sein muss, können wir uns vorstellen, wenn wir in Südtirol oder in der Wachau durch die Weinberge spazieren: bis all die Steinmäuerchen gebaut sind, der Boden gereinigt, die Weinstöcke gepflanzt und großgezogen. Groß ist die Freude, wenn all die Mühe einen edlen Tropfen hervorbringt. Groß die Enttäuschung, wenn nichts daraus wird. Im Folgenden erklärt Jesaja, dieses Bild stehe für Gottes Mühe für sein Volk und seine Enttäuschung über die schlechten Früchte.
Jesajas Bild von Gott als Winzer greift Jesus in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums auf. Auch hier arbeitet Gott sorgfältig, er beschneidet jede einzelne Rebe. Auch hier geht es um das Gottesvolk und darum, welche Früchte es hervorbringt. Eine neue Sinnebene zieht Jesus ein, indem er sich selbst mit dem Weinstock identifiziert. Jesus ist der eine Stamm, der die vielen Zweige vereint. Obwohl das Bild eines Menschen als Weinstock recht eigentümlich und selten ist, findet es sich doch auch in den heiligen Schriften Jesu, in den Psalmen: „Deine Frau ist wie ein fruchtbarer Weinstock im Innern deines Hauses" (Ps 128,3). Der Weinstock ist also ein mütterliches Bild von Fruchtbarkeit und sprossendem Leben.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie erlebe ich innige Verbindung mit Jesus als Lebensquelle, die mich gute Früchte hervorbringen lässt?
2. Wenn Jesus, der Weinstock, göttliche Lebensenergie in mich fließen lässt, um prachtvolle Trauben reifen zu lassen – welche Geschmacksnoten wird der Wein meines Lebens für andere Menschen entfalten?
4. Sonntag der Osterzeit (B), 25.04.2021, Joh 10,11-18, Hinführung
Magdalena Hörmann-Prem, Pastoralassistentin
Im Evangelium dieses Sonntags beschreibt Jesus sein Selbstverständnis als „der gute Hirte". Es ist der zweite Teil einer längeren Rede über Jesu Verhältnis zu den „Schafen", zuerst anhand des Bilds der Tür (Verse 1-10), dann – im vorliegenden zweiten Abschnitt – anhand des Bilds vom guten Hirten (Verse 11-18).
Hirten waren in der Geschichte des Volkes Israel eine wichtige Personengruppe. Sie spielen eine zentrale Rolle in den ersten Geschichten der Bibel und wurden später als das Idealbild der Könige dargestellt. Da das Verhalten dieser Könige nicht immer gut war, werden diese „Hirten des Volkes" im Alten Testament auch von den Propheten kritisiert. Gott selbst gilt als der ideale „gute Hirte", an dem sich die Herrscher ein Beispiel nehmen sollen. Einerseits wird angesichts verschiedener Missstände betont, dass Gott selbst sein Volk wie ein guter Hirte sammeln wird, andererseits findet sich z.B. in Ezechiel 34,23 die Verheißung, dass Gott seinen Knecht David, der als Bild für den gerechten König schlechthin gilt, als guten Hirten zu seinem Volk senden wird. Die Vorstellung von Jesus als „der gute Hirte" knüpft an diese Traditionen an.
Inhaltlich lassen sich mehrere Themen im Text des Evangeliumsabschnitts erkennen: eine Deutung über Jesu Tod und Auferstehung, Beschreibungen der Beziehungsqualität zwischen Jesus und den Seinen sowie zwischen Jesus und dem Vater, ein Ausblick auf die Vergrößerung der Herde („noch andere Schafe").
Man geht davon aus, dass das Johannesevangelium zwischen 90 und 100 n. Chr. entstanden ist. Erfahrungen der Gläubigen der ersten Jahrzehnte des Christentums sind in den Text mit eingeflossen. Die Annahme des neuen Glaubens von „Heiden" war zu dieser Zeit schon Realität und wird als Aufnahme der „anderen Schafe" durch Jesu Worte untermauert. Die Beziehung zwischen Jesus und den Seinen wird anhand des Wortes „kennen" mit der Beziehung zwischen ihm und seinem Vater verglichen. Er „kennt" den Vater, und die Schafe sind diejenigen, die ihn „kennen". Darin zeigt sich eine große Nähe. Auch sein Tod und seine Auferstehung werden durch diese Beziehung begründet.
Die Osterereignisse werden letztlich als Umsetzung der Aufgabe eines Hirten gedeutet, der sich darum kümmert, dass die Schafe „das Leben haben" (vgl. Joh 10,10b).
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was bedeutet es für mich, wenn Jesus sich als „der gute Hirt" vorstellt?
2. Wie kann ich selbst als Christ/Christin für andere zu einem guten Hirten bzw. einer guten Hirtin werden?
3. Sonntag der Osterzeit (B), 18.04.2021, Lk 24,35-48, Hinführung
Magdalena Hörmann-Prem, Pastoralassistentin
Das Evangelium vom 3. Sonntag der Osterzeit schließt an die Erzählung der „Emmausjünger" (Lk 24,13-35) an, die in der katholischen Leseordnung jedes Jahr am Ostermontag im Gottesdienst gelesen wird. Zwischen diesen beiden Texten besteht ein großer innerer Zusammenhang.
Während „die beiden Jünger, die von Emmaus zurück gekehrt waren" den anderen von ihrer Begegnung mit dem auferstandenen Jesus erzählen, kommt Jesus auch hier mit seinem für die Ostererzählungen typischen Friedensgruß („Friede sei mit euch!") zu allen, die jetzt gemeinsam versammelt sind. Trotz der Vorbereitung durch die beiden „Emmaus-Jünger" können die anderen zuerst nicht glauben, dass Jesus wirklich da ist. Sie haben Angst und zweifeln.
Daraufhin ergreift Jesus selbst Initiative und lädt ein zum Anfassen und Begreifen, er zeigt seine (durchbohrten) Hände und Füße, er isst sogar. Das alles will „beweisen", dass die Berichte von der Auferstehung real, von Jesus ausgehend und keine bloßen Halluzinationen der ersten Gläubigen sind.
Das Essen im Besonderen erinnert an das Mahl der beiden Jünger in Emmaus, an die Szene, wo sie Jesus beim Brotbrechen erkennen (vgl. Lk 24,30-31). Auch kann eine Verbindung zum gemeinsamen „Herrenmahl", dem „Brechen des Brotes" hergestellt werden, zu dem sich bereits die ersten Gläubigen trafen um sich an Jesus zu erinnern, wie er es aufgetragen hatte (vgl. Lk 22,19; Apg 2,42). Somit „bezeugt" das Evangelium: Der auferstandene Jesus ist derselbe, der mit den Aposteln das Abendmahl gefeiert hat, und er ist derselbe, der auch in der nachösterlichen Mahlgemeinschaft der Christ*innen (heute: Eucharistie) in ihrer Mitte gegenwärtig ist.
Eine weitere Parallele zur Emmaus-Geschichte ist ein neues Verständnis der Heiligen Schrift (Gesetz des Mose, Propheten, Psalmen) in Bezug auf Jesus als den Messias/Christus. Es ist Jesus, der seinen Jünger*innen die Augen für dieses neue Verständnis öffnet. Diese haben dann den Auftrag, dafür Zeugnis abzulegen. Dieses Zeugnis hat das Ziel, viele Menschen vom Glauben an Jesus Christus zu über-zeugen.
Auch hier liegt – wie schon im Evangelium des vergangenen Sonntags – der Sinn des ganzen aufgeschriebenen Evangeliums überhaupt: Alles wurde aufgeschrieben um auf Zweifel zu antworten und Menschen zum Glauben zu bringen.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Gibt es besondere Situationen in meinem Leben, wo ich gespürt habe bzw. spüre, dass Jesus wirklich da war bzw. ist? Wenn ja, welche?
2. Was bedeutet es für mich, Zeuge/Zeugin des Glaubens zu sein?
2. Sonntag der Osterzeit (B), 11.04.2021, Joh 20,19-31, Hinführung
Magdalena Hörmann-Prem, Pastoralassistentin
Nachdem Maria von Magdala am Morgen des Tags der Auferstehung ihre Botschaft überbracht hat, gibt es eine Unterbrechung im Johannesevangelium. Der Bericht springt direkt zum Abend, wo die Jünger „aus Furcht" hinter verschlossenen Türen versammelt sind. Der Auferstandene kommt zu ihnen. Seine ersten Worte: „Friede sei mit euch!"
„Friede" war ein gängiger Gruß zur Zeit Jesu und ist es auch heute noch in semitischen Sprachen wie z.B. Hebräisch („Shalom") und Arabisch („Salam"). Mit diesem Gruß ist der Wunsch verbunden, dass es dem Gegenüber gut gehe, dass er/sie ein Leben in Frieden und in Fülle habe. Zudem ist der Friede ein zentrales Motiv in der Messiasverheißung des Alten Testaments (vgl. z.B. die Vision des endzeitlichen Friedensreichs in Jesaja 11, wo alle Lebewesen miteinander in Frieden leben). Jesus wird einmal mehr als Erfüllung dieser Friedenserwartung präsentiert.
Auffallend an der Begegnung zwischen Jesus und den Jüngern ist die durch und durch positive Wirkung des Auferstandenen auf seine Vertrauten. Während sich diese am Beginn fürchten und verschließen, wandelt der Gruß und Anblick Jesu ihre Furcht in Freude. Er sagt ein zweites Mal „Friede sei mit euch!", was die Bedeutung des Grußes betont. Dann geht er direkt zur Sendung über, die mit dem Anhauchen des Heiligen Geistes verbunden ist. Diese Geste erinnert an Gottes Anhauchen des Menschen bei der Schöpfung (vgl. Gen 2,7) und andere Stellen im Alten Testament, wo Gottes Geist als Lebensatem Leben schenkt. Jesus gibt sozusagen das Geschenk seines neuen Lebens auch an seine Jünger weiter. Außerdem werden sie dazu gesandt, sein Werk ab sofort mit der Kraft des Heiligen Geistes weiter zu führen: Vor seinem Tod hat Jesus viele Sünden vergeben, oft bevor er auch körperlich geheilt hat. Die Sündenvergebung steht in engem Zusammenhang mit der Botschaft des Friedens, da „Shalom" durch Zerwürfnisse zwischen Gott und Mensch gefährdet ist. Die Jünger sollen also diesen umfassenden Frieden wie Jesus in die Welt bringen.
Eine Woche später kommt Jesus wieder zu seinen Jüngern. Dieses Mal ist auch Thomas dabei, der zuvor den Berichten seiner Freunde nicht glauben konnte. Thomas will den unglaublichen Ereignissen auf den Grund gehen, er will genau prüfen. Jesus kommt abermals mit dem Gruß „Friede sei mit euch!" und bietet Thomas von sich aus genau das an, was dieser sehen und berühren will. Darauf folgt ein herausragendes Bekenntnis des Thomas', der Jesus als „Mein Herr und mein Gott!" anspricht. Wenn Jesus im Anschluss diejenigen selig preist, „die nicht sehen und doch glauben" ist das keine Abwertung der Haltung des Thomas', der es genau wissen will. Jesus begegnet schließlich auch ihm durchwegs positiv zugewandt. Diese Aussage zielt darauf ab, diejenigen zu überzeugen und zu ermutigen, die den auferstandenen Jesus nicht persönlich gesehen haben und doch zum Glauben gekommen sind und Anteil am neuen Leben haben – viele Menschen damals und auch uns heute. Das ist allgemein der Sinn des ganzen aufgeschriebenen Evangeliums.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wann, wo und wie habe ich in meinem Leben schon Erfahrungen eines tiefen Friedens (mit mir selbst, mit anderen, mit Gott) gemacht?
2. Welchen Inhalten des christlichen Glaubens möchte ich – ähnlich wie Thomas – ge-nauer auf den Grund gehen?
Ostersonntag (B), 04.04.2021, Joh 20,1-18, Hinführung
Magdalena Hörmann-Prem, Pastoralassistentin
Das Evangelium vom Ostersonntag erzählt die Ereignisse rund um das leere Grab in besonderer Weise im Blick auf Maria von Magdala. In allen vier Evangelien zählt Maria von Magdala zu den Frauen, die am Morgen nach dem Sabbat zum Grab Jesu gehen, im Johannesevangelium ist sie alleine unterwegs. Dadurch wird ihre zentrale Rolle bei der Verkündigung der Osterbotschaft hervorgehoben.
In den Versen 1+2 des Evangeliums wird berichtet, wie Maria von Magdala noch in den dunklen Morgenstunden zum Grab geht und sieht, dass der Grabstein verschwunden ist. Sie scheint erschrocken und glaubt, jemand hätte den Leichnam Jesu weggetan. Schnell informiert sie Petrus und den für das Johannesevangelium typischen „Jünger, den Jesus liebte". Alle drei zeichnen sich durch ein besonderes Näheverhältnis zu Jesus aus.
Die Verse 3-10 erzählen von einem „Wettlauf", den Petrus und der „Lieblingsjünger" zum Grab machen um sich selbst davon zu überzeugen, dass Maria von Magdala die Wahrheit gesagt hat. Bibelwissenschaftler sehen in dieser Szene eine Reflexion des Verhältnisses zwischen Petrus und dem „Lieblingsjünger". Der schnellere und vermutlich jüngere der beiden lässt Petrus beim Grab den Vortritt, wodurch Petrus eine gewisse Vorrangstellung eingeräumt wird. Demgegenüber ist der „Jünger, den Jesus liebte" der erste, der glaubt.
In den Versen 11-18 wird der Fokus erneut auf Maria von Magdala gelenkt, die ebenso wieder zum Grab gekommen ist. Im Gegensatz zu den beiden Männern bleibt sie dort. Zu ihrer ersten reflexartigen Reaktion auf das leere Grab kommt nun eine emotionale: Sie weint. In ihrer Trauer trifft sie zuerst auf zwei Engel, dann auf Jesus selbst, den sie aber nicht erkennt. Sein Aussehen muss sich wohl ein bisschen verändert haben. Vielleicht hat es aber auch damit zu tun, dass sie absolut nicht erwartet hat, ihn hier jetzt lebendig zu sehen. Bei beiden Begegnungen wird sie gefragt, warum sie weine. Jedes Mal äußert sie ihre Vermutung, Jesus wäre von jemandem weggetragen worden. Sie steckt offenbar in ihrem ersten Schock fest. Erst als Jesus sie mit ihrem Namen anspricht, erkennt sie ihn. Die Aufforderung, dass sie ihn nicht festhalten solle, legt nahe, dass sie Jesus umarmt, als sie erkennt, dass er lebt und tatsächlich vor ihr steht. Sie sieht und be-greift als Erste, dass Jesus auferstanden ist. Dann wird sie von Jesus zu den anderen geschickt um ihnen zu erzählen, dass Jesus Leben beim Vater weiter geht. Dadurch wird sie zur ersten Verkünderin der Osterbotschaft, zur „Apostelin der Apostel".
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wann, wo oder wie bin ich schon einmal wie Maria von Magdala „sehend" geworden? Was bedeutet Ostern für mich?
2. Wie kann ich anderen von meinen Erfahrungen mit dem auferstandenen Jesus bzw. von meinem Glauben erzählen?
Palmsonntag (B), 28.03.2021, Mk 11,1-10, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Mit dem Bericht vom Einzug Jesu in Jerusalem beginnt bei Markus der fünfte und letzte Teil seines Evangeliums, die Passionsgeschichte. Exegeten sagen, dass Markus eine ihm bekannte Quelle benutzt und sie direkt übernimmt. Das bedeutet: Sein Bericht ist frei von theologischen Deutungen und Zusätzen. Es ist ein sehr alter Text.
Eine Weissagung des Propheten Sacharja leuchtet hier auf: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Gerecht ist er und Rettung wurde ihm zuteil, demütig ist er und reitet auf einem Esel, ja auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin." (Sach 9,9)
Dass sich Jesus als König versteht, wird nur indirekt deutlich. Einerseits in den geschilderten Handlungen: Ein Fohlen, auf dem noch niemand geritten ist, ist einem Herrscher vorbehalten (vgl. Gen 49,11) und ausgebreitete Kleider sind Symbol der Begrüßung eines Königs (vgl. 2 Kön 9,13).
Andererseits ist im Markusevangelium hier und nur hier die Rede davon, dass Jesus sich selber als „Herr" bezeichnet.
Der Ruf „Hosanna" war den Zeitgenossen Jesu vertraut. Er wurde an den hohen Festen gesungen. Wörtlich übersetzt bedeutet er „Hilf doch!"
Der darauf folgende Satz stammt aus der Tempeltradition: Über jeden Pilger, der in den Tempel einzog, wurde dieses Segenswort gesprochen: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn." (Mk 11,9)
Erst dann folgt ein Wort, das „messianisch" verstanden werden kann. „Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt." (Mk 11,10) Es ist zu vermuten, dass dieses Wort ein nachösterliches Bekenntnis darstellt.
Zum Schluss noch eine geistliche Deutung: Das, was Jesus im Blick auf das Fohlen sagt, gilt für jeden Christen: „Bindet es los!" „Bringt es her!" „Der Herr braucht es." Jesus will diejenigen, die ihm folgen, von ihrer Verlorenheit losbinden. In seiner Gegenwart geschieht Heil und Heilung. Jesus braucht uns als Zeugen für sein befreiendes Handeln.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie will ich Jesus heuer willkommen heißen? Welche Kleider – symbolisch verstanden – breite ich für ihn aus?
2. Wo kann ich mithelfen, dass Menschen in meiner Umgebung ein Stück „Losbin-den" erfahren?
5. Fastensonntag (B), 21.03.2021, Joh 12,20-33, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Der Text des Evangeliums vom 5. Fastensonntag bildet beim Evangelisten Johannes den Abschluss des öffentlichen Wirkens Jesu. Mit dem darauffolgenden Kapitel beginnt der Bericht von Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen. Aber: Das „Kommende" wird in diesem „Abschluss" schon sichtbar und auch gedeutet: Im Wort vom Weizenkorn, im Ringen Jesu um seine Hingabe, in den Ereignissen rundherum (Stimme vom Himmel, Donner).
Das Evangelium ist ein „Übergangstext" – vom öffentlichen Wirken zur Passionsgeschichte. Ein Kennzeichen für diesen Übergang besteht auch in der Änderung der Zeitangabe. Bis zu diesem Abschluss war es so, dass die „Stunde noch nicht gekommen" ist. Jetzt ist die Stunde da.
Der Tod Jesu wird als Machtwechsel beschrieben. Der Herrscher dieser Welt wird hinausgeworfen. Jesus ist der, der alle zu sich ziehen wird. Er ist also der, der die Macht hat. Jesu Sterben verändert die Grundkoordinaten der Welt. Vor alles wird ein „Plus" gesetzt. Die Macht Gottes ist wieder aufgerichtet.
Das, was auf Jesus zukommt, wird gedeutet. Das Wort vom Weizenkorn ist eine komprimierte theologische Aussage: Jesu Sterben ist nicht ein fatales Versagen oder ein sinnloser Mord, sondern eine Hingabe, die fruchtbar wird für viele – so wie aus einem sterbenden Weizenkorn eine Fülle an Getreide hervorgeht.
Die reiche Frucht gilt jenen, die Jesus zuhören und die ihm folgen. Die Konsequenz für deren Leben ist klar beschrieben. Es um die Hingabe und Nachfolge. Und auch da wird es so sein: Wer sich als Weizenkorn versteht, bringt reiche Frucht.
Interessant ist die Bitte der Griechen, Jesus zu sehen. Die Grenzen sprengende Bedeutung des Todes Jesu wird hier schon erahnbar.
Unter „Griechen" sind Menschen zu verstehen, die andersgläubig waren und sich zum Judentum bekehrt haben. Der Weg führt von Philippus zu Andreas, dann von den beiden zu Jesus. Wer Jesus „erschließen" will, kann das nicht allein. Er braucht Gemeinschaft und ein Weitergeben von Herz zu Herz.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was bedeutet es für mich, dass Jesus die Macht hat? Wie zeigt sich das in meinem Leben?
2. Wie kann ich Weizenkorn sein für die Welt?
4. Fastensonntag (B), 14.03.2021, Joh 3,14-21, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Das Gespräch mit Nikodemus folgt im Johannesevangelium dem ersten Zeichen Jesu, das er bei der Hochzeit in Kana tut, und dem ersten Paschafest, an dem Jesus teilnimmt und bei dem es zur Tempelreinigung kommt. Johannes berichtet, dass bei beiden Ereignissen Menschen zum Glauben an Jesus kommen, auch aufgrund der Zeichen, die er tut. Diese Menschen sehen in Jesus ihre Hoffnungen erfüllt. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Fragen und Zweifel, und Vorbehalte. Wer ist dieser Jesus? Warum handelt er so? Welche Vollmacht hat er?
Der Evangelist Johannes berichtet sodann von zwei konkreten Menschen, die mit Fragen zu Jesus kommen. Es sind Nikodemus und die Frau am Jakobsbrunnen. Beide haben einen ganz unterschiedlichen Hintergrund: Nikodemus ist ein Bildungsbürger und Pharisäer, ein einflussreicher Mann vom Establishment, die Frau am Brunnen dagegen gehört zu den Außenseitern, als Samariterin und auch wegen ihrer Lebensgeschichte.
Man könnte auch sagen: Diese Menschen kommen stellvertretend zu Jesus: Stellvertretend für jene, die nicht so schnell zum Glauben kommen und die nach Antworten ringen und suchen. Und damit werden die beiden Personen zu Menschen unserer Zeit – in ihrer Unterschiedlichkeit, mit ihren Anfragen und Zweifeln, mit dem inneren Durst nach Wahrheit und Leben.
Der erste Teil des Gespräches zwischen Nikodemus und Jesus ist nicht Teil des Textes, der am Sonntag verkündet wird. Es geht darin um Taufe und Neugeburt. Der zweite Teil beginnt mit einem Bild, das den Menschen der damaligen Zeit gut vertraut war: Die erhöhte Schlange in der Wüste.
Mose schreit zu Gott um Hilfe, weil das Volk Israel von Giftschlangen heimgesucht wird. Und Gott rät Mose, eine kupferne Schlange zu bauen und sie auf einer Stange aufzuhängen. Alle, die die Schlange anschauen, werden gerettet und müssen nicht sterben.
Jesus überträgt dieses Bild auf sich selber. Jeder, der ihm folgt, entkommt dem tödlichen Biss von Schuld und Tod.
Und dann folgt ein „Kurzevangelium", eine Kurzzusammenfassung dessen, was Jesu Botschaft ausmacht. Gott liebt diese Welt so sehr, dass er seinen Sohn hingibt – für die Menschen und deren Heil. Dieser Sohn kommt nicht, um zu richten, sondern um zu retten. Johannes verwendet dabei die zentralen Bilder des Prologs und reflektiert sie theologisch.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Kann ich beim „inneren Gespräch" mit Jesus eine Antwort auf meine Lebensfragen finden?
2. Wie und wo gelingt es mir, die frohe Botschaft weiterzusagen?
3. Fastensonntag (B), 07.03.2021, Joh 2,13-25, Hinführung
Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral
Der Bericht von der Tempelreinigung ist Teil aller vier Evangelien. Während die Synoptiker (Matthäus, Markus, Lukas) die Szene in den Kontext von Leiden und Sterben Jesu setzen, stellt Johannes die Erzählung an den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu. In beiden Akzentuierungen bildet das Paschafest den „Aufhänger". Das bedeutet: Es geht ganz wesentlich um Sendung und Vollmacht Jesu, um die Bedeutung seiner Hingabe und Auferstehung.
Johannes gliedert seinen Bericht in zwei Teile. Zuerst geht es um die Vertreibung von Verkäufern und Geldwechslern, dann um den neuen Tempel im Leib Jesu. Während im ersten Teil die Würde des alten Tempels im Vordergrund steht, führt der zweite Teil weit darüber hinaus. Die „alte Kultstätte" verdichtet sich in das Opfer Jesu hinein. Der neue Tempel ist die Person Jesu.
Den Abschluss beider Teile bildet je ein „Erinnerungswort". Anlässlich der Reinigung des Tempels erinnern sich die Jünger an das Wort der Heiligen Schrift: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Und bei der Streitrede über Niederreißen und Wiederaufrichtung des Tempels in drei Tagen erinnern sich die Jünger an das Wort Jesu, dass er nach drei Tagen wieder auferstehen werde.
Interessant ist der Hinweis, dass zum Paschafest viele zum Glauben an Jesu Namen kommen. Sie sehen die Zeichen, die er tut. Das klingt wie ein Vorausklang an das österliche Pascha, bei dem viele – trotz äußerlichem Scheitern – zum Glauben kommen. Für sie wird Tod und Auferstehung Jesu zum Zeichen, das sie zum Glauben führt.
Besonders hinweisen möchte ich auf das Moment der „Erinnerung". Die Jünger erinnern sich an Worte (der Heiligen Schrift und Jesu), und diese Erinnerung öffnet ihnen die Augen. Die Schriftworte deuten das, was sie erleben.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Gibt es für mich ein Wort der Heiligen Schrift, das für mich zum Deutungswort im Leben geworden ist?
2. Welche „Zeichen" haben mich zum Glauben geführt?
2. Fastensonntag (B), 28.02.2021, Mk 9,2-10, Hinführung
Dr. Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
Am zweiten Fastensonntag hören wir das Evangelium – die Frohe Botschaft – von der Verklärung Jesu. Jesus wird vor den Augen seiner engsten Freunde verwandelt, seine Kleider werden strahlend weiß. So hatten sie ihn noch nie gesehen und wissen vor lauter Schreck nicht, was sie sagen sollen. Jedoch hören sie von einer unsichtbaren Stimme dieselben Worte wie bei der Taufe Jesu: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören." Bei seiner Taufe waren diese Worte sozusagen die Berufung Jesu. Jesus erkannte in ihnen seine Berufung, die Frohe Botschaft zu sein und zu verkünden und den Willen seines Vaters zu erfüllen. Mit diesen Worten der Berufung kann Jesus seinen Weg beginnen.
Im heutigen Evangelium hört Jesus dieselbe Stimme. Jetzt ist die Zeit vor seinem Weg nach Jerusalem, wo ihn einer seiner treuesten Freunde verraten und ausliefern wird. Jesus ist auf dem Weg dorthin, wo er seinen Vater anflehen wird, das Leid, seine Verurteilung und Hinrichtung an ihm vorüber gehen zu lassen. Die Erfahrung auf dem Berg, die bestätigende Stimme aus der Wolke gibt ihm Kraft auf diesem Weg und für diesen Weg. Die Erinnerung an das Geschehen bei seiner Taufe im Jordan, die Erinnerung an seine Berufung gibt ihm so viel Kraft, dass er später in der größten Not sagen kann: „Vater, nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe."
Fragen zum Weiterdenken:
1. Bei unserer Taufe ist von uns gesagt worden, dass wir geliebte Kinder Gottes sind. Wann habe ich erfahren dürfen, dass ich in Gottes Liebe geborgen sein darf?
2. Was gibt mir Kraft auf meinem Lebensweg?
3. Wer braucht meine Ermutigung und Stärkung?
1. Fastensonntag (B), 21.02.2021, Mk 1,12-15, Hinführung
Dr. Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
Die Wüste ist der Ort der Gottesbegegnung. Mose hörte die Stimme Gottes am brennenden Dornbusch in der Wüste, das Volk Israel zog 40 Jahre durch die Wüste, Johannes der Täufer lebte eine Zeitlang in der Wüste bevor am Jordan predigte und taufte. Auch Jesus bereitet sich auf sein öffentliches Wirken in der Wüste vor. Die Kargheit und die Einsamkeit der Wüste lenken den Blick auf das Wesentliche und damit weg von allem Unnötigen, das die Aufmerksamkeit ablenkt.
Gestärkt durch die Wüstenerfahrung kann Jesus die Frohe Botschaft Gottes, die in ihm Wirklichkeit und erfahrbar geworden ist, verkünden und dazu einladen, umzukehren und an die Frohe Botschaft zu glauben.
Umkehr heißt nicht, an den Anfang zurückzukehren, wieder dort anzufangen, wo man einmal war, sondern vielmehr, sich neu auszurichten. Denn jetzt, mit Jesus und in ihm, hat eine neue Zeit angefangen. Jesus zeigt uns einen neuen Weg, einen Weg der Beziehung untereinander und mit ihm. Nicht von ungefähr werden die ersten Christen in der Apostelgeschichte „Jünger des neuen Wegs" genannt.
Die Fastenzeit lädt zu einer Wüstenzeit ein, zu einer Zeit der Neuorientierung, die den Blick auf das richtet, was wirklich wesentlich für unser Leben ist.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie kann ich die Fastenzeit für mich gestalten?
2. Wie kann sie auch für die Menschen in meiner Umgebung fruchtbar werden?
6. Sonntag im Jahreskreis (B), 14.02.2021, Mk 1,40-45, Hinführung
Dr. Ilsemarie Weiffen rscj, Referentin für Theologische und Pastorale Fortbildung
„Wenn du willst" – diese Aussage setzt ein großes Vertrauen in die Macht dessen voraus, zu dem man so etwas sagt. „Wenn du willst, kannst du mich rein machen", sagt der Aussätzige zu Jesus. Mit anderen Worten: Er vertraut darauf, dass Jesus ihn so heil machen kann, dass er nicht mehr am Rand der Gesellschaft leben muss, dass er nicht mehr von anderen gemieden wird, dass er nicht mehr ausgegrenzt sein muss. Er vertraut darauf, dass Jesus ihm nicht nur ein physisch gesundes Leben, sondern auch ein soziales Leben schenken kann.
Jesus lässt sich von dieser Aussage des Aussätzigen anrühren, und er rührt den Aussätzigen an, damit er an Leib und Seele gesundet.
Das Verbot, davon zu berichten, macht darauf aufmerksam, dass es um genau dieses Vertrauen auf die Kraft Jesu geht, die bei dem Aussätzigen zum Ausdruck kommt, und nicht um den „run" zu einem Wunderheiler, der sofort ausgelöst wird. Jesus geht es nicht um Sensationen, sondern um eine glaubende Beziehung.
In der Coronazeit sind Berührungsverbote und Berührungsängste großgeschrieben. Dennoch gibt es auch jetzt Möglichkeiten, sich anrühren zu lassen und anzurühren. Und es gibt die unbegrenzte Möglichkeit, auf Gott zu vertrauen: „wenn du willst" oder: „Dein Wille geschehe".
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie gehe ich mit meinen Berührungsängsten und denen der anderen Menschen um?
2. Kann ich mit meinem Vertrauen und mit meinem Glauben ansteckend sein?
5. Sonntag im Jahreskreis (B), 07.02.2021, Mk 1,29-39, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Wir erleben einen Tag mit Jesus in Kapharnaum, ein Umschlagplatz nicht nur von Waren (Zollstation), sondern auch Grenzstadt und Militärstation. Es ist ein Tag des Neubeginns und des Staunens über die enorme Wirkung, die von Jesus ausgeht. Jesus ist da – inmitten der Menschen, inmitten ihrer Sorgen und Bedrängnisse. Er ist angreifbar und berührbar, alles andere als ein abgehobener Gesetzeslehrer, der sich auf die Alltagsnöte der Menschen nicht einlässt. Wir werden an diesem besonderen Tag Zeugen einer ganz persönlichen, fast familiären Begegnung im Haus des Simon und zugleich sehen wir Jesus konfrontiert mit der „ganzen Stadt", die an die Haustür drängte, um Heilung zu erfahren.
Jesus tritt uns in diesem Evangelium als Befreier und Erlöser entgegen. Ob es nur das Fieber der Schwiegermutter ist oder die unberechenbare Kraft der Dämonen – in seiner Nähe ordnet sich das Leben. Die bedrohlichen Kräfte müssen weichen, dem unfreien, mit Schuld und fremden Lasten beladenen Menschen wird eine neue Freiheit geschenkt. Jesus löst nicht die alltäglichen Probleme, er „erlöst" – damit ist eine innere Freisetzung gemeint, Heilung und Ermächtigung zu einem neuen Menschsein. Wie viel Befreiung von Ängsten, Anflügen von Verzweiflung und Lethargie haben wir doch heute nötig! Viele Menschen sind Gefangene unfreier Beziehungen, Verhärtungen und nicht stattgefundener Versöhnung – die Heilung der Schwiegermutter ist nicht nur zum Schmunzeln.
Nach dem Ende des Sabbat dürfen die Kranken wieder getragen werden – und auch ärztliche, therapeutische Hilfe ist wieder möglich. Die Übertreibungen in diesem Abschnitt des Evangeliums sind herrlich: Die „ganze Stadt"; er heilte „viele", was in der semitischen Redeweise „alle" meint. Und trieb „viele" Dämonen aus. Diese Superlativen wollen unseren Glauben wecken: Wenn man Jesus wirklich an unsere tiefsten Nöte heranlässt und solidarisch (bitte an die Grundhaltung er Weggemeinschaft denken!) Menschen zu ihm bringt, dann „ist was los"! Es passiert das Entscheidende: Menschen werden heil. Jesus aber lässt sich nicht von der Menge feiern, sondern zieht sich wieder zurück. Um zu beten. Er ist bei seinem Vater zu Hause. Wichtiger Hinweis für uns.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Bin ich bereit, Jesus meine persönlichsten Nöte und „wunden Stellen" anzuvertrauen? Und damit seine befreiende und heilende Kraft anzunehmen?
2. Welche Person will ich „zu Jesus bringen" – im Gebet, im Gespräch, durch ein Zeichen von Nähe? Trage ich andere – und lasse ich mich tragen?
4. Sonntag im Jahreskreis (B), 31.1.2021, Mk 1,21-28, Hinführung
Martin Lesky
In Kafarnaum beginnt das öffentliche Wirken Jesu. Hier wird Kafarnaum das erste Mal im Markusevangelium erwähnt. Hier wohnte Jesus eine Zeitlang, vermutlich im Haus des Petrus. Jesus geht am Sabbat in die Synagoge. Aus Lukas 4,16 wissen wir, dass Jesus gewohnt war, am Sabbat in die Synagoge zu gehen. In der Synagoge in Kafarnaum ist sein erstes öffentliches Auftreten. Jesus tritt nicht als Belehrender auf, sondern als einer, der Vollmacht hat, der einen unmittelbaren Auftrag von Gott hat. Der Inhalt wird schon früher in Mk 1,14-15 beschrieben: „Er verkündigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" Die Zuhörer merken, dass hier etwas Besonderes passiert. Das versetzt sie in Staunen. Das Reden Jesu öffnet ihnen neue Perspektiven.
Anschließend folgt eine Konfrontation Jesu mit dem Bösen. Ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war, beginnt zu schreien. Die Worte Jesu, lassen den unreinen Geist, der in diesem Menschen versteckt war, zum Vorschein kommen. Vielleicht will der unreine Geist, in dem er den Namen Jesu nennt und ihn den Heiligen Gottes nennt, die Kraft Jesu unwirksam machen. Aber der unreine Geist, der einen großen Einfluss auf diesen Menschen hat, hat keinen Einfluss auf Jesus. Jesus ist anders, ist stärker. Jesus ist Sieger über das Böse. Diese Konfrontation mit dem Bösen bekräftigt die Vollmacht Jesu.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie reagiere ich, wenn mich etwas besonders anspricht? Ein Wort aus der Heiligen Schrift, eine Predigt, ein Wort, das mir jemand zuspricht?
2. Wie kann ich das Böse bekämpfen bzw. überwinden?
3. Sonntag im Jahreskreis (B), Bibelsonntag, 24.1.2021, Mk 1,14-20, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Die Gefangennahme des Täufers Johannes war für Jesus eine bedeutsame Zäsur. Von da an begann sein öffentliches Wirken. Dieser „Ankick" hat etwas Dramatisches – eigentlich das Paradebeispiel, dass dem Reich Gottes Gewalt angetan wird. Als die Herrschenden die Stimme der Gerechtigkeit und Wahrheit abgewürgt hatten, stieg Jesus in seine öffentliche Mission ein: „Die Zeit ist erfüllt." Im Jahr 70 n.Chr., als Markus sein Evangelium verfasste, gab es eine ähnlich harte Zäsur. Jerusalem wurde von den Römern dem Erdboden gleich gemacht. In diesem Moment erfolgt die erste schriftliche Fassung der „Frohen Botschaft". Kein idyllisches Umfeld, kein traumhaftes Setting, sondern hohe Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit: „Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe."
Jesus kam nach Galiläa. Er startet mit seiner Verkündigung bei der ärmlichen Landbevölkerung, die unter den gegebenen Umständen sehr zu leiden hatten. Bedrückende Geschichte, hohe Abgabenlast, ein politisches Pulverfass. Jesus verkündet „das Evangelium Gottes" – keine Drohbotschaft und keine beliebige religiöse Lehre. Jesus bringt die befreiende und heilende Frohbotschaft. Er will unser Herz erreichen. Wir sind nicht weiterhin Gefangene der Lebensumstände, der uralten Ängste, der familiären Schuldgeschichte, ... Wer sich für dieses Neue Gottes öffnet, d.h. den inneren Resonanzraum auftut, wird in eine Verwandlung hineingenommen. Umkehr ist angesagt: Wir müssen uns nicht krampfhaft selbst erlösen, Veränderungen herbeiführen, die oft neues Elend schaffen.
Das Wort Gottes hat die Kraft unsere Herzen „zu packen", zu reinigen und zu Gott hin zu bewegen. Heute begehen wir den Bibelsonntag – ein Sonntag, um klarzustellen, dass wir Gottes Wort als geistliches Grundnahrungsmittel brauchen. Mit der Erstverkündigung Jesu beginnt sofort auch die Berufung und Sammlung der Jünger. Alles läuft wie in einem Film: Jesus geht vorüber, kurze Blickkontakte („er sah"), knappe Aufforderung zur Nachfolge mit Zusage einer neuen Aufgabe – und „sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten Jesus". Jesus weiß um die Arbeit der Fischer – in Zukunft wird er sie als „Menschenfischer" brauchen und als „Netz-Werker" für das Reich Gottes.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Bewegt mich eine Freude im Herzen, wenn ich die Bibel zur Hand nehme? Wann hat mich zum letzten Mal ein „Wort Gottes" innerlich berührt, eine Aussage „gefesselt"?
2. Was bedeutet es für mich, ein „Netzwerker" für das Reich Gottes zu sein? In der Nachbarschaft, in den aktuell schwierigen Bedingungen?
2. Sonntag im Jahreskreis (B), 17.1.2021, Joh 1,35-42, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
„Als Jesus vorüberging." Wir beginnen mit dem Anfang des Evangeliums. Es ist eine schlichte Szene, unspektakulär, kein programmatischer Auftritt. Im Vorübergehen passiert das Entscheidende. Johannes, der Täufer, zeigte auf ihn. Der bekannte und von vielen am Jordan aufgesuchte Prophet verwendet ein Bild, das alle verstehen: „Seht das Lamm Gottes!" Mit diesem theologischen Begriff spricht Johannes genau das an, was sie innerlich fühlen. Sie empfinden direkt oder indirekt ein Unbehagen, eine Belastung, ja vielleicht ein Schuldigsein – eine Erlösungsbedürftigkeit. Und da trifft sie dieses Wort: Hier ist einer, der Versöhnung bringen kann! Und sie lassen sich ansprechen.
Das Leben der Johannes-Jünger beginnt sich zu verändern. Sie sind bewegt und auch innerlich beunruhigt, sodass sie es ihren Brüdern, Bekannten und Freunden weitersagen. Das ist Evangelisation – eine verständliche Einladung zur persönlichen Begegnung mit Christus. Auch wenn sie Jesus vorerst nur im Vorübergehen erlebten. Sie haben intuitiv verstanden, dass mit dieser Person Gott selbst in ihr Leben eintritt. Jesus hat auf ihre ersten Nachfolge-Schritte reagiert und ihnen in großer Freiheit die Frage gestellt: „Was sucht ihr?" Keine Vereinnahmung. In dieser Frage wird jede menschliche Sehnsucht angesprochen. „Kommt und seht!" Die Nachfolge Jesu ist kein Job, sondern ein Mitgehen und Mit-Sein. Es ist der Versuch, auf den Ruf Gottes mit dem Leben zu antworten.
Und sie gingen mit ihm und blieben jenen Tag bei ihm. Dieses Bei-Jesus-Bleiben scheint mir ganz wichtig zu sein. Zu schnell huschen wir oft von einem schönen spirituellen Impuls zum nächsten. Aber was bleibt denn wirklich? Was prägt uns? Ist es die Christus-Gemeinschaft? Dafür braucht es eine gute Zeit an jedem Tag. Eine Zeit der Unterbrechung und persönlichen Begegnung mit dem Herrn des Lebens. Gebet. Ganz einfach, aber regelmäßig. Wenn möglich, mit einem Wort aus der Hl. Schrift und einem stillen Verweilen. Das regelmäßige Gebet wird uns innerlich prägen und befähigen, in den vielen Situationen, auch in den Momenten des alltäglichen Nebenbei Jesus deutlicher zu erkennen. Und manchmal ist es dann tatsächlich möglich, wie es heißt: „Er führte ihn zu Jesus."
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie gelingt es mir, täglich eine Zeit des Gebetes zu nehmen? Gibt es dafür eine fixe Zeit und einen bestimmten Ort, einen „Ablauf", auch ein freies Gespräch mit dem Herrn?
2. Wie kann ich ein Fingerzeig auf Jesus sein? Wie gelingt mir ein einfaches, aber echtes Zeugnis für Jesus, das Menschen in meiner Umgebung bewegt?
Fest der Taufe des Herrn (B), 10.1.2021, Mk 1,7-11, Hinführung
Bischof Hermann Glettler
Zum Abschluss des Weihnachtsfestkreises geht es wieder um einen Anfang. Es ist der Anfang der Frohen Botschaft, aufgeschrieben von Markus, dem ältesten der vier Evangelisten. Mit Johannes, dem unerschrockenen Rufer in der Wüste, beginnt die Geschichte des Heils. Der Täufer zeigt auf den, „der stärker ist". Eine staunenswerte Zusammenfassung des Evangeliums: Jesus ist stärker als alles Negative, das uns erfassen kann, stärker als alle Ängste und vielfältigen Belastungen. „Jesus, Du bist stärker!" Ein befreiendes Motto in aller Bedrängnis. Jesus befreit uns von aller Verzagtheit und tauft uns mit seinem Geist – mit dem Geist von Zuversicht, Kraft und Liebe.
Im Geheimnis der Weihnacht haben wir gefeiert, dass sich der allmächtige, unbegreifliche Gott so berührend klein gemacht hatte – angreifbar und verletzlich als Kind in der Krippe. Diese Bewegung von oben nach unten, von der All-Herrschaft zum All-Erbarmen, von der absoluten Macht zur Erniedrigung – diese Bewegung der göttlichen Liebe wird heute in der Taufe des Herrn fortgesetzt. Jesus aus Nazaret kam inmitten der Volksmenge zum Jordan, um sich taufen zu lassen. Er reihte sich in die Schar derer, die Gott um Vergebung ihrer Sünden bitten – er, der hundertprozentig frei von Schuld und Lieblosigkeit war. Jesus ist Gott selbst in menschlicher Person, der hinabsteigt, um alles anzunehmen, was uns hinunterzieht, belastet, „klein macht" und als Menschen entstellt.
Als Jesus aus dem Wasser stieg, sah Johannes, „dass der Himmel aufriss". Dieses Bild ist eine faszinierende Anspielung auf die Auferstehung. Der dunkle, unberechenbare Himmel wurde im Kreuzestod und in der Auferstehung Jesu aufgerissen. Die Vergebung, die Gott uns geschenkt hat, macht alles neu. „Der Himmel hat ein Loch" wie es in einem Lied heißt – ein Motiv, das von Weihnachten über Ostern, Pfingsten bis hin zur Himmelfahrt des Herrn aussagekräftig bleibt. Jesus lädt uns nicht nur ein, mit ihm hinunterzusteigen, allen Stolz und Hochmut abzulegen und seine rettende Hilfe anzunehmen. Er lädt uns ebenso ein, mit ihm aus der Todesflut herauszusteigen, jetzt schon, wahrzunehmen und zu glauben, dass der Himmel offensteht.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Habe ich mit dem Herzen schon aufgenommen, „dass Jesus stärker ist"?
2. Wo ist es in meinem Lebensumfeld notwendig, mich für jemandem klein zu machen, hinabzusteigen und aufzuhelfen?
2. Sonntag nach Weihnachten (B), 3.1.2021, Joh 1,1-18, Hinführung
Martin Lesky, Referent für missionarische Pastoral
Das Johannesevangelium beginnt anders als die anderen Evangelien. Während Matthäus und Lukas mit der Ankündigung bzw. der Geburt Jesu beginnen und Markus mit dem Auftreten Johannes des Täufers in der Wüste und der Taufe Jesu, beginnt Johannes mit einem Lobgesang über Jesus. Johannes weist gleich am Beginn seines Evangeliums auf das Wesentliche hin.
Interessant sind schon die ersten Worte „Im Anfang war das Wort". Sie erinnern an Gen 1,1: „Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde." Johannes lässt die Heilsgeschichte schon mit der Erschaffung der Welt beginnen. Mit diesem Prolog will der Evangelist Johannes uns die Wichtigkeit und Bedeutung Jesu erschließen. Damit können wir die sieben „Ich bin" Worte Jesu im Johannesevangelium verstehen: „Ich bin das Brot des Lebens" (6,35), „Ich bin das Licht der Welt" (8,12), „Ich bin die Tür" (10,7), „Ich bin der gute Hirt" (10,11), „Ich bin die Auferstehung und das Leben" (11,25), „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (14,6), „Ich bin der wahre Weinstock" (15,1). Interessant bei diesen „Ich bin" Worten: auch hier wieder die Parallele zu Exodus 3,14: „Ich bin, der ich bin."
Der Prolog gliedert sich in zwei Teile: die Verse 1 – 13 sind die Verkündigung von Jesus, die von dem Zwischenblick auf Johannes den Täufer (Verse 6 – 8) unterbrochen wird. Die Verse 14 – 18 sind das Bekenntnis der an Jesus Glaubenden. Hier wird Johannes der Täufer als ein Beispiel für ein Zeugnis für Jesus genannt. „Johannes legt Zeugnis für ihn ab und ruft" – wörtlich übersetzt schrie – „Dieser war es ...". In Jesus Christus erfahren wir Erfüllung, wie es Karl Rahner so schön formuliert hat:
„Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hinein-gesagt, ein Wort, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil es Gottes endgültige Tat, weil es Gott selbst in der Welt ist. Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch."
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo beginnt für mich Heilsgeschichte?
2. Wo und wie kommen diese Worte „ich liebe dich, du Welt und du Mensch" in meinem Leben zum Ausdruck?
Fest der Hl. Familie (B), 27.12.2020, Lk 2,22-40, Hinführung
P. Franz Weber MCCJ, Vikar im Seelsorgeraum Arzl-Mühlau-Saggen, Bischöflich Beauftragter für die Diakone
„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen ... „ Der alte Simeon muss in diesem Augenblick, als er das Kind im Tempel erblickte, genauso von einer tiefen Freude und Dankbarkeit erfüllt gewesen sein wie die betagte Hanna, der das Lukasevangelium den Ehrentitel einer Prophetin zugesprochen hat. Und das mit Recht. Denn sie behielt ihr Glück nicht für sich, sondern „sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten."
Sie waren offensichtlich ganz einfache Leute, keine religiösen oder weltlichen Würdenträger. Von Simeon wird gesagt, dass er gerecht und fromm war und auf den Trost Israels wartete und dass der Heilige Geist auf ihm ruhte. Von Hanna heißt es, dass sie Gott diente bei Tag und Nacht.
„Was willst du eigentlich noch alles unternehmen? In deinem Alter sollst du lieber ans Sterben denken!" – Nicht selten spricht man heute in einer Gesellschaft, in der nur jugendlicher Elan und strahlende Schönheit zu zählen scheinen, dem Alter seine Würde und Zukunftsfähigkeit ab. Alte Menschen haben aber auch noch ihre Erwartungen an das Leben!
Simeon und Hanna waren in ihrem Herzen jung geblieben, weil sie aus einer unerschütterlichen Hoffnung lebten. Beide verkörpern die uralte Sehnsucht Israels nach einem Retter und Erlöser. Mit der Weisheit ihres Alters und ihrer in die Zukunft gerichteten Offenheit des Geistes erkennen sie in diesem gewöhnlichen Kind armer Leute den verheißenen Messias.
„Da nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott ..." – Eine bewegende Szene, die mich an manche Tauffeier erinnert, bei der ein Opa seinen Enkel oder eine Uroma die Urenkelin liebevoll und zärtlich in die Arme nehmen und ihnen mit zitternden Händen und feuchten Augen ein Kreuz auf die Stirn zeichnen, überglücklich und dankbar, dass sie diese Feier noch erleben dürfen. Als Seelsorger kommen mir auch all die vielen älteren und alten Menschen in den Sinn, die in unseren Pfarrgemeinden noch viele wichtige Dienste und Aufgaben übernehmen, für die die Jüngeren oft wenig Zeit oder keine Lust haben. Und weil ich selbst auch schon zu den Alten zähle, nehme ich wahrscheinlich auch besser wahr, wie traurig und verletzt ältere Menschen sind, wenn sie lieblos ausgebootet und zum alten Eisen geworfen werden.
In allen Kulturen der Erde hatten früher die Alten mit guten Gründen einen besonderen Platz in der Gesellschaft. Es wäre wohl ein Verlust an Lebenskultur und Menschlichkeit, würden wir in unserer schnelllebigen Zeit den Alten nur mehr solange einen Wert beimessen, solange man mit ihnen noch einen Profit einfahren kann. Simeon und Hanna verkörpern im Evangelium nicht nur die Vergangenheit, sondern die Hoffnung auf Erlösung und auf eine bessere Zukunft.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was spricht uns an dieser Begegnung von Simeon und Hanna mit dem Jesuskind besonders an?
2. Kenne ich ältere Menschen, von deren Lebens- und Glaubensweisheit ich selbst etwas lernen möchte?
3. Wie gehe ich selbst mit meinem Älterwerden oder meinem Alt-Sein um? Was erfüllt mein Leben nach wie vor mit Freude und Dankbarkeit?
4. Adventsonntag (B), 20.12.2020, Lk 1,26-38, Hinführung
P. Franz Weber MCCJ, Vikar im Seelsorgeraum Arzl-Mühlau-Saggen, Bischöflich Beauftragter für die Diakone
„Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft und sie empfing vom Heiligen Geist. Maria sprach, siehe ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt."
Über viele Generationen haben Menschen beim Angelus Läuten ihren Glauben an das Geheimnis der Menschwerdung Gottes aus Maria mit diesen schlichten Worten zum Ausdruck gebracht. Was wir am 4. Adventsonntag als Evangelium hören, hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass wir Weihnachten feiern können. Gott will unter uns Wohnung nehmen und als Mensch unter Menschen geboren werden. „Fürchte dich nicht, Maria; denn Du hast bei Gott Gnade gefunden." Ja, der Mächtige tut Großes an dieser Frau. Er nimmt ihr durch das Wort des Engels die Angst vor seiner Leben zeugenden Nähe. Er lässt ihre Nachfrage zu und gibt ihr den Raum für ihre freie Entscheidung. Aus freien Stücken soll sie Ja sagen können zu dem, was er mit ihr vorhat.
Was hat diese einfache junge Frau so ansprechbar für Gottes Plan mit ihr gemacht? Wir wissen nichts über das Vorleben dieser Mirjam von Nazareth. Gehörte sie, wie manche Bibelwissenschaftler vermuten, vielleicht zu jener geistlichen Bewegung der „Armen Jahwes", die in schweren Zeiten ihre „ganze Hoffnung auf den Herrn setzten" und mit glühender Sehnsucht den Messias als Befreier erwarteten? Eine solche Spiritualität begegnet uns immer wieder in den Gebetstexten der Psalmen und in einigen faszinierender Frauengestalten in der Geschichte Israels, die sich für den Anspruch Gottes öffneten und sich von ihm in den Dienst nehmen ließen.
In der Begegnung mit ihrer Verwandten Elisabeth preist Maria nicht sich selbst, sondern die Größe eines Gottes, der „auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut hat" (Lk 1,48), der „die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht" (Lk 1,52). Demut und Selbstvertrauen einer Frau, die sich etwas zutraut, weil sie Gott vertraut, sprechen aus diesem überzeugenden Ja eines Menschen zu Gottes Heilsplan.
Mir sind in meiner Tätigkeit als Missionar in Brasilien in den Basisgemeinden der Armen viele solcher Frauen begegnet, die aus diesem unerschütterlichen Gottvertrauen, das uns an der Mutter Jesu so anspricht, zu mutigen Zeuginnen für das Evangelium und seine Gerechtigkeit wurden. Manche von ihnen waren in kritischen Situationen sogar bereit, ihr Leben im Einsatz für Benachteiligte und Verfolgte aufs Spiel zu setzen.
Voll Sehnsucht Ausschau halten nach dem Erlöser und Befreier, ansprechbar sein für Gottes Einladung, nachfragen und sich ganz in Dienst nehmen lassen: Das können wir von Maria lernen. Sie ist in der Tat eine adventliche Lichtgestalt, die uns zur Feier der Menschwerdung Gottes hinführt ...
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was überzeugt uns an der hoffnungsvollen Grundhaltung der Gestalt Marias, der Mutter Jesu?
2. Kennen wir Frauen, die sich – wie Maria – mitten in ihrem Alltag von Gott in den Dienst nehmen lassen und Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen?
3. Adventsonntag (B), 13.12.2020, Joh 1,6-8.19-28, Hinführung
P. Franz Weber MCCJ, Vikar im Seelsorgeraum Arzl-Mühlau-Saggen, Bischöflich Beauf-tragter für die Diakone
Noch einmal begegnen wir im Evangelium des 3. Adventsonntags der überzeugenden Gestalt Johannes des Täufers, der von den Trägern der religiösen Macht einem gezielten Verhör unterzogen wird. Sie können es auf keinen Fall durchgehen lassen, dass er mit seiner Predigt eine Massenbewegung auslöst und im Volk den Eindruck erweckt, ein Prophet oder gar der sehnlichst erwartete Messias zu sein.
Einen solchen Anspruch hatte Johannes allerdings nie erhoben. Er widerspricht mit aller Entschiedenheit und bezeichnet sich in Berufung auf das Trostbuch Israels (Jesaja 40,3) als „Stimme eines Rufers in der Wüste" und als Wegbereiter „für den Herrn". Als sich die Vertreter der beiden religiösen unter sich zerstrittenen Machtblöcke der Pharisäer und Sadduzäer ebenfalls scheinheilig zur Busstaufe anstellen, entlarvt er sie, bezichtigt sie der Heuchelei, nennt sie „Schlangenbrut" und kündet ihnen das Gericht Gottes an (Mt 3,7). Damit untergräbt er vor den Leuten ihre Glaubwürdigkeit und ihre Autorität. Er selber erhebt genau so wenig einen Machtanspruch wie Jesus von Nazareth, der sich unerkannt unter die Menschen mischt. Johannes stellt sich in Demut und Selbstbescheidenheit in den Dienst des kommenden Messias.
Als Johannes wenig später ins Gefängnis geworfen wird, weil er dem König Herodes ins Gewissen geredet hatte, kommen diesem furchtlosen Propheten noch einmal Zweifel. Er schickt einige seiner Jünger zu Jesus, um sich zu vergewissern, dass er auf die richtige Karte gesetzt hatte. Jesus stellt dem mutigen Zeugen, der ihm den Weg bereitet hat, ein einzigartiges Zeugnis aus (Lk 7,18-23). Nein, Johannes hatte sich nicht getäuscht. Der noch unscheinbare Mann aus Nazareth war es wirklich, der da kommen sollte ... Das Wissen darum, dass seine eigene Mission nun erfüllt war, muss ihn wohl mit einer tiefen Freude erfüllt haben. Nun konnte er auch dem Tod ruhig und gelassen ins Auge schauen.
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Der Herr ist nahe" - Zum 3. Adventsonntag, dem Sonntag Gaudete, sagt uns Johannes der Täufer, was der letzte und tiefste Grund, unserer Freude ist: „Maranatha, komm Herr Jesus! – Ja, ich komme bald" (Offb 22,20) - Heuer kommt alles ganz anders als erwartet. Corona bewirkt, dass Vieles abgesagt werden muss. Das Kommen Jesu ist uns dagegen sicher. Weihnachten wird nicht abgesagt.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo und vor wem – und wie möchte ich in den kommenden Tagen das Kommen des Herrn bezeugen?
2. Worüber kann ich mich im Advent besonders freuen?
2. Adventsonntag (B), 06.12.2020, Mk 1,1-8, Hinführung
P. Franz Weber MCCJ, Vikar im Seelsorgeraum Arzl-Mühlau-Saggen, Bischöflich Beauftragter für die Diakone
Man liest leicht darüber hinweg, was in der ersten Zeile unseres Textes vom 2. Advent-sonntag steht und was so etwas ist wie eine Inhaltsangabe, die schon alles sagt, was im Buch steht: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn". Evangelium das kommt aus dem Griechischen und heißt – und wir wissen es ja – „Gute Nachricht" und „Frohe Botschaft". Der schlechten Nachrichten gibt es genug und man sagt, dass sie oft mehr Aufmerksamkeit hervorrufen als all das viele Gute, das in der Welt geschieht.
Manchmal ist es mir kaum bewusst, was mir an „guter Nachricht" geschenkt ist und was ich weitersagen darf. Kann man an meinem Gesicht ablesen, dass es mich selbst wirklich froh macht, was ich in der Kirche verkünde, wenn ich das Evangelium lese?
„Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz derer, die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere und von der Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt – und immer wieder – die Freude." Mit diesem persönlichen Glaubensbekenntnis hat Papst Franziskus sein erstes Apostolisches Schreiben eröffnet.
Wenn ich mich auf das Wiedersehen mit einem geliebten Menschen freue, dann sieht man mir das schon vor der tatsächlichen Begegnung mit ihm oder mit ihr an. Wenn ich im Evangelium des 2. Adventsonntags der Gestalt Johannes des Täufers begegne, wenn ich lese, dass „ganz Judäa und alle Bewohner Jerusalems" (!) zu ihm an den Jordan hinauspilgerten, dann frage ich mich, was die Menschen an ihm derart in den Bann zog. Gewiss: Er muss eine faszinierende Gestalt gewesen sein, der allein durch seinen „alternativen" Lebensstil und durch die Direktheit seiner Botschaft faszinierte und provozierte. Der Täufer war selbstlos, er hat sich nicht selbst produziert und profiliert. Er hatte einen anderen im Blick. Vielleicht war es gerade das, was ihn in den Augen der Menschen damals so glaubwürdig und anziehend machte.
Vielleicht war er gar nicht jener düstere Buß -und Moralprediger, als der er gerne dargestellt wird, sondern ein Mann mit einer brennenden Sehnsucht nach der Begegnung mit Jesus von Nazareth, in dem er den Erlöser und Befreier Israels erkannte. Und es muss ihn mit einer tiefen Freude erfüllt haben als er ihm bei der Taufe im Jordan persönlich gegenüberstand ...
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was spricht mich persönlich, was spricht uns in unserer Weggemeinschaft im Evangelium immer wieder besonders an? Wo erfahre ich, wo erfahren wir so etwas wie Freude, Erlösung und Befreiung?
2. Im Advent dieses Jahres müssen wir aufgrund der Corona Beschränkungen auf einige liebgewordene Veranstaltungen und „Aktionen" verzichten? Kann das vielleicht auch eine Chance sein?
1. Adventsonntag (B), 29.11.2020, Mk 13,33-37, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Die Stelle aus dem Markusevangelium, die wir gehört haben, ist an die urchristliche Gemeinde gerichtet. Diese ist so fixiert auf die Erwartung der tatsächlichen Wiederkunft Christi, dass sie das Leben in der Gegenwart vergisst. Jesus mahnt die Menschen, wachsam zu sein und zu bleiben, damit sie ihr Herz nicht dem Hier und Heute verschließen.
Der Mönchsvater Evragius Pontikus mahnte zur Zeit der Alten Kirche einen seiner Mönche: „Sei ein Türhüter deines Herzens und lass keinen Gedanken ohne Befragung hinein. Befrage einen jeden Gedanken und sprich zu ihm: ,Bist du einer der unseren oder einer unserer Gegner?' Und wenn der Gedanke zum Haus gehört, wird er dich mit Freude erfüllen".
„Sei ein Türhüter deines Herzens". In diesen Tagen des Advent sind wir eingeladen, gut auf unsere Herzenstüren zu achten. Wir könnten ganz besonders achtsam dafür sein, ob wir das, was wir sehen und hören, spüren und fühlen, riechen und schmecken in uns hineinlassen wollen, weil es uns mit Freude erfüllt. Denn manches, was in diesen Tagen auf uns eindringt, erfüllt uns eher mit Hektik, Druck und überhöhten Erwartungen. Dies zu unterscheiden braucht eine hohe innere Wachsamkeit.
So lädt uns das Evangelium im Blick auf die kommende Adventzeit dazu ein, uns dem Heilsamen, Wohl-Tuenden, Heilenden und Nährenden zu öffnen. Damit unser Herz mit Freude erfüllt wird. Damit der Advent, das Ankommen Gottes in uns möglich wird.
Lasst uns „Türhüter unserer Herzen" sein!
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was hilft mir in diesen Tagen, ein*e wachsame*r Türhüter*in meines Herzens zu sein und darauf zu achten, was mich im Herzen berührt?
2. Was erfüllt mich in diesen Tagen mit Freude? Ein gutes Gespräch, eine Stille Zeit an einem stillen Ort, gemeinsame Momente mit Familie und Freunden, das Hinhören auf Gott? Ich versuche, solcher Freude immer mehr Raum zu geben.
Christkönigssonntag, 22.11.2020, Mt 25,31-46, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Das Matthäusevangelium ist das erste der vier Evangelien. Sein Herzstück ist die Bergpredigt, mit der Jesus einen Wegweiser für ein gutes Leben für alle Menschen gibt.
Das Evangelium des Christkönigsonntags steht am Ende des öffentlichen Wirkens Jesu und direkt vor den Berichten über sein Leiden und seine Auferstehung. Es beschreibt das Weltgericht, bei dem Jesus von seinem Königsthron aus die Menschen in zwei Gruppen teilt. Die einen zu seiner Rechten werden das ewige Leben erreichen, die anderen zu seiner Linken die ewige Strafe erhalten. So das Bild dieser Erzählung.
Was muss man tun, um zu denen auf der rechten Seite zu gehören? Vielleicht fällt zuerst einmal auf was nicht gefordert ist: Eine lückenlose Erfüllung der Sonntagspflicht, religiöse Frömmigkeitsübungen, intensives ehrenamtliches Engagement in pfarrlichen Gremien, ... All das sind nicht die Gradmesser. Jesus sieht hingegen das, wo Menschen FÜR andere da waren, wo sie menschliche Not gelindert haben, in welcher Form auch immer. DAS wird ausschlaggebend sein. Denn indem sich Jesus solidarisiert mit den Armen und Bedürftigen wird er selbst ein Teil von ihnen. Und wer sich ihrer annimmt, der begegnet in diesem Tun auch Gott. Hier, am Ende der Zeiten, wird deutlich, ob die Botschaft der Bergpredigt auf guten Boden gefallen ist.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie wirkt dieses Bild des Weltgerichts auf mich? Was löst es in mir aus?
2. Wo durfte ich selbst einmal erfahren, dass mir jemand durch seine Zuwendung ein Stück Himmel eröffnet hat?
3. Wo haben andere durch mich ein Stück Ewigkeit spüren dürfen?
33. Sonntag im Jahreskreis, 15.11.2020, Mt 25,14-30 (oder 14-15.19-21), Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Wieder bringt uns dieser Sonntag ein Evangelium, das uns befremdet.
Der Beginn ist ja noch verständlich. Je nach den Fähigkeiten seiner Diener betraut sie der Herr mit mehr oder weniger „Talenten". Ein Talent, das war ein riesiger Betrag, denn ein Talent Silbergeld entsprach 6000 Denaren. Und ein Denar war der Tageslohn für einen Arbeiter.
Zwei der Diener machen sich gleich ans Wirtschaften. Nur der dritte nicht – er versteckte das viele Geld, damit es nicht verloren gehen konnte. Als nun der Herr nach langer Zeit zurückkam, hatten die ersten beiden Diener das Geld verdoppelt und wurden gelobt und belohnt. Der dritte, der nichts gewonnen aber auch nichts verloren hatte, wurde als faul und nichtsnutzig beschimpft und hinausgeworfen.
Doch wie begründet der letzte Diener seine Tat? Er rechtfertigt sich mit den Worten: „Weil ich Angst hatte ...". Aus Angst, das Talent, das ihm anvertraut war, nicht richtig einzusetzen, hat er lieber gar nichts gemacht und es versteckt.
Jemand hat einmal gesagt: „Angst ist keine Kategorie Gottes". Damit ist gemeint, dass wir uns nicht von der Angst beherrschen lassen sollen. In den letzten Monaten habe ich Menschen erlebt, die durch die Corona-Krise in Angst verfallen sind. Sie haben sich zurückgezogen, Kontakte gemieden und sind so missmutig und einsam geworden. Solche Angst ist da gemeint, Angst, die das Leben in Fülle verhindert.
Dieses Evangelium will uns Mut machen, unser Leben in die Hand zu nehmen, unsere Fähigkeiten und Talente für ein Leben in Fülle einzusetzen, mit aller Vorsicht, die auch nötig ist. Leben, Freude, Versöhnung und Frieden sollen wachsen können, auch wenn es nur in ganz kleinen Schritten ist.
„Weil ich Freude am Leben habe" – das wäre vielleicht die Begründung der anderen beiden Diener. Weil die Freude am Leben das Leben weiter, größer und reicher macht, wenn ich meine Talente einsetze.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wo erlebe ich Angst, die mich am Handeln hindert?
2. Wo ist es mir gelungen, durch den Einsatz meiner Talente und Fähigkeiten gutes Leben zu vermehren, wachsen zu lassen?
32. Sonntag im Jahreskreis, 08.11.2020, Mt 25,1-13, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Dieses Gleichnis wirft Fragen auf. Die meisten von uns hören das Ende dieser Erzählung nicht so gerne. Ausgesperrt sein, zu spät gekommen zu sein, nicht willkommen zu sein – das tut weh!
Manche hätten vielleicht lieber einen Schluss, bei dem die zu-spät-gekommenen Jungfrauen an die Türe klopfen, vielleicht eine kleine Rüge bekommen und dann doch noch mitfeiern dürfen. Dieser Schluss würde gut zu dem barmherzigen Gott passen, den wir beispielsweise aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn kennen.
Es wäre auch noch ein Schluss denkbar, in dem der Bräutigam die klugen Jungfrauen rügt, weil sie nicht bereit waren zum Teilen. Denn gerade zur Großzügigkeit und dem Da-Sein für andere gibt es ja auch genügend Beispiele in der Bibel.
Nun, dieser Schluss ist anders. Er ist hart und provozierend. Und er setzt unter Druck, unter Leistungsdruck. Gibt es nicht in jedem Leben Momente, in denen wir Gelegenheiten verschlafen haben? Nach diesem Gleichnis müssten wir immerfort wachsam sein, immerfort vorausdenken, ja nichts dem Zufall überlassen und vor allem für uns selber sorgen.
Mir ist vor einiger Zeit ein Hinweis zugefallen, den ich sehr sympathisch finde. Der Fehler der Jungfrauen bestehe nicht darin, dass sie nicht vorgesorgt hätten und das Öl leer war. Ihr Fehler bestehe darin, nicht da gewesen zu sein, als der Bräutigam kam. In dieser Bibelstelle steht ja nichts davon, dass die Einlassbedingung eine brennende Öllampe wäre. Das Da-Sein ist das Wichtige, in dem Fall auch trotz dem Mangel, kein Öl mehr zu haben. Dieser Gedanke nimmt dem Gleichnis den Leistungsanspruch. Und doch entbindet er nicht vor der Bedeutung der Achtsamkeit. Es gilt, präsent zu sein, um Gott begegnen zu können.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wie geht es mir mit diesem Gleichnis und seinem Schluss? Was löst er in mir aus?
2. Was bedeutet es für mich, DA zu sein? Wo und in wem begegnet mir Gott? Wie halte ich mich innerlich bereit für Seinen Anruf?
Allerheiligen, 01.11.2020, Mt 5,1-12a, Hinführung
Nora Bösch, Gemeindeleiterin St. Martin, Pastoralleitung Kath. Kirche Dornbirn
Jedes Jahr an Allerheiligen hören wir als Evangelium die Seligpreisungen, die am Beginn der Bergpredigt stehen. „Selig seid ihr" so beginnt jede Seligpreisung. Es könnte auch heißen: „Glücklich seid ihr" oder „Heil seid ihr".
Die Seligpreisungen zeigen uns die Welt von ihrem Ende her. Sie schenken uns einen Blick in den geöffneten Himmel. Die Maßstäbe sind dort umgekehrt: Nicht die Reichen und Mächtigen haben das Sagen, sondern glücklich, selig, heil sind diejenigen, die eben ihre Mitmenschen und deren Not im Blick haben, die ohne Hintergedanken schlicht und einfach leben und sensibel sind für die vielfältigen Sorgen und Nöte anderer. Sie lassen schon in diesem Leben ein Stück vom Reich Gottes sichtbar werden.
Ein halbes Jahr ist es her, da wurde die Welt, wie wir sie kannten, auf den Kopf gestellt. Eine Welle der Hilfsbereitschaft ist durch alle Schichten der Bevölkerung gegangen. Nachbarschaftshilfe, Besuchsdienste, Botengänge, Kinderbetreuung, Lernhilfe, Unterstützung am Arbeitsplatz – da können viele Menschen selig gepriesen werden, die sich ohne Fragen für andere eingesetzt haben. Sie haben Heil gestiftet durch ihre Treue, ihre Hilfsbereitschaft, ihre Verbundenheit, ihr Trösten, ihr Mit-Leid, ihre Kraft in der Krankheit, ihre Geduld. Durch sie hat sich der Himmel ein bisschen geöffnet. Und: Sie waren nicht nur Gebende. Sie haben auch erfahren, dass sie selber durch ihr Tun beschenkt wurden.
So hören wir dieses Evangelium vielleicht auch mit einem anderen Ohr als in vergangenen Jahren. Die Maßstäbe haben sich verändert. Viele haben gemerkt, dass das Glücklich-Sein nicht unbedingt an Geld und Konsum gebunden ist. Es braucht viel weniger dazu, damit ein Stück Himmel unter uns sichtbar wird!
Fragen zum Weiterdenken:
1. Wenn ich eine persönliche Liste mit Seligpreisungen machen müsste, wen würde ich da hinein nehmen?
Sie könnte so beginnen:
Selig ist ......................., denn er/sie hat mir zugehört, als ich ganz verzweifelt war.
Selig ist ........................
2. Wo bin ich durch mein Tun und Reden gerufen und gefordert, anderen einen „Blick in den geöffneten Himmel" zu ermöglichen, also ihnen Heil und Zuwendung zu schen-ken?
30. Sonntag im Jahreskreis (A), 25.10.2020, Mt 22,34-40, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Bete und arbeite
Ein junger Mann fuhr mit einem alten Fischer hinaus auf den See. Auf den beiden Rudern entdeckte er die Worte „Bete" und „Arbeite". Er begann sich lustig zu machen über diese frommen Sprüche. Da lächelte der alte Fischer und ruderte nur mit dem einem Ruder, auf dem „Bete" zu lesen war: das Boot drehte sich daraufhin im Kreis. Danach ruderte er nur mit dem Ruder, auf dem „Arbeite" stand. Wiederum drehte sich das Boot nur im Kreis. Da meinte der alte erfahrene Fischer. Nur mit beiden Rudern zugleich kommt man ans Ziel.
Mich faszinieren dieser alte Fischer und seine Art, wie er dem kritischen jungen Spötter antwortet. Mir gefällt der Fischer, weil er so einleuchtend aufzeigt, dass Gottes- und Nächstenliebe zusammengehören.
Die Gegensatzpaare „beten oder den Menschen helfen" und „in die Kirche gehen oder ein guter Mensch sein" sind für mich meist Ausreden, sie sind künstlich und falsch. Es geht nicht um ein „oder", sondern um ein „und".
Wo Menschen nur auf eine Liebe setzen, entweder zu Gott oder zu den Menschen, kommen sie ins Rudern und drehen sich im Kreis. Wer nur Gott lieben will, wird weltfremd, oft auch menschenverachtend und verurteilend oder jemand, der redet und nichts tut. Wer nur die Menschen lieben will und Gott ausblendet, überfordert sich. „Leidenschaftliche Christusliebe verkürzt die Menschlichkeit nicht, im Gegenteil, sie dynamisiert diese." (Bischof Manfred Scheuer)
In einem Sprichwort heißt es: Liebe die Menschen, nicht deswegen, weil sie immer lieb sind, aber deswegen, weil sie alle Liebe brauchen.
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, wenn sie an die ganze Welt denken:
• Kommt da ein Gefühl der Hilfslosigkeit nach dem Motto: „Man kann ja eh nichts ändern!"
• Kommt da ein Gefühl der Dankbarkeit, dass wir in einem sicheren Land leben?
• Kommt da vielleicht auch ein Gefühl der Wut, dass vieles in unserer Welt so ungerecht ist und sich die Menschheit selber das Leben schwer macht?
Bei manchen Konflikten in dieser Welt hat man den Eindruck: Da hilft nur noch beten.
Gebet:
Gott, viele Fragen und Sorgen quälen uns.
Wir wollen Hilfe und Stärkung aus dem Glauben.
Von dir erhoffen wir Wegweisung und Begleitung für unser Leben.
Lass in uns die Liebe wachsen,
die uns mit dir und unseren Nächsten verbindet.
29. Sonntag im Jahreskreis (A), 18.10.2020, Mt 22,15-21, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Staat und Kirche - Wem gehört mein Leben?
Jesus zieht auf einem Esel in Jerusalem ein (Mt 21,1-11). Nach der Tempelreinigung kommt es im Tempel zu Gesprächen mit verschiedensten Gruppen des jüdischen Volkes (Mt 21,23 – 23,39). Diese „klopfen" Jesus anhand ihrer Lieblingsthemen ab, wie er denkt und was er will. Manchen geht es um diese wichtigen Fragen, anderen um Testfragen oder sogar darum, „Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen".
Die religiösen und politischen Gruppen in Jerusalem – Pharisäer, Sadduzäer, Schriftgelehrte, Herodianer, Essener, Hoherrat, Hoherpriester - schließen verschiedene Allianzen, um ihre Interessen durchzubringen. Die Anhänger des Herodes =Herodianer sind Freunde und Nutznießer des Königs und damit auch diejenigen, die eng mit der römischen Besatzungsmacht zusammenarbeiten.
Die Pharisäer sind vom theologischen Denken her weiter als die Sadduzäer. Sie suchen den Kontakt zu den Menschen und sind deshalb im ganzen Land vertreten. Sie versuchen, mit hunderten Gesetzen und Gesetzesnovellen die Menschen zu führen und alles regeln zu können. In der Fülle der Gesetze vergessen sie manchmal die Menschen oder werden scheinheilig und halbherzig.
Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.
Jesus, der große Meister des Lebens und auch Kenner der Menschen, lässt sich auf die Parteispiele und Tricks der Pharisäer und Herodianer nicht ein. Seine Antwort geht tiefer. Im letzten geht es um die Frage „Wem gehört mein Leben?"
Situation heute?
Derzeit erlebe ich das Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander zwischen Staat und Kirche besonders anhand von zwei Frage: Wie und mit welchen Methoden/Gesetzen gehen wir mit der Bedrohung der Coronakrankheit um? Soll aktive Sterbehilfe bestraft werden oder straffrei werden?
Fragen zum Weiterdenken:
• Gehört mein Leben mir und ich kann tun und lassen, was ich will?
• Wo liegt meine Verantwortung für „den Kaiser", nämlich die anderen Menschen und die ganze Welt? Wann und wo ist Widerstand gefordert?
• Ist Gott der Ursprung und das Ziel meines Lebens? Wie kann ich Gott das geben, was Gott gehört?
Gebet von Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika „Fratelli tutti"
Herr und Vater der Menschheit,
du hast alle Menschen mit gleicher Würde erschaffen.
Gieße den Geist der Geschwisterlichkeit in unsere Herzen ein.
Wecke in uns den Wunsch nach einer neuen Art der Begegnung,
nach Dialog, Gerechtigkeit und Frieden.
Sporne uns an, allerorts bessere Gesellschaften aufzubauen
und eine menschenwürdigere Welt
ohne Hunger und Armut, ohne Gewalt und Krieg.
Gib, dass unser Herz sich
allen Völkern und Nationen der Erde öffne,
damit wir das Gute und Schöne erkennen,
das du in sie eingesät hast,
damit wir engere Beziehungen knüpfen
vereint in der Hoffnung und in gemeinsamen Zielen. Amen.
28. Sonntag im Jahreskreis (A), 11.10.2020, Mt 22,1-14, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Ein Gleichnis voll Überraschungen
Jesus erzählt das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl kurz nach seinem Einzug in Jerusalem und somit kurz vor seinem Tod. Der König, der zur Hochzeit einlädt, steht für Gott. Mit dem Sohn ist Jesus gemeint. Und mit der Hochzeitsfeier die große Einladung Gottes an uns Menschen.
Überraschung 1: Gäste kommen nicht
Es zahlt sich aus, auf die Gründe zu schauen, warum die Gäste nicht kommen:
"Sie aber wollten nicht kommen." (Vers 3) Das heißt nichts anderes wie: Ich will heute nicht. Ich habe keine Lust
"Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden" (Vers 5) Ich bin mit meiner Arbeit so beschäftigt, dass ich keine Zeit habe.
Sie fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um (Vers 6) Jesus, der Königssohn selbst wird bald sterben.
• Wo suche ich Ausreden für alles Mögliche?
Überraschung 2: Gott lädt weiter ein
Der König schickt seine Diener aus, um von den Straßen neue Hochzeitsgäste - Böse und Gute - zu holen.
Auch diese Überraschung geht heute weiter. Auch heute geht Gott auf die Straßen hinaus und holt alle zusammen, Böse und Gute. Er will, dass sich der Festsaal mit Gästen füllt.
• Traue ich Gott zu, dass er auch jene Menschen einlädt, die ich nicht mag? Will ich das überhaupt?
Überraschung 3: Meine äußere und innere Haltung
Ein Mann ohne Hochzeitskleid wird hinausgeworfen. Was hat er Schlimmes getan?
Das Kleid steht in der Bibel oft für die innere Einstellung. „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Geduld" heißt es etwa in den Paulusbriefen. Zeige nach außen, was du denkst. Der Mann ohne Festgewand gibt uns zu denken.
• Was tue ich mit innerer Überzeugung, was halbherzig?
• Wo nütze ich andere aus und bin oberflächlich, ohne innere und äußere Vorbereitung
27. Sonntag im Jahreskreis (A), 04.10.2020, Mt 21,33-44, Hinführung
Dekan Franz Troyer, Leiter der Bibelpastoral Innsbruck
Scheinwerfer 1. Gleichnisse erzählen von Jesus und seiner Situation
Wer ein gesamtes Evangelium liest, bemerkt sofort: Am Beginn seines Wirkens erzählt Jesus mit Vorliebe Wachstumsgleichnisse. Man spricht über diese Phase des Wirkens Jesu manchmal vom „Galiläischen Frühling". Auf dem Weg nach Jerusalem erzählt Jesus Gleichnisse, die zur richtigen Entscheidung aufrufen. Kurz vor seinem Tod in Jerusalem geht es Jesus in seinen Gleichnissen um Wachsamkeit und Entschiedenheit. Sein eigenes Schicksal wird darin indirekt angesprochen. So erkennen wir Jesus im Gleichnis von den bösen Winzern als Sohn und Erbe, der von den gierigen Pächtern getötet wird.
Scheinwerfer 2. Gleichnisse haben viel mit uns zu tun
Die Gleichnisse Jesu bieten ganz gezielt viele Parallelen zu uns heute an. Im heutigen Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg geschieht der Vergleich folgendermaßen: Mit dem Weinberg ist der Weinberg unseres eigenen Lebens gemeint, der uns anvertraut ist, aber uns eigentlich nicht gehört. Wer nach dem Motto „Mir gehört alles und ich kann damit tun, was ich will" oder „Hinter mir die Sintflut" lebt, erinnert an die Pächter im Weinberg, die nur ihren kurzfristigen Gewinn im Kopf haben und dabei sogar über Leichen gehen.
Scheinwerfer 3. Gleichnisse helfen uns, die Logik Gottes zu verstehen
Im Gleichnis von bösen Winzern erkennen wir, wie Gott mit Gewalt der Menschen umgeht. Gott schaut nicht einfach zu. Gott schickt Boten, um die Situation zu klären. Leider ohne Erfolg. Gott lässt diese Pächter nicht für immer schalten und walten, sondern setzt sie ab. Aber - und das ist das Neue und besondere an Gott - er verschärft die Gewalt nicht, indem er z.B. alle Pächter umbringen würde, sondern unterbricht die Gewaltspirale:
Hier kommt der Vers zum Tragen, der in der Erzählung etwas unvermittelt steht: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder. (Mt 21,42) Gott schenkt demnach Erlösung durch den Eckstein Jesus.
Zum Weiterdenken:
1. Was würden Sie sagen? Gehört Ihnen Ihr Leben? Gehört Ihnen das Leben Ihrer Kinder?
2. Gehört Ihnen wirklich der ganze Besitz, den Sie Ihr Eigen nennen?
Das Gebet der Vereinten Nationen:
Herr, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen.
26. Sonntag im Jahreskreis (A), 27.09.2020, Mt 21,28-32, Hinführung von Theresia Stonig
Jesus ist bereits in Jerusalem angekommen und geht in den Tempel. Dort vertreibt er zuerst alle Händler und Käufer. Beim nächsten Besuch lehrt er gerade, als die Hohepriester und die Ältesten des Volkes kommen und ihn fragen, in welcher Vollmacht er das tut und wer ihm diese Vollmacht gegeben hat. Er stellt ihnen eine Gegenfrage: Woher stammte die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen? (Mt 21, 25) Damit brachte er die Hohepriester und Ältesten in die Zwickmühle. Hätten sie geantwortet „vom Himmel", dann hätte Jesus sie gefragt, warum sie Johannes dann nicht geglaubt haben. Hätten sie geantwortet „von den Menschen", dann hätten sie sich gegen die Leute gestellt, denn Johannes galt als Prophet.
Daraufhin erzählt Jesus drei Gleichnisse: Das Gleichnis vom willigen und vom unwilligen Sohn, das Gleichnis von den Winzern und das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl. Das erste davon ist unser heutiges Evangelium.
Der erste Sohn ist trotzig und faul, überdenkt aber sein Nein und geht dann doch zur Arbeit. Der zweite ist zuerst gehorsam, will aber dann nicht. Auf die Frage Jesu, wer von den beiden den Willen seines Vaters erfüllt hat, antworten seine Zuhörer, dass der erste Sohn den Willen seines Vaters erfüllt hätte. Jesus hält nichts von einem geheuchelten Ja. Reden allein ist zu wenig, er möchte Taten sehen. Schon in der Bergpredigt heißt es: „Nicht jeder, der zu mir sagt „Herr, Herr" wird in das Himmelreich hineinkommen, sondern der, der den Willen meines Vaters im Himmel tut" (Mt 7,21)
Und Jesus vergleicht den ersten Sohn mit den Zöllnern und Dirnen, die Johannes nicht geglaubt haben, aber trotzdem sind dann viele von ihnen zu Jünger*innen Jesu geworden.
Er geht mit den Hohepriestern und Ältesten streng um, er vergleicht sie mit dem zweiten Sohn. Sie folgen jahrhundertelangen Traditionen und allen Gesetzen. Sie haben Johannes den Täufer gesehen, sie haben seinen Aufruf zur Umkehr und Buße gehört und dass nach ihm einer kommt, der mit dem heiligen Geist tauft. Aber trotzdem glaubten sie nicht.
Zum Weiterdenken:
1. Wo und wie komme ich ins Tun?
2. Wo folge ich alten Traditionen, obwohl ein Umdenken notwendig wäre?
25. Sonntag im Jahreskreis (A), 20.09.2020, Mt 20,1-16a, Hinführung von Theresia Stonig
Nach der Rede über die Gemeinschaft verlässt Jesus mit seinen Jünger*innen Galiläa und zieht in das Gebiet von Judäa. Viele Menschen folgen ihm nach und er heilt sie. Er spricht zu den Themen Ehe, Ehescheidung und Ehelosigkeit, segnet die Kinder und lehrt über die rechte Nachfolge. Am Ende des 19. Kapitels stellt Petrus die Frage, welchen Lohn sie bekommen, da sie alles verlassen haben, um Jesus nachzufolgen. Jesu Antwort lautet sinngemäß: Jeder, der ihm nachfolgt, wird das ewige Leben erben (siehe 19,29). Anschließend erzählt er das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
In Palästina gab es sehr viele Tagelöhner, die von der Hand in den Mund lebten. Zum Überleben brauchten sie einen Denar pro Tag. Es gab viele Arbeitslose, die arbeiten wollten, die jeden Morgen zum Markt gingen, um Arbeit zu finden, aber es gab einfach zu wenig Arbeit. Die Arbeiter der elften Stunde können wir mit Menschen heute vergleichen, die schon lange arbeitslos sind und keine Chance auf einen für sie passenden Job haben. Jesus erzählt die Geschichte so, dass die Arbeiter, die den ganzen Tag geschuftet haben genau mitbekommen, dass die letzten, die gekommen sind gleich viel bekommen. Die Arbeiter der ersten Stunde fühlen sich unfair behandelt, doch der Gutsbesitzer spricht zu einem der Arbeiter: „Dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart?"
Ein anderer Blickwinkel: Der Besitzer des Weinberges hat im Laufe des Tages mehr Arbeiter eingestellt, als er in der Früh kalkuliert hat. Er hat also insgesamt mehr Lohn ausbezahlt. Er hätte auch das ursprünglich kalkulierte Geld auf alle Arbeiter aufteilen können und damit hätten die ersten auf jeden Fall weniger bekommen als ausgemacht. Aber der Weingutbesitzer hält sich an sein Versprechen und bleibt fair. Er betont, dass er mit dem was ihm gehört tun kann, was er will und fragt: „Ist dein Auge böse, weil ich gut bin?" Mit dem „bösen Auge" spricht er den Arbeiter auf seinen Neid an. Durch die Formulierung in der Du-Form spricht Jesus jeden Leser konkret an.
Jesus spricht in diesem Gleichnis von der Güte Gottes. Gott geht es darum, dass jeder genug zum Leben hat. Jeder, der sich zur Mitarbeit im Weinberg rufen lässt, jeder der bereit ist - egal ob früher oder später - bekommt den gleichen Lohn. Damit ist es eine Antwort auf die Frage des Petrus, welchen Lohn sie bekommen werden, sie, die Jesus als erstes nachgefolgt sind. Sie werden ins Himmelreich kommen, aber genauso alle anderen, die bereit sind, Jesus nachzufolgen.
Zum Weiterdenken:
1. Wo erleben wir Neid?
2. Kennen wir Langzeitarbeitslose in unserem Umfeld?
3. Was können wir tun, damit jeder genug zum Leben hat?
24. Sonntag im Jahreskreis (A), 13.09.2020, Mt 18,21-35, Hinführung von Theresia Stonig
Heute hören wir den zweiten Teil der Rede Jesu über die Gemeinschaft. Nachdem Jesus seinen Jünger*innen erklärt hat, wie mit einem sündigen Mitmenschen umzugehen ist, fragt Petrus, der im Matthäusevangelium als Leitfigur der Jünger*innen aufgebaut wird, noch genauer nach und stellt eine rhetorische Frage: Wie oft muss ich vergeben? Bis zu siebenmal? „Siebenmal" symbolisiert als traditionelle Zahl der Vollkommenheit bereits die uneingeschränkte Vergebung. Jesus steigert das noch, um die Wichtigkeit des Vergebens zu betonen.
Und Jesus erzählt das Gleichnis vom König, der von seinen Knechten Rechenschaft verlangt. Der König steht dabei für Gott, die Knechte und Mitknechte für die Menschen, die Gott dienen.
Der Knecht, der dem König zehntausend Talente schuldig ist, wird diese Schuld nie bezahlen können. Ein Talent entsprach zwischen 6.000 und 10.000 Denare, ein Denar war ein Tageslohn und reichte zum Überleben eines Tages aus. Die Summe ist also nicht zurückzahlbar und der Knecht ist auf die Barmherzigkeit des Herrn angewiesen. Er fällt vor dem Herrn auf die Knie und verspricht ihm, alles zurückzuzahlen – obwohl er weiß, dass es unmöglich ist. In seiner Barmherzigkeit schenkt der Herr ihm die Schuld und lässt ihn gehen. Der Knecht müsste eigentlich erleichtert, gut gelaunt und dankbar sein.
Doch er selbst ist nicht bereit, die im Verhältnis geringen und rückzahlbaren Schulden eines anderen Dieners zu erlassen. Er lässt ihn ins Gefängnis werfen, damit seine Verwandten kommen und ihn freikaufen. Die Mitknechte fordern Fairness ein und so verliert der gierige Knecht die Vergebung und ist auf ewig verdammt.
Jesus zeigt die Konsequenzen von mangelnder Vergebungsbereitschaft auf und ruft uns in diesem Gleichnis zu ehrlicher Vergebung und Barmherzigkeit auf.
Zum Weiterdenken:
1. Wo kann ich Schulden erlassen?
2. Wie ist „von Herzen vergeben" möglich?
3. Wo sind wir als „Mitknechte" gefordert und sollten Fairness einfordern?
23. Sonntag im Jahreskreis (A), 06.09.2020, Mt 18,15-20, Hinführung von Theresia Stonig
Kurz bevor Jesus sich mit seinen Jünger*innen von Galiläa aus auf den Weg nach Jerusalem macht, lehrt er ihnen das richtige Verhalten im Miteinander. Kapitel 18 des Matthäusevangeliums ist eine Rede über die Gemeinschaft und eine von den 5 Reden Jesu im Matthäusevangelium. Zu Beginn steht die Frage der Jünger an Jesus: Wer ist denn im Himmelreich der Größte? Jesus stellt ein Kind in die Mitte und erklärt ihnen, dass im Himmelreich derjenige der Größte sei, der sich so klein macht wie dieses Kind und dass derjenige Jesus selber aufnimmt, der ein solches Kind in Jesu Namen aufnimmt (Mt 18, 4-5). Anschließend warnt Jesus sie vor der Verführung zum Bösen und erzählt dann im Gleichnis vom verlorenen Schaf über die große Freude des himmlischen Vaters über das eine gefundene Schaf und jeden Kleinen, der nicht verloren geht. (Mt 18, 12-14)
Darauf folgen die Verse unseres heutigen Sonntagsevangeliums:
In Vers 15-17 lesen wir die Anweisung, wie mit einem sündigen Mitmenschen umgegangen werden soll. Nach jüdischer und urchristlicher Überzeugung verletzt jede Sünde die Gemeinschaft, auch wenn sie nur an einen aus der Gemeinde gerichtet ist. Der erste Schritt soll immer das Gespräch unter 4 Augen sein, um dadurch den Mitmenschen zurück zu gewinnen und um sich zu versöhnen. Wenn nötig soll ein weiteres Gespräch unter Beisein von zwei oder drei Zeugen geführt werden. Dadurch gewinnt die Zurechtweisung an Gewicht. Das setzt aber voraus, dass diese Zeugen nur das Gespräch bezeugen, sich aber nicht ins Gespräch einmischen und dass sie das ganze vertraulich behandeln. Gelingt die Zurückgewinnung des Mitmenschen auf diesem Weg nicht, soll die Gemeinde involviert werden. Hört der Mitmensch auch auf die Gemeinde nicht, heißt es „..., dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner". Er soll aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, mit dem Zweck, dass er durch diese Maßnahme umkehrt. Die Gemeinde drückt damit aus, dass sie sein Verhalten nicht billigt, sie soll ihn aber sofort wieder aufnehmen, wenn er sein Verhalten ändert.
Darauf folgt das Jesuswort über das Binden und Lösen. Ziel soll immer die Lösung des Konflikts und die Wiederaufnahme in die Gemeinde sein, dann ist der Konflikt auch vor Gott gelöst.
Für diese Lösung soll einmütig gebetet werden, sagt Jesus weiter, „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Wenn mindestens zwei der Gemeinde um die Versöhnung beten, ist Jesus in ihrer Mitte.
Zum Weiterdenken:
1. Was hindert mich, etwas unter 4 Augen zu besprechen?
2. Wo sind wir zu zweit oder zu dritt beisammen?
3. Für welche Konflikte können wir beten?
22. Sonntag im Jahreskreis (A), 30.08.2020, Mt 16,21–27, Hinführung von Georg Fischer SJ
Das Bekenntnis des Petrus (siehe das Evangelium vom vorigen Sonntag) bringt eine Wende: Jetzt redet Jesus ganz offen von dem ihm bevorstehenden Weg, einem Durchgang durch Leid und Tod zur Auferstehung (Vers 21). Erneut gibt Petrus seine Meinung kund, diskret Jesus ermahnend und ablehnend, was dieser ansprach (Vers 22). Mit Umdrehen, „Satan" und „Ärgernis" reagiert Jesus ganz scharf (Vers 23) und disqualifiziert die Intervention des Petrus im Gegensatz zu zuvor (Vers 16) als menschliches Denken.
Die unverständige Reaktion des Petrus ist für Jesus Anlass zu einer verstärkten Jüngerbelehrung. Er verlangt für seine Nachfolge zwei Dinge (Vers 24): „Selbstverleugnung" bedeutet, nicht sich und die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zum Maßstab des Handelns zu machen. „Sein Kreuz auf sich nehmen" besteht darin, die Herausforderungen, Belastungen und Leiden des Lebens zu tragen, ohne sich ihnen unverantwortlich zu entziehen. Erst so ist es möglich, Jesus zu folgen.
In den Versen 25–26 vertieft Jesus dies weiter mit Gegensätzen: „Leben retten / (ganze) Welt gewinnen" steht „Leben um meinetwillen verlieren" gegenüber; Letzteres, das zuerst scheinbar Minderung beinhaltet, führt zu einem viel reicheren „finden". Die Verse 27–28 motivieren zu einem solchen „Lebensverlust" mit Verweisen auf Lohn in der zukünftigen Herrlichkeit des Menschensohnes und das baldige Kommen seines Reiches.
Zum Weiterdenken:
1. Wo denke ich ‚menschlich', will Leiden ausweichen?
2. Bin ich bereit, wegen der Ausrichtung auf Jesus ‚Leben zu verlieren'?
21. Sonntag im Jahreskreis (A), 23.08.2020, Mt 16,13–20, Hinführung von Georg Fischer SJ
Unter Menschen ist beliebt, sich Bilder von Anderen zu machen und – oft in deren Abwesenheit – über sie zu reden. Jesus erkundigt sich ganz im Nordosten des Landes, einer kaiserlichen Stadt, nach den über ihn kursierenden Vorstellungen (Vers 13), wobei er von sich als „Menschensohn" spricht (Vers 13). Die drei in Antworten genannten Namen (Vers 14) weisen auf bedeutsame Menschen der Vergangenheit; bei Elija bestand die Erwartung, dass er wiederkommt (Mal 3,23–24). Johannes und Jeremia waren Bußprediger; dies mag ihre Nähe zu Jesus erklären.
Es genügt nicht, was Andere sagen. Jesus verlangt von seinen Jüngern eine eigene Meinung (Vers 15). Petrus tut sich hervor mit dem doppelten Bekenntnis, Jesus als den erwarteten „Gesalbten" (= Christus / Messias) und noch darüber hinaus als „Sohn des lebendigen Gottes" anzusehen (Vers 16). Dies wiederum bringt Jesus dazu, Petrus zuerst eine Seligpreisung (Vers 17) und dann in einer längeren Antwort die ihm zukommende Bedeutung zuzusprechen (Verse 18–19).
Die ‚Beglückung' des Petrus besteht in der vom himmlischen Vater geschenkten Offenbarung, die jenseits menschlicher Erkenntnis liegt („Fleisch und Blut"). In Entsprechung zu Vers 16 sagt Jesus in Vers 18 umgekehrt ihm zu, wer er für ihn ist, und damit auch neue Identität: „Simon, Sohn des Jona" wird zu „Petrus", griechisch für „Fels", der der Gemeinde der Gläubigen festen Halt geben soll; selbst die „Pforten der Unterwelt", symbolisch für den Weg zum Tod (Jes 38,10; Ps 9,14; Ijob 38,17; Weish 16,13), vermögen sie nicht zu überwinden. Positiv, über die negative Bestimmung hinaus, stattet Jesus Petrus zusätzlich mit den „Schlüsseln des Himmelreichs" aus und der Vollmacht, bleibend gültig zu „binden" und zu „lösen", vermutlich für die Autorität rechtlicher Entscheidungen und der Leitung der Gemeinde (Vers 19). Das Verbot in Vers 20 gilt bis dahin, wann in Kreuz und Auferstehung (siehe Vers 21) öffentlich sichtbar wird, dass Jesus wirklich der Christus ist.
Zum Weiterdenken:
1. Wie denken und reden wir von Anderen?
2. Welche Antwort geben wir auf Jesu Frage?
20. Sonntag im Jahreskreis (A), 16.08.2020, Mt 15,21–28, Hinführung von Georg Fischer SJ
Nach der vorausgehenden Auseinandersetzung mit Pharisäern und Schriftgelehrten (ab Mt 15,1) sucht Jesus fremdes Gebiet auf, im Nordwesten Richtung Mittelmeer (Vers 21). Eine Frau aus jener Gegend, anderen Glaubens („kanaanäisch", Vers 22) wendet sich bittend an Jesus um Heilung für ihre „schlimm besessene" Tochter, mit zwei ehrenden Anreden: „Herr! Sohn Davids!" – Jesus reagiert darauf erstmals gar nicht. Danach, auf die Intervention seiner Jünger, klärt er als Grund dafür sein Verständnis, ausschließlich „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel" gesandt zu sein (Verse 23–24).
Schließlich, in einem dritten Schritt, erteilt er der vor ihm am Boden liegenden bittenden Frau direkt mit einem abwertenden Vergleich eine Abfuhr („Kinder – Hunde", Verse 25–26). Als die Frau dann aber diese beleidigende Zurücksetzung übernimmt und positiv wendet (Fütterung auch der Hunde, Vers 27), wird Jesus ‚bekehrt' und gibt ihrem Wunsch nach, ihren „großen Glauben" anerkennend (Vers 28).
Zum Weiterdenken:
1. Wo erhören wir berechtigte Bitten nicht?
2. Wo müssen wir wie Jesus umdenken lernen?
19. Sonntag im Jahreskreis (A), 09.08.2020, Mt 14,22–33, Hinführung von Georg Fischer SJ
Nach dem Aufschub von Jesu Vorhaben durch die Volksmenge (siehe das Evangelium des letzten Sonntags) geht er es jetzt gegen Abend hin gezielt an. Er entlässt zuerst die Jünger, dann das Volk und bleibt allein zurück (Vers 23), für nahezu die ganze Nacht: Die „vierte Wache" (Vers 25) entspricht 3 bis 6 Uhr in der Früh. So langes Aufbleiben zum Gebet auf einem Berg in der Nacht ist eine tiefgehende, prägende Erfahrung: Die Verbindung mit Gott überwindet Müdigkeit und Dunkelheit, sie lässt am Berg Schöpfung wahrnehmen und neue Sicht gewinnen.
Für die Jünger verläuft die Nacht anders. Sie kämpfen im Boot mit Wind und Wellen (Vers 24), während Jesus problemlos auf dem See dahinspaziert (Vers 25). Weitere Gegensätze folgen mit der Angst, dem Verkennen („Gespenst") und Schreien der Jünger und dem Sich-zu-erkennen-Geben Jesu und seiner auffordernden Ermutigung zu Furchtlosigkeit (Verse 26–27). Darin zeigt sich, symbolisch, der Unterschied zwischen menschlichem Bemühen und Getragensein von Gott.
Petrus will sich mutig auf diese andere Weise des Lebens von Gott her und mit Jesus einlassen (Vers 28) und erhält dafür die Einladung: „Komm!" (Vers 29). Es geht solange gut, wie Petrus auf Jesus zugeht; dies endet aber durch den Blick auf den Wind, der in Petrus Angst auslöst (Vers 30). Sein Schreien um Rettung lässt Jesus „sofort" einschreiten, und dessen ausgestreckte Hand bewahrt den „Kleingläubigen" vor dem Untergang (Vers 31). Das ganze Geschehen führt die Jünger zum verehrenden Niederknien und zur Erkenntnis Jesu als „Sohn Gottes" (Vers 33).
Zum Weiterdenken:
1. Wo lässt Gott mich ‚über Wasser gehen'?
2. Wo zeigen Jünger Jesu heute Angst und Kleinglauben?
18. Sonntag im Jahreskreis (A), 02.08.2020, Mt 14,13–21, Hinführung von Georg Fischer SJ
Jesu Hören in Vers 13 bezieht sich auf den zuvor geschilderten Mord an Johannes dem Täufer (Mt 4,1–12). Er fährt „von dort" (vermutlich Kafarnaum, kaum das in Mt 13 zuletzt erwähnte Nazareth) an einen „öden Ort" am Ufer des Sees Gennesaret. Sein Ziel ist, mit den Jüngern „für sich" zu sein, eine Wendung, die auch nachher in Vers 23 wiederkehrt, wo Jesus in der Nacht allein zum Beten auf einen Berg steigt. Erschütternde Ereignisse verlangen nach Reflexion, neuer Orientierung und Gebet.
Jesu Vorhaben wird empfindlich gestört. Auch die Volksmenge „hört" (Vers 13) vom Wegfahren Jesu und folgt zu Fuß. Jesu Reaktion auf die ‚Störung' ist Mitleid und Heilen (Vers 14). Als der Abend hereinbricht, zeigt der Vorschlag der Jünger, wie sie sich des ‚Problems' entledigen wollen. Doch Jesus weist sie mit seiner Aufforderung auf ihre Verantwortung hin (Verse 15–16). Wo sie das, was sie haben (Vers 17), herbeibringen (Vers 18), Jesus in Verbindung mit seinem Vater („hinaufblickend zum Himmel") den Lobpreis spricht, es teilt, und auch die Jünger es teilend weitergeben (Vers 19), ereignet sich das Wunder, dass alle essen und satt werden, und noch viel übrigbleibt (Vers 20).
Zum Weiterdenken:
1. Wo kommen Menschen der Kirche ihrer Verantwortung nicht nach?
2. Was kann / will ich teilen, dass Andere ‚satt' werden?
17. Sonntag im Jahreskreis (A), 26.07.2020, Mt 13,44–52, Hinführung von Carina Mathoy
Mit Mt 13,44-52 wird der Kreis der sieben bekannten Gleichnisse geschlossen. Nach dem Gleichnis vom Sämann, den drei Gleichnissen vom Unkraut, Senfkorn und Sauerteig, folgen nun die restlichen drei vom Schatz im Acker, der Perle und dem Fischernetz.
Jesus stellt durch seine Gleichnisse keine genaue Beschreibung des Himmelreiches dar, sondern er will dessen Wesen begreiflich machen. Mit der Einleitungsformel: „Mit dem Himmelreich ist es wie..." versucht er die Maßstäbe und das Handeln Gottes aufzuzeigen. In den Gleichnissen mit dem Schatz und der Perle sind wir schnell dazu verleitet, die Wörter „Himmel" bzw. „Glaube" dafür einzusetzen. Zudem scheint es in weiterer Folge eine konkrete Handlungsanweisung zu geben: Handle so wie der Mann, der alles verkauft, nur für diesen wertvollen Schatz. Heißt das, wir sollen alles für das Himmelreich aufgeben, um es zu gewinnen? Wenn wir jedoch auf die vergangen Sonntagsevangelien blicken, wird der Sämann oder der Gutsherr mit Gott selbst gleichgesetzt. Was würde das in dieser Textstelle bedeuten und umkehren? Wer ist dann mit dem Schatz, der Perle und den Fischen gemeint? In logischer Konsequenz ist es der Mensch – sind es wir selbst. Es fällt auf, dass der Sämann, der Gutsherr, der Fischer eine aktive Rolle einnehmen. Die Kernaussage dieser Gleichnisse ist also immer dieselbe: Wer Gottes Wort hört, es versteht und wachsen lässt in seinem Leben, bringt reiche Frucht, ist wie ein kostbarer Schatz, eine wertvolle Perle, ein guter Fisch. Gott ist der Handelnde, der in Jesus „alles verkauft" hat, um den Schatz und die Perle zu gewinnen. Das Himmelreich wird somit nicht als Belohnung dargestellt, die man sich verdient. Die großen Dinge wie Liebe, Vergebung und das Himmelreich verdienen wir uns nicht, sondern sie werden uns geschenkt. Das Hören auf Gottes Wort und der Dienst am Nächsten sind ein guter Weg, um von Gott „gewählt" und beschenkt zu werden, wie die guten Fische. Darin spiegelt sich die zweifache Grundbedeutung des Wortes „Glauben" wider: Treue zu Gott und Vertrauen in Gott.
Zum Weiterdenken:
1. Was hat großen Wert in meinem Leben? Wo bin ich Schatz?
2. Wo sind für mich Orte des „Wachsens"?
3. Spielt das „Himmelreich" in meinem Alltag eine Rolle bzw. beeinflusst es mein Handeln?
16. Sonntag im Jahreskreis (A), 19.07.2020, Mt 13,24–43, Hinführung von Carina Mathoy
Die Sonntagsevangelien im Juli stehen ganz im Zeichen der sieben bekannten Gleichnisse Jesu. Nach der Erzählung vom Sämann vergangene Woche werden in Mt 13,24-43 gleich drei Gleichnisse angeführt: zuallererst das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen, anschließend vom Senfkorn und vom Sauerteig und abschließend die Deutung des Unkrautgleichnisses. Im Hinterkopf ist zu behalten, dass im Matthäusevangelium zeitgebundene Probleme und Fragen dieser Gemeinde Niederschlag gefunden haben. Jesus verwendet wiederum bekannte Bilder der damaligen Lebenswelt, um seine Gleichnisse den Menschen näherzubringen. Die vertraute Formel „Mit dem Himmelreich ist es wie...." (V 24) leitet das Gleichnis ein und erinnert an den Sämann. Der Feind kommt in der Nacht und sät Unkraut unter den Weizen. Als der Samen und das Unkraut aufgehen, lässt der Gutsherr das Unkraut jedoch nicht von den Knechten ausreißen. Die Zeit der Kirche und unseres Lebens ist die Zeit der Saat und des Wachstums. Aber auch dort sprießen Hass, Neid, Hochmut und Ungerechtigkeit. Gott lässt beides gedeihen und gibt uns Menschen ein Leben lang Zeit, um zu wachsen. Ab V 31 beginnt das Gleichnis mit dem Senfkorn. Obwohl es unter den Samenkörnern das kleinste ist, wächst es zu einem großen Baum heran. So lassen sich auch die Gottesherrschaft und das Leben Jesu verstehen. Das Reich Gottes in der Welt wächst langsam, braucht Zeit und Geduld. Das dritte und letzte Gleichnis beginnt und endet mit V 33. Auf die landwirtschaftlichen Bilder folgt nun ein häusliches Beispiel mit einer Frau als Protagonistin. Die auffällige Formulierung, dass der Sauerteig unter dem Mehl „verborgen" wird, bringt das Unaufhaltsame und Unscheinbare des Himmelreiches zur Sprache. Wie der Sauerteig seine große Kraft entfaltet, sobald er angesetzt ist, entfaltet Gottes Wirken in der Welt eine unaufhaltsame Bewegung. Es fällt auf, dass Jesus seinen Jüngern die Gleichnisse oft im Nachhinein erläutert, das verwundert, weil sie zum inneren Kreis gehören. Nach der Einleitung „Mit dem Himmelreich ist es wie..." schließt sich der Kreis mit der Endzeitvorstellung und der strikten Trennung von Gut und Böse am Ende der Welt. Diese apokalyptischen Bilder sollen weniger die tatsächlichen Vorgänge widerspiegeln, sondern viel mehr eine Motivation zum richtigen und guten Handeln sein. Das Himmelreich ist jetzt schon angebrochen und jeder/jede ist dazu aufgefordert, am Wachsen in der Welt mitzuwirken.
Zum Weiterdenken:
1. Wo wächst in meinem Leben guter Samen oder auch so manches „Unkraut"?
2. Wo kann ich in meiner näheren Umgebung Gutes säen?
3. Wo ist das Himmelreich in der Welt schon angebrochen?
15. Sonntag im Jahreskreis (A), 12.07.2020, Mt 13,1–23, Hinführung von Carina Mathoy
Wie sooft in den Evangelien wird ein neuer Abschnitt mit einem Ortswechsel verbunden. Jesus verlässt das Haus und begibt sich an das Ufer des Sees. Es wird berichtet, dass sich auch dort viele Menschen um ihn versammelten und er vom Boot aus mehrere Gleichnisse an die Menschenmenge richtete. Jesus geht in seinen Bildern auf die Lebenswelt der Menschen ein und verwendet häufig Vergleiche zu landwirtschaftlichen Tätigkeiten.
In vielen Gleichnissen finden wir die Bemerkung: „Mit dem Himmelreich ist es wie ..." – hier aber fehlt dieser Vergleich. Jesus beginnt sofort mit dem Gleichnis und erläutert die Vorgehensweise des Sämanns. Das Verhältnis ist jedoch verdreht. Die unfruchtbaren Untergründe scheinen zu überwiegen. Obwohl es hoffnungslos erscheint, kommt am Ende doch der nicht erwartete, vielfache Ertrag heraus. Was hat jedoch das Bild des Sämanns mit dem Hören zu tun? In den Versen 18-23 löst Jesus das Gleichnis seinen Jüngern auf: Bei jenen, die das Wort hören und nicht verstehen, ist der Samen auf den Weg gefallen. Bei jenen, die das Wort hören und freudig aufnehmen, bei Bedrängnis aber unbeständig werden, ist der Samen auf felsigen Boden gefallen. Bei jenen, die das Wort zwar hören, aber im Reichtum und in den irdischen Sorgen verweilen, erstickt die Frucht. Auf guten Boden ist das Wort Gottes gefallen, wenn sein Wort gehört und verstanden wird.
Die Botschaft, die Jesus verkündet, findet zwar viele Zuhörer, jedoch wird sie nur von wenigen verstanden. Die Matthäusgemeinde will eine Antwort finden, warum die Botschaft Jesu bei einigen „fruchtet" und bei anderen nicht. Diese Tatsache wird auch in anderen Schriftstellen sichtbar – genannt wird hier Jesaja, der von Jesus ausführlich zitiert wird (Jes 6,9-10). Der Prophet beantwortet diese Frage mit der Härte des Herzens und der „Bestimmung", dass Gott selbst nicht allen das Verständnis schenkt – und Jesus? Er erklärt diese Realität auf ähnliche Weise. Nicht alle ursprünglichen Adressaten der Botschaft hören und verstehen und so sucht das Wort Gottes neue Menschen und Wege. Gott will uns die Freiheit bewahren, sein Wort und seine Botschaft aufzunehmen oder nicht – damals wie heute.
Zum Weiterdenken:
1. Wo komme ich mit dem Wort Gottes in Berührung?
2. Wie kann das Wort Gottes wieder neu zur Sprache gebracht werden?
3. Beeinflusst Gottes Wort mein Handeln und Tun im Alltag?
14. Sonntag im Jahreskreis (A), 05.07.2020, Mt 11,25–30, Hinführung von Carina Mathoy
Jesus berichtet über die enge, fast schon geheimnisvolle, Beziehung zwischen ihm und Gott. Er beschreibt die tiefe Verbundenheit zwischen ihm und seinem Vater und öffnet diese gleichzeitig: „Niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will." (Vers 27) Jesus kehrt in seinen Aussagen die vorherrschenden Verhältnisse um und will vor allem die Unmündigen und Schwachen in diese Gottesbeziehung mit hineinnehmen und ein Kennen-lernen ermöglichen.
Um diese Umkehr zu verstehen, ist ein Blick in den Text der heutigen ersten Lesung (Sach 9,9-10) hilfreich. Dort ist von einem König die Rede, der Jerusalem und den Völkern Gerechtigkeit und Rettung bringt. Es wird ein Gegenbild eines Herrschers beschrieben – kein selbstherrlicher König auf einem stolzen Ross, sondern einer, der auf einem jungen Esel reitet.
Auch die Evangelien nehmen dieses Bild auf und setzen es mit Jesus in einen neuen Kontext. Im Matthäusevangelium ist er der König, der Erquickung, Frieden und Ruhe in mühevollen Zeiten schenkt. Zudem ist seine Botschaft eine Einladung für ein gelingendes Leben. Implizit wird in Vers 29 die Frage gestellt: Wie ist ein gutes, glückliches Leben möglich? Jesus ist, wie sooft in den Evangelien, klar und einfach in seinen Worten und legt uns seine Lebensweise nahe: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig." (Vers 29)
Zum Weiterdenken:
1. Wie ist gutes, gelingendes Leben heute möglich?
2. Wie verstehe ich meine Gottesbeziehung?
13. Sonntag im Jahreskreis (A), 28.06.2020, Mt 10,37–42, Hinführung von Jakob Bürgler
Das Evangelium des Sonntags ist einer der fünf großen Reden Jesu entnommen, die uns der Evangelist Matthäus überliefert. Es ist die dritte Rede, die sogenannte „Aussendungsrede" (Mt 9,35 – 11,1).
„Jesus ruft seine Zwölf Jünger zu sich, gibt ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten zu heilen und sendet sie aus zu verkünden, dass das Himmelreich nahe ist. Er gibt ihnen auch die verschiedensten Anweisungen mit auf dem Weg, angefangen von dem, was sie mitnehmen sollen bis hin zu Verhaltensregeln und Warnungen. Die Worte, die wir hier finden, erscheinen sehr radikal und hart im Vergleich zu vielen anderen Aussagen." (Regina Wagner, Predigtforum 1999)
Woher kommt diese Radikalität? Das Matthäusevangelium entstand um 80 nach Christus. Neben dem Markusevangelium stand für Matthäus auch eine „Sammlung von Reden Jesu" (Logienquelle) zur Verfügung (eventuell nur mündlich überliefert). Beim Versuch, diese Logienquelle zu rekonstruieren, werden Texte sichtbar, die durch ihre Radikalität irritieren und erschrecken, vor allem dann, wenn man sie aus dem Gesamtkontext der Evangelien herauslöst und isoliert betrachtet.
Was ist der konkrete zeitliche Hintergrund bei der Entstehung des Matthäusevangeliums? Es hat damals wohl Wanderprediger gegeben, die ganz radikal das Leben Jesu nachvollziehen wollten. „Aus der Motivation heraus, dass das Himmelreich nahe bevorstünde, ließen sie alles zurück, wanderten herum wie Jesus und predigten. In völliger Besitzlosigkeit, ohne Familie, ohne jede Sicherheit, fühlten sie sich gesandt, das jüdische Volk zur Umkehr zu rufen." (Regina Wagner)
Was bedeuten diese Texte für uns? Die Nachfolge Jesu ist keine Nebensächlichkeit, keine Sache, die man so nebenbei machen kann. Sie fordert heraus. Sie fordert eine Entscheidung. Sie will das ganze Leben prägen. Es geht letztlich um die Frage, was Jesus Christus für dich und mich bedeutet und was ich bereit bin, für ihn einzusetzen. Anders formuliert: Das Leben soll von einem zentralen und alles bestimmenden Orientierungspunkt her gedeutet und gelebt werden – und dieser Punkt ist Christus. Es geht nicht um die Abwertung von menschlichen Beziehungen oder Werten, sondern um die Hinordnung dieser Wirklichkeiten auf ein alles tragendes Fundament.
Wer sich auf dieses Risiko einlässt, wird „belohnt" werden. Das heißt: Das Wagnis ist kein Harakiri-Unterfangen, sondern ein Weg mit einem Ziel, das den Verzicht aufwiegt, ihn sinnvoll erscheinen lässt und ganzheitliche Erfüllung verspricht.
Zum Weiterdenken:
1. Wie geht es mir, wenn ich im Evangelium Texte lese, die sehr radikal sind?
2. Kann ich der Orientierung des ganzen Lebens an Jesus Christus etwas abgewinnen?
3. Wo zeigt sich bei mir die Entschiedenheit im Blick auf meine soziale Umgebung?
12. Sonntag im Jahreskreis (A), Herz-Jesu-Sonntag, 21.06.2020, Mt 11,25–30, Hinführung von Jakob Bürgler
Das Evangelium vom Hochfest „Heiligstes Herz Jesu" erschließt einige Zugänge zum Herzen (und damit zur Personmitte) Jesu und lädt ein, sich ihm anzuvertrauen. Der Text besteht aus drei zusammengefügten Teilen.
Im ersten Abschnitt wird der Dank Jesu an seinen lieben Abba-Vater im Himmel ausgedrückt (Verse 25-27). Dieser Dank ist Zeichen einer ganz innigen Verbundenheit. Man könnte sagen: Vater und Sohn leben und wirken „Herz an Herz". Im Johannesprolog (Joh 1,1-18) wird der Sohn als der beschrieben, der „am Herzen des Vaters ruht". „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht." (Joh 1,18)
Das Zueinander von Vater und Sohn, das in Vers 27 beschrieben wird, gilt als wesentlicher Baustein für die theologische Lehrentwicklung der Kirche. Man kann diesen Vers auch als „Selbstoffenbarung Jesu" bezeichnen. Jesus ist der Menschensohn, dem alles übergeben wird, und gleichzeitig der Sohn Gottes, der in einzigartiger Gemeinschaft mit seinem lieben Vater lebt.
Teil dieses ersten Abschnitts ist auch die Hervorhebung der „Unmündigen". Dahinter verbirgt sich die Verkündigungssituation Jesu. Die gelehrten und gebildeten Leute lehnen Jesus ab. Die einfachen und kleinen Leute nehmen seine Worte an und setzen ihr Vertrauen in ihn. Voraus geht diesem Vers eine Reihe von Wehrrufen, die jenen gelten, die sich nicht anrühren lassen, weder durch Jesu Wort noch durch seine Zeichen.
Im zweiten Abschnitt (Vers 28) hören wir die Einladung Jesu, zu ihm zu kommen, bei ihm „Erquickung" zu finden. Diese Einladung ergeht an jene, die mühselig und beladen sind. Es ist dies ein ganz und gar tröstliches Wort, das dazu ermutigt, das eigene oft wunde und unruhige Herz dem Herzen Jesu anzuvertrauen.
Der dritte Abschnitt (Verse 29-30) beinhaltet die Aufforderung Jesu, SEIN Joch aufzunehmen und zu tragen. Gemeint ist das Joch des Gesetzes. Wer sich an Jesus hält, ist an sein zentrales Gebot gebunden: An das Gebot der Liebe. Liebe vermag es, die größten Belastungen in Hingabe und Zuneigung zu verwandeln.
Alles in allem geht es um einen Lernweg: In der Nähe und Gegenwart Jesu können Menschen ein Leben der Güte und der Bescheidenheit lernen. So kommt die menschliche Seele zur Ruhe. Nicht um das Lernen einzelner Sätze und Lehren geht es, sondern um das Lernen am konkreten Leben Jesu.
Zum Weiterdenken:
1. Was verbinde ich mit dem Bild des Herzens Jesu? Kann ich darin einen Ort der Ruhe und der Erfrischung sehen?
2. Wo sehe ich Menschen, die ein schweres Joch zu tragen haben? Wie kann ich das Joch Jesu mittragen?
Jesus sieht, dass die Menschen müde und erschöpft sind. Er will, dass allen ein „Leben in Fülle" (Joh 10,10) geschenkt ist.
Die Erschöpfung gründet im Mangel an Hirten. Es ist der Mangel an Menschen, die Auf-Atmen schenken, Lebensquellen erschließen, das Leben „hüten" und helfen, dass Wunden heilen.
Die Bitte um Arbeiter für die Ernte bildet die Antwort auf die Beobachtung des Mangels. Diese Bitte ist in einer großen Weite zu sehen: Es geht um Menschen, die für andere einen wie immer gearteten Hirtendienst übernehmen.
Nicht die Jünger sollen die Arbeiter erwählen und aussenden, sondern der Herr – ein wichtiger Hinweis! Die Vollmacht liegt in den Händen Jesu.
Dazu kommt seine Aussage, dass die Ernte groß sei. Es ist gut, den eigenen Blick zu verändern und wegzukommen vom Jammern über zu wenig Interesse. Mit Jesus gilt es, darauf zu schauen, wo und wie Menschen nach Leben dürsten, und dort anzusetzen.
Die Zahl zwölf macht deutlich, dass Jesus bei der Sammlung des neuen Gottesvolkes auf das Fundament der zwölf Stämme Israels aufbaut. Die Aufzählung der Namen weist darauf hin, dass es immer um konkrete Menschen und deren Lebenshingabe geht.
Die Aussendung durch Jesus bezieht sich auf die „verlorenen Schafe des Hauses Israel". Ihnen gilt die erste Aufmerksamkeit. Im Gesamt des Evangeliums ist klar, dass die frohe Botschaft allen Menschen gilt.
Die Sendung der Gesandten gründet auf eine positive Intervention Gottes. Es gilt, die Präsenz und Wirkkraft Gottes gilt zu verkünden, dazu die Stiftung neuen Lebens und die Heilung aller Verwundungen.
Spannend ist der Abschluss der Sendungsworte: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben." (Mt 10,8) In unserem Sprachgebrauch bedeutet „umsonst" oft „ohne Erfolg". Das lateinische Wort für Umsonst lautet „frustra". Davon leitet sich unser Wort „frustriert" ab. Im Evangelium ist „umsonst" im Sinn von „gratis" gemeint. Im lateinischen Text steht hier „gratis". Die Gesandten Jesu bekommen alles als Geschenk. Deshalb können sie es auch nur „umsonst", also als Geschenk, weitergeben.
Zum Weiterdenken:
1. Kenne ich Menschen, die für mich wie eine Hirtin oder ein Hirte sind? Wo übe ich den Hirtendienst selber aus?
2. Kann ich den positiven Blick Jesu auf eine große Ernte teilen?
3. Wie kann ich das „Gratis" Gottes konkret weitergeben?
Das Evangelium ist dem nächtlichen Gespräch zwischen Nikodemus und Jesus entnommen. Nikodemus ist ein Mann, der nachdenkt und nachforscht, der sich nicht mit Oberflächlichkeit und (ver)einfachen(den) Botschaften und Antworten zufriedengibt. Er möchte verstehen. Er ist ein Suchender. Und er ist einer, der von der Herzmitte Jesu berührt worden ist.
Nikodemus kommt in der Nacht zu Jesus. Wir kennen das: Am Abend, wenn es dunkel ist, wenn nichts mehr ablenkt, wenn Ruhe einkehrt, dann kommen die grundlegenden Fragen ans Licht, dann beginnen wir nachzudenken und kommen ins Gespräch. Dann führen Worte manchmal in die Tiefe und ins Wesentliche.
In dieses nächtliche Gespräch hinein ist der Text des heutigen Evangeliums verortet. Es geht um den Kern der Frohen Botschaft, um ein „Evangelium" in Reinkultur. „Wurzel" für Jesu Kommen in die Welt und für sein Wirken unter den Menschen ist die Liebe. Die Liebe treibt den Vater an – und Jesus. Die Liebe ist so groß, dass alles aus Hingabe geschieht. Jesus verschenkt sich, er gibt sich hin – aus Liebe.
Ziel der Liebe ist, dass alle, die glauben, gerettet werden. Das bedeutet nicht, dass jene, die nicht glauben, nicht gerettet werden. Die Aussage ist nicht ausschließend gemeint, sondern zusagend. Jene, die glauben, finden, weil sie glauben, zu einem erfüllten und erlösten Leben. Der Gott, den Jesus verkündet und erlebbar macht, ist nicht ein richtender Gott, sondern einer, der retten will und erlösen und heilen. Wer diese Zuneigung nicht annimmt, richtet sich selbst. Er bringt sich selbst um den Schatz eines erlösten Lebens.
Das Evangelium kann als Zeugnis für den dreieinen Gott gelesen werden. Gott, der Sohn und die Liebe. In Jesus wird der Vater sichtbar, und das Tun Jesu ist getragen vom Geist der Liebe.
Zum Weiterdenken:
Pfingstsonntag (Lesejahr A), 31.05.2020, Joh 20,19-23
Kreuzzeichen
Gebet
Komm, Heiliger Geist,
du Geist der Wahrheit, die uns frei macht.
Du Geist des Sturmes, der uns unruhig macht,
Du Geist des Mutes, der uns stark macht.
Du Geist des Feuers, das uns glaubhaft macht.
Komm, Heiliger Geist,
du Geist der Liebe, die uns einig macht.
Du Geist der Freude, die uns glücklich macht.
Du Geist des Friedens, der uns versöhnlich macht.
Du Geist der Hoffnung, die uns gütig macht.
Komm, Heiliger Geist!
(Leonardo Boff)
Das Evangelium vom Sonntag lesen: Joh 20,19-23
Hinführung lesen
von Mira Stare
Als Angehörige der Bewegung Jesu haben die Jünger Jesu nach seiner Hinrichtung Angst vor den Juden. Denn die jüdischen Autoritäten haben in Jesus den Gotteslästerer gesehen und auch aus diesem Grund für ihn die Todesstrafe verlangt. Der Jüngerkreis Jesu ist nun beisammen, aber bei verschlossenen Türen.
In dieser mit Angst beladenen Situation kommt der auferstandene Jesus noch bei verschlossenen Türen in ihre Mitte. Seine ersten Worte sind die Worte des Friedens: „Friede sei mit euch!". Er zeigt ihnen seine Hände und seine Seite und damit seine Wundmale und noch einmal wiederholt er den Friedensgruß. Die Jünger Jesu, die ihn in der Passion und in der Todesstunde in Stich gelassen haben, bekommen nun von Jesus weder Rache noch Vorwürfe, sondern den Frieden – den umfassenden Frieden im Sinne vom hebräischen Schalom. Bereits hier gehen seine Worte aus den Abschiedsreden in Erfüllung, wo er sagt: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch" (Joh 14,27); „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt" (Joh 16,33). Die Jünger sehen und erkennen Jesus, wie dies bereits vorher Maria Magdalena erfahren hat. Die Angst der Jünger ist nun in Freude verwandelt.
Die Begegnung mit dem Auferstandenen intensiviert sich noch einmal. Die Jünger, die den Herrn „sehen" und „Friede" erfahren sowie „Freude", sind in der Lage, einen Sendungsauftrag auszuführen. Jesus sendet sie, „wie" bzw. „weil" der Vater ihn gesandt hat, haucht sie an und sagt ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist!" (V. 22b). Das Wort „anhauchen" (emphysaō), das nur hier im Neuen Testament vorkommt, findet sich auch im Schöpfungsbericht: „Und es bildete JHWH, Elohim, den Menschen (aus) Staub vom Erdboden und hauchte (emphysaō) in seine Nase / Angesicht Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele" (Gen 2,7). Vor diesem Hintergrund ist das „Anhauchen" in Joh 20,22 als Sinnbild für die Übertragung von Leben und als Zeichen für den Anbruch einer neuen Schöpfung zu verstehen. Die Jünger empfangen den Lebensgeist, von dem der Auferstandene selbst erfüllt ist. Ihre Sendung ist mit ihrem Zeugnis für Jesus und seiner Sendung verbunden und damit auch mit der Sündenvergebung.
Zum Weiterdenken
1. Aufgrund des gewaltsamen Todes Jesu haben die Jünger Jesu Angst vor den Juden und bleiben bei verschlossenen Türen. Gibt es äußere und innere Ängste, die auch mich lähmen, zu Jesus auch in der Öffentlichkeit und vor anderen Menschen zu stehen?
2. Die Jünger Jesu, die ihn in der Passion im Stich gelassen haben, erfahren von dem Auferstandenen keine Vergeltung, sondern seinen Frieden und seinen Geist. Gibt es Erfahrungen in meinem Leben, wo mein Versagen nicht verurteilt, sondern vergeben wird, wo meine Angst in Freude verwandelt wird?
3. „Empfangt den Heiligen Geist!" – Der Auferstandene „haucht" auch uns an mit seinem Lebensgeist und sendet uns als seine Zeuginnen und Zeugen zu den Menschen. Wie und wo ist mein Christ-Sein mit der Sendung verbunden?
Gedankenaustausch oder Stille
Der Blick auf bedürftige Menschen:
Nur das Wasser, das wir zu trinken gaben, wird uns erfrischen.
Nur das Brot, das wir zu essen gaben, wird uns sättigen.
Nur das Kleid, das wir verschenkten, wird uns bekleiden.
Nur das Wort, das Leiden linderte, wird uns trösten.
Nur der Kranke, den wir besuchten, wird uns heilen.
Nur der Gefangene, den wir befreiten, wird und erlösen.
(T. Convalvatica)
Vater unser
Segen:
Göttlicher Segen sei mit dir
Göttliche Kraft stärke deinen Rücken,
dass du aufrecht stehen kannst, wo man dich beugen will.
Göttliche Zärtlichkeit bewahre deine Schultern
so dass die Lasten, die du trägst, dich nicht niederdrücken.
Göttliche Weisheit bewege deinen Nacken,
so dass du deinen Kopf frei heben und ihn dorthin neigen kannst,
wo deine Zuneigung von Nöten ist.
Göttliche Zuversicht erfülle deine Stimme,
sodass du sie erheben kannst, laut und klar.
Göttliche Sorgfalt behüte deine Hände,
sodass du berühren kannst, sanft und bestimmt.
Göttliche Kraft stärke deine Füße,
sodass du auftreten kannst, fest und sicher.
Göttlicher Segen sei mit dir und mit uns allen.
Im Namens des Vaters und des Sohnes und
des Heiligen Geistes. Amen.
Kreuzzeichen
Gebet
Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun. Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen. Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen. Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.
Das Evangelium vom Sonntag lesen: Joh 17,1-11a
Hinführung lesen von Mira Stare
Am Schluss der langen Abschiedsgespräche wendet sich Jesus im Gebet zum Vater. Er betet für die Seinen vor den Seinen und legt damit noch einmal das Zeugnis für seine Verbundenheit mit dem Vater und mit den Seinen vor ihnen ab. In diesem Gebet bringt er das zur Sprache, was ihn in dieser Stunde zutiefst bewegt und was seine bleibende Intention ist. Dabei kommt seine Verbundenheit mit den Seinen und mit dem Vater immer wieder sowohl in seinen Feststellungen als auch in seinen Fürbitten vor. Jesus redet Gott mit „Vater" an. Er weiß, dass die Stunde der Verherrlichung und des Abschiedes von den Seinen und von dieser Welt gekommen ist. Er hat vom Vater die Macht über alle Menschen bekommen. Diese Macht manifestiert sich aber nicht im Herrschen über die Menschen, sondern dient dazu, damit Jesus ihnen ewiges Leben gibt. Das ewige Leben ist nicht eine zeitlose Verlängerung des irdischen Lebens. Er beschreibt es so: „Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus" (V. 3). Den einzigen wahren Gott, den Vater, und Jesus, seinen Gesandten, persönlich zu erkennen, ist das ewige Leben. Dabei geht es nicht um einen einmaligen Akt des Intellektes. Dieses Erkennen geschieht in der gegenseitigen Beziehung mit Jesus und durch ihn mit dem Vater. In dieser Beziehung kann nach Johannes der mit Jesus verbundene Mensch bereits hier und jetzt am ewigen Leben partizipieren und nicht erst nach seinem irdischen Tod. Jesus blickt auch auf seine bisherige Sendung zurück und stellt fest: Er hat den Vater auf der Erde verherrlicht und sein Werk, das er ihm aufgetragen hat, zu Ende geführt. Er hat den Vater bzw. seinen Namen den Menschen geoffenbart. Er hat auch die Worte, die er vom Vater bekommen hat, den Menschen gegeben. Alles, was er vom Vater bekommen hat, hat er den ihm anvertrauten Menschen weiter gegeben. Er ist der Empfänger und der Geber zugleich. Jesus stellt fest, dass die Menschen das Wort Gottes und auch seine Worte angenommen und bewahrt haben. Sie haben erkannt, dass er vom Vater ausgegangen ist, und sind zum Glauben gekommen, dass er vom Vater gesandt ist. Auch in dieser Abschiedsstunde liegen die Menschen ihm besonders am Herzen. Er betet: „Für sie bitte ich!" (V. 9).
Zum Weiterdenken
1. Vor seiner Passion betet Jesus zum Vater vor den Seinen. Bete ich immer allein oder bin ich bereit auch vor andern zu beten?
2. Jesus ist gekommen, damit wir Menschen in Beziehung mit ihm und dem Vater das ewige Leben haben – schon hier und jetzt. Welche Vorstellungen und Erfahrungen vom ewigen Leben habe ich?
3. „Für sie bitte ich!" (V. 9) betet Jesus innig für die Seinen und damit auch für mich und dich. Und für wen bitte ich inständig und liebevoll in meinen Gebeten? Nur für mich oder auch für andere?
Gedankenaustausch oder Stille
Der Blick auf bedürftige Menschen:
Kennst du einen Menschen? Kennst du einen Menschen, wo du hingehen kannst, wenn du selber nicht mehr weiter weißt, dem du alles sagen kannst, was dich schon lange drückt, der nicht sagt: Du bist total verrückt? Geh zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr. Und manchmal sei für andre selbst so ein Mensch!
Kennst du einen Menschen, der dich sehr gut kennt: Deine Träume, deine Schmerzen, deine Schuld? Der dich akzeptiert, so wie du wirklich bist, der für dich ein starkes Kraftfeld ist? Geh zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr. Und manchmal sei für andre selbst so ein Mensch!
Kennst du einen Menschen, der auch hart sein kann, der dich fordert und dir nichts erspart? Der dir manchmal weh tut und dich hinterfragt, der dir offen seine Meinung sagt? Geh zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr. Und manchmal sei für andre selbst so ein Mensch!
Kennst du einen Menschen, der vom Ziel weiß, von den Sackgassen und Umwegen auch? Der die Spuren deutet, der den Kompass lesen kann, der dich fragt: Wohin? Wozu? Und: Wann? Geh zu diesem Menschen, geh zu ihm, zu ihr. Und manchmal sei für andre selbst so ein Mensch!
Vater unser
Segen (Christiane Eggers-Faschon):
Der Herr segne dich, er mache dich frei von allem 'du musst', 'man tut', den Erwartungen anderer. Er gebe dir den Mut, deinen eigenen Weg zu gehen. Er behüte dich –
nie sollst du dich verlassen fühlen und hilflos den Umständen ausgesetzt. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig: offene Augen und Ohren schenke dir Gott, dass du seine Wunder jeden Tag erkennst in all den unscheinbaren Dingen des Alltags. Frieden gebe er dir, Ablehnung und Lob anderer Menschen sollen dich nicht beirren. Ein Lächeln für jeden deiner Tage schenke er dir, ein großes Lachen, wenn du dich selbst zu ernst nimmst; und einen Stern in jeder dunklen Stunde. Herausforderungen und genügend Ruhe schenke er dir, neue Ideen und funkelnde Überraschungen. Segnend möge er dir nahe sein – Damit du reifen kannst. Im Namens des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Hinführungen der Weggemeinschaften - ein Projekt der Missionarischen Pastoral der Diözese Innsbruck, www.dibk.at/missionarische-pastoral
Gebet und Hinführung
Kreuzzeichen
Gebet
Rede, Herr, ich höre. Du hast Worte des ewigen Lebens. Herr, lass nicht zu, dass ich dein
Wort nur höre, aber nicht aufnehme; glaube, aber nicht bewahre; kenne, aber nicht tue.
Herr, lass mich aus deinem Wort leben und dich durch mein Leben verherrlichen. Amen.
Das Evangelium vom Sonntag lesen: Joh 14,15-21
Hinführung lesen
von Mira Stare
In den Abschiedsgesprächen vergewissert Jesus den Seinen, dass er sie nicht als Waise zurücklassen wird. Er wird wieder zu ihnen kommen – auch nach seinem Tod – und wird ihr Beistand bleiben. Sie werden aber vom Vater noch einen anderen Beistand bekommen. Das ist der Geist der Wahrheit, der für immer bei ihnen bleiben wird.
Wie innig die Verbundenheit zwischen Jesus, dem Vater und den Seinen ist, zeigt auch diese Aussage Jesu:„Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch" (Joh 14,20). Diese gegenseitige Verbundenheit geschieht in der Liebe: „Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren" (Joh 14,21). Wiederholt zeigt Jesus den Seinen den Zusammenhang zwischen dem Lieben und dem Halten seiner Gebote. Er hat ihnen bereits sein neues Gebot gegeben: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie/weil ich euch geliebt habe, dass auch ihr einander
liebt" (Joh 13,34). Das radikal Neue im Gebot Jesu ist: Weil Jesus selbst den Seinen Liebe erweist, können / sollen auch sie auf diese Weise handeln. Ihr Handeln auch in der Zukunft ist nicht die Voraussetzung, dass sie von Jesus geliebt werden, sondern hat nur den Antwort-Charakter. Es geht um die Antwort auf die bereits geschenkte Liebe Gottes in und durch Jesus Christus.
Zum Weiterdenken:
1. Der auferstandene Jesus und der Heilige Geist sind zwei Beistände, die auch mir für immer gegeben sind und mir „beistehen". Wie nehme ich ihre Gegenwart in meinem Leben wahr?
2. Auch in unserer Zeit gibt es viele Menschen, die sich als „Waisen" erleben - einsam, verlassen und hilflos. Bin ich bereit zu diesen Menschen zu gehen und ihnen die Frohbotschaft zu vermitteln, nämlich dass Jesus und der Heilige Geist auch ihnen in jeder Situation beistehen?
3. Ist es mir bewusst, dass ich von Jesus und Gott schon immer bedingungslos geliebt bin und dass meine Liebe nur eine Antwort auf diese bereits geschenkte Liebe ist?
Gedankenaustausch oder Stille
Der Blick auf bedürftige Menschen:
Herr meiner Stunden und meiner Jahre,
du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir, und sie liegt vor mir.
Sie war mein und wird mein, und ich habe sie von Dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr
und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich nicht, mir mehr Zeit zu geben.
Ich bitte dich aber um viel Gelassenheit, jede Stunde zu füllen.
Ich bitte dich, dass ich ein wenig Zeit freihalten darf von Befehl und Pflicht,
ein wenig für Stille, ein wenig für das Spiel,
ein wenig für die Menschen am Rand meines Lebens, die einen Tröster brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt,
dass ich meine Zeit nicht töte, nicht vertreibe, nicht verderbe.
Jede Stunde ist wie ein Streifen Land.
Ich möchte Liebe hineinwerfen, Gedanken und Gespräche, damit Frucht wächst.
Vater unser
Segen:
Göttlicher Segen sei mit dir
Göttliche Kraft
stärke deinen Rücken,
dass du aufrecht stehen kannst,
wo man dich beugen will.
Göttliche Zärtlichkeit
bewahre deine Schultern
so dass die Lasten, die du trägst,
dich nicht niederdrücken.
Göttliche Weisheit
bewege deinen Nacken,
so dass du deinen Kopf
frei heben und ihn dorthin
neigen kannst,
wo deine Zuneigung von Nöten ist.
Göttliche Zuversicht erfülle deine Stimme,
sodass du sie erheben kannst,
laut und klar.
Göttliche Sorgfalt behüte deine Hände,
sodass du berühren kannst,
sanft und bestimmt.
Göttliche Kraft stärke deine Füße,
sodass du auftreten kannst,
fest und sicher.
Göttlicher Segen sei mit dir,
im Namens des Vaters und des Sohnes und
des Heiligen Geistes. Amen.
Hinführungen der Weggemeinschaften - ein Projekt der Missionarischen Pastoral
der Diözese Innsbruck, www.dibk.at/missionarische-pastoral
Kreuzzeichen
Gebet
Manche Menschen wissen nicht, wie wichtig es ist, dass sie da sind.
Manche Menschen wissen nicht, wie gut es ist, sie nur zu sehen.
Manche Menschen wissen nicht, wie tröstlich ihr gütiges Lächeln wirkt.
Manche Menschen wissen nicht, wie wohltuend ihre Nähe ist.
Manche Menschen wissen nicht, wieviel ärmer wir ohne sie wären.
Manche Menschen wissen nicht, dass sie ein Geschenk des Himmels sind.
Sie wüssten es, würden wir es Ihnen sagen.
(Petrus Ceelen)
Das Evangelium vom Sonntag lesen: Joh 14,1-12
Hinführung lesen
von Mira Stare
Vor seiner Passion nimmt Jesus den Abschied von den Seinen. Sie sind in dieser Situation verunsichert, verwirrt, orientierungslos. Das bisher Vertraute in der Beziehung zu Jesus scheint zu brechen, das Kommende ist noch nicht greifbar. Jesus nimmt diese Situation wahr und geht auf sie ein. Er ermutigt die Seinen: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Glaubt an Gott und glaubt an mich!" (Joh 14,1). Hiermit weist er darauf hin, dass in Verwirrung und Durcheinander im Herzen der Glaube an Gott und an ihn wichtig ist und Verankerung und Halt gibt.
Weiter gibt er den Seinen noch genauer an, wohin er geht. Er geht zum Vater und in sein Haus, um für die Seinen eine sichere Bleibe dort vorzubereiten. Und dann wird er wieder kommen und sie zu sich holen. Auch den Weg dorthin kennen sie. Auf die Verunsiche-rung des Thomas offenbart sich Jesus selber als Weg: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich" (Joh 14,6). Jesus ist der Weg zum Vater. Noch mehr. Wer Jesus erkennt und sieht, der erkennt und sieht den Va-ter. Der Vater, der in Jesus bleibt, vollbringt durch ihn seine Werke. Schließlich gibt Jesus noch eine kühne Perspektive für die Seinen und auch für uns: Auch der oder die an ihn Glaubende wird seine Werke und noch größere vollbringen.
Zum Weiterdenken:
1. Was gibt mir in einer Situation von Verwirrung und Durcheinander Orientierung und Halt? Jesus fordert die Seinen und auch uns auf: „Glaubt an Gott und Glaubt an mich!"
2. „Woher komme ich und wohin gehe ich?" ist eine wichtige Frage für jeden Menschen. In Erschütterungen und Krisen zeigt sich, ob unser Lebensfundament und unsere Grundorientierung halten oder nicht? Jesus hilft den Seinen und auch uns, dieses Fundament in der glaubenden Beziehung zu ihm und dem Vater zu entdecken.
3. Neben der Grundorientierung zeigt Jesus, dass er selber „der Weg, die Wahrheit und das Leben" für die Seinen im konkreten Alltag ist. Habe ich ihn schon als meinen Weg, meine Wahrheit und als mein Leben entdeckt? Jeden Tag habe ich eine neue Chance dafür.
4. Die Werke Jesu und noch größere Werke tun: Das Christsein ist kein passiver Zustand, sondern die Partizipation und das Mitwirken an den Werken Jesu und deren Fortsetzung zu noch größeren Werken. Wo und wie bin ich als Christ / Christin in den Werken Jesu aktiv involviert? Wo und wie vergrößere ich seine Werke in dieser Welt?
Gedankenaustausch oder Stille
Der Blick auf bedürftige Menschen:
Was für ein Glück,
wenn ihr nichts zu verlieren habt,
dann gehört ihr auf die Seite Gottes.
Was für ein Glück,
wenn ihr nicht oberflächlich an aller Not vorbeilebt,
dann werdet ihr umso tieferen Trost erleben.
Was für ein Glück,
wenn ihr geduldige und verstehende Menschen seid,
dann werdet ihr die Zukunft Gottes gewinnen.
Was für ein Glück,
wenn ihr euch mit aller Kraft dafür einsetzt, dass Gerechtigkeit wird,
dann werdet ihr erleben, dass sie in überraschender Weise hereinbricht.
Was für ein Glück,
wenn ihr den Mut habt zu vergeben,
dann werdet ihr selbst auf Vergebungsbereitschaft stoßen.
Was für ein Glück,
wenn euer Herz unkompliziert ist,
dann werdet ihr Gott erfahren.
Was für ein Glück,
wenn ihr Friedensstifter seid,
dann wird euch Gott seine Söhne und Töchter nennen.
Was für ein Glück,
wenn ihr leiden müsst, weil ihr euch dafür einsetzt, dass Gerechtigkeit wird,
dann gehört ihr auf die Seite Gottes.
(nach Matthäus 5)
Vater unser
Segen:
Gott,
du Ursprung allen Lebens,
du Quelle der Liebe,
du bist wie eine gute Mutter
und wie ein guter Vater,
sei vor uns und führe uns,
sei hinter uns und schütze uns,
sei neben uns und begleite uns,
sei zwischen uns und verbinde uns,
sei unter uns und trage uns,
sei in uns und erfülle uns,
sei über uns und segne uns.
Sei du die Freude, die uns belebt,
die Ruhe, die uns erfüllt,
das Vertrauen, das uns stärkt,
die Liebe, die uns begeistert,
der Mut, der uns beflügelt.
So segne uns der gütige und barmherzige Gott,
der Vater, der Sohn und
der Heilige Geist. Amen.
Hinführungen der Weggemeinschaften - ein Projekt der Missionarischen Pastoral der Diözese Innsbruck, www.dibk.at/missionarische-pastoral
3. Fastensonntag (A), 15.03.2020, Joh 4,5-42, Hinführung
Gudrun Guerrini
Mit der Überschrift „Jesus in Samaria" erfahren wir bereits den Ort des Geschehens. Über die Beziehung zwischen Juden und Samaritern erfahren wir in V 9: Die Juden verkehren nicht mit den Samaritern. Die Samariter galten in den Augen der Juden als unrein. Sie waren ein religiöses und nationales Mischvolk, das von den Juden gemieden wurde. Jesus kennt solche Berührungsängste nicht, er sucht bewusst das Gespräch mit der Frau (V9). Ihr Zeugnis (V39) führt später dazu, dass er aufgefordert wird in Samaria zu bleiben (V40) und zu lehren. Viele Samariter kommen so zum Glauben, was im Bekenntnis: Er ist wirklich der Retter der Welt" gipfelt (V42).
Der Dialog zwischen Jesus und der Frau (V 7-15) ist sehr vielschichtig und bewegt sich ausgehend von einem realen Bedürfnis (Jesus hat Durst) hin zu Lebensfragen (Durst nach Leben, Lebendigkeit und Sinn). Im Laufe des Gesprächs kehren sich die Rollen um: Die Frau, die um Trinkwasser gebeten wird, wird zur Bittenden um dieses „Wunderwasser Jesu". Jesus, der als Bittender an sie herantritt, wird zum Geber. Er gibt „lebendiges Wasser", das für die EmpfängerInnen zu einer inneren Quelle wird, die ins ewige Leben überfließt. Im Lied „Alle meine Quellen entspringen in dir" (Gotteslob Nr. 891) ist dieses Motiv musikalisch verdichtet und entfaltet.
Der zweite Teil des Dialogs (V 16-26) beginnt überraschend. Handelt es sich bei den angesprochenen „Männergeschichten" der Frau um ihre realen Beziehungen oder ist es eine Anspielung auf die verschiedenen (männlichen) Gottheiten, die in Samaria angebetet werden? Der Satz der Frau „Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus heißt" (V 25) könne auch ein Hinweis darauf sein, dass sie eine religiös Suchende ist, die den wahren Glauben noch nicht gefunden hat. Das Gespräch endet damit, dass sich Jesus ihr gegenüber als Messias offenbart.
Das Gespräch mit den Jüngern (V 31-38) ist ähnlich doppelbödig wie das Gespräch mit der Samariterin. Diesmal geht es ums Essen. Die Jünger waren zunächst in der Stadt, um Essen zu holen (V 8). Als sie zurückkommen schlägt er ihre Einladung: „Iss, Rabbi!" aus. Analog zur Wassergeschichte wird Jesus nicht von irdischen Speisen satt. Seine Aufgaben, den Willen des Vaters zu tun und sein Werk der Sammlung zu vollenden, nähren und sättigen ihn. Die Sendung zu den Menschen beschreibt er im Bild von Aussaat und Ernte. Jesu „Ernte" folgt sogleich. Viele Samariter kommen zum Glauben.
Zum Weiterdenken:
1. Welchen Lebens-Durst verspüren Sie? Nach Beziehung, Sinn, Hoffnung, ...
Welche Quellen haben Sie in ihrem Leben (bisher) gefunden? Können Sie in der aktuellen Situation „hingehen"?
2. „Alle meine Quellen entspringen in dir" (GL 891) – Der Liedtext lädt zum Verkosten ein. Nehmen Sie sich Zeit, Zeile für Zeile zu betrachten. Achten Sie dabei auf Ihre inneren Regungen und verweilen Sie an der Stelle, die sie besonders anspricht.
3. Das Evangelium kann auch unter der Perspektive gelesen werden: Zu wem/für wen ist Jesus gekommen und wie geht Jesus auf die Menschen zu? Welche Antworten entdecken Sie in dieser Geschichte? Was bedeutet das für uns heute?
Möglicher Ablauf
für das Lesen, Meditieren des Sonntagsevangeliums und für das Gebet
Kreuzzeichen, Gebet (Gotteslob 891)
Alle meine Quellen entspringen in dir, in dir mein guter Gott.
Du bist das Wasser, das mich tränkt und meine Sehnsucht stillt.
Du bist die Kraft, die Leben schenkt, eine Quelle, welche nie versiegt.
Du bist der Geist, der in uns lebt, der uns reinigt, der uns heilt und hilft.
Du bist das Wort, das mit uns geht, das uns trägt und uns die Richtung weist.
Amen.
Evangelium vom Sonntag lesen
Hinführung lesen
Evangelium vom Sonntag noch einmal lesen
Gedankenaustausch oder Stille
Gebet in der Corona-Krise (von Bischof Hermann überarbeitet und ergänzt)
Herr, Du Gott des Lebens,
betroffen von der Not der Corona-Krise kommen wir zu Dir.
Wir beten für alle, deren Alltag jetzt massiv belastet ist
und bitten um Heilung für alle Erkrankten.
Sei den Leidenden nahe, besonders den Sterbenden.
Tröste jene, die jetzt trauern, weil sie Tote zu beklagen haben.
Schenke den Ärzten und Forschern Weisheit und Energie,
und allen Pflegenden Kraft in dieser extremen Belastung.
Gib den politisch Verantwortlichen Klarheit für richtige Entscheidungen.
Wir danken für alle Frauen und Männer, die gewissenhaft
die Versorgung und Infrastruktur unseres Landes aufrecht erhalten.
Wir beten für alle, die in Panik sind oder von Angst überwältigt werden.
Wir beten für alle, die großen materiellen Schaden erleiden oder befürchten.
Guter Gott, wir bringen Dir alle, die in Quarantäne sein müssen,
sich einsam fühlen und niemanden an ihrer Seite haben.
Stärke die Herzen der alten und pflegebedürftigen Menschen,
berühre sie mit Deiner Sanftheit und gib ihnen die Gewissheit,
dass wir trotz allem miteinander verbunden sind.
Von ganzem Herzen flehen wir, dass die Epidemie abschwillt
und dass die medizinischen Einrichtungen und Ressourcen
den aktuellen Anforderungen gerecht werden können.
Wir beten, dass die Zahlen der Infizierten und Erkrankten zurückgehen.
Und wir hoffen, dass in allen Bereichen bald wieder Normalität einkehren wird.
Guter Gott, mache uns dankbar für jeden Tag, den wir gesund verbringen.
Lass uns nie vergessen, dass unser Leben ein zerbrechliches Geschenk ist.
Ja, wir sind sterbliche Wesen und können nicht alles kontrollieren.
Du allein bist Ursprung und Ziel von allem, Du allein bist ewig, immer liebend.
Dein Heiliger Geist bewahre unsere Herzen in der Dankbarkeit.
Getragen von einem tiefen Frieden werden wir die Krise bestehen.
Jesus, Du Herr und Bruder aller Menschen,
Deine Gegenwart vertreibt jede Furcht, sie schenkt Zuversicht
und macht unsere Herzen bereit, offen und aufmerksam füreinander.
Jesus, wir vertrauen auf Dich!
Heilige Maria, Mutter unseres Herrn, und alle heiligen Frauen und Männer,
Nothelfer und Schutzpatrone unseres Landes bittet für uns! Amen.
Vater unser
Segen:
Gott lasse dein Leben gelingen
Der mütterlich-väterliche Gott sei dir nahe
in allem, was dir begegnet auf dem Weg des Lebens.
Er umarme dich in Freude und Schmerz
und lasse aus beidem Gutes wachsen.
Ein offenes Herz schenke er dir für alle,
die deiner bedürftig sind.
Selbstvertrauen und den Mut, dich verwunden
und heilen zu lassen.
In aller Gefährdung bewahre er dir Seele und Leib
und lasse dein Leben gelingen.
(Sabine Naegeli)
2. Fastensonntag (A), 08.03.2020, Mt 17,1-9, Hinführung
Gudrun Guerrini
Das Evangelium des zweiten Fastensonntags trägt die Überschrift „Die Verklärung Jesu". Der konkrete Ort des Geschehens wird in der Bibel nicht benannt, eine christliche Tradition lokalisiert es am Berg Tabor, wovon sich auch der Begriff „Taborstunde" ableitet.
In dieser Vision, die die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg haben, verschwimmen die Grenzen zwischen irdischer und himmlischer Welt. Die Grenze des Leiblichen, die Grenzen von Raum und Zeit werden aufgehoben.
• Jesus wird vor den Augen der Jünger verwandelt. Sein Gesicht und sein Gewand leuchten und die Stimme aus einer Wolke offenbart ihn als Gottes geliebten Sohn, auf den sie hören sollen.
• Jesus ist im Gespräch mit Mose und Elija. Auch für diese beiden war ein Berg der Ort intensiver Gottesbegegnung. Am Sinai empfängt Mose die Steintafeln mit den Geboten (Exodus 24), am Karmel erweist sich die Wirkmächtigkeit Gottes, als Elija gegen die Baalspriester antritt (1 Könige 18,20-40). Am Horeb erfährt das Gottesbild des Elija eine entscheidende Prägung (1 Könige 19,9-13).
In der Vision erfahren die Jünger etwas über Jesus. Mitten in seinem irdischen Wirken strahlt sein Gott-Sein auf, es öffnet sich für einen kurzen Augenblick ein Türspalt zur Ewigkeit. Solche Augenblicke lassen sich nicht konservieren (V4 Hütten bauen, V9 sie steigen vom Berg hinab) und sie sind irgendwie unheimlich und respekteinflößend. (V6 Jünger können nicht hinschauen, sie fürchten sich.)
Besondere Glaubenserfahrungen sind ein Geschenk. Sie lassen sich nicht festhalten und hinterlassen trotzdem Spuren in denjenigen, die sie machen. Etwas bleibt zurück: Eine Erinnerung, eine Sehnsucht, eine Ahnung, dass das Leben über das Sichtbare und Irdische hinausreicht oder umgekehrt: dass das Göttliche in unserem Leben und in der Welt erfahrbar aufleuchtet.
Zum Weiterdenken:
1. Meine persönliche Taborstunde – Habe ich eine ähnlich einschneidende Glaubenserfahrung machen dürfen? Mit welchem konkreten Ort verbinde ich sie?
2. Auf ihn sollt ihr hören! – In den Evangelien sind uns zahlreiche Jesusworte überliefert. Gibt es ein Jesuswort, das mich stärkt, mir Hoffnung gibt, mein Handeln leitet?
1. Fastensonntag (A), 01.03.2020, Mt 4,1-11, Hinführung
Gudrun Guerrini
Mit der Erzählung von der Versuchung Jesu schließt der erste Teil des Matthäusevangeliums - die Vorgeschichten – ab. In diesem Abschnitt wird unter verschiedenen Blickwinkeln das Thema „Wer ist Jesus?" beleuchtet. Gleich im ersten Satz (V1) erfahren wir, was kommen wird: Nach 40-tägigem Fasten in der Wüste wird Jesus vom Teufel versucht werden.
Dieser beginnt den Dialog: Wenn du der SOHN GOTTES bist, so... (V3)
Der Versucher trifft mit dieser Anrede den zentralen Aspekt der Identität Jesu, nämlich seine göttliche Abstammung, die zuvor in der Geburtserzählung (Mt 1,18-25) und in der Taufszene (Mt 3,13-17) entfaltet wurde.
Inhaltlich werden in den Versuchungen einige der damaligen Erwartungen an einen Messias aufgegriffen. Dass Jesus diese Versuchungen zurückweist und wie er das begründet, zeigt uns eindrücklich, wer Jesus ist und wie er SOHN-GOTTES-SEIN verkörpert:
• Er zitiert die Schrift als Quelle und handelt dementsprechend.
• Er lebt aus dem Wort. Er ist nicht ein „Brot-Held", der den materiellen Hunger stillt und so Armen hilft. (V3-4)
• Er stellt Gott nicht auf die Probe. Er inszeniert keine spektakulären Auftritte um seiner selbst willen. (V 6)
• Er dient Gott allein. Er strebt nicht nach (politischer) Macht und Herrschaft und verkauft dafür seine Seele nicht an den Versucher. (V 8-10)
Wenn wir über menschliche Versuchungen heute nachdenken, so wollen wir wie in dieser Schriftstelle bei dem ansetzen, was darauf abzielt, uns in unserer Identität „auszuhebeln" bzw. in Frage zu stellen. Solche Anfragen klingen beispielsweise so: Wenn du mein Freund bist, dann... oder: Wenn du mich liebst, dann .... - in diesen und ähnlichen Sätzen werden Erwartungen formuliert, Bedingungen gestellt, bis hin zu Erpressungen.
Auch die Einflüsterer heute haben einen Namen. Werbung verlockt zu unnötigem Konsum. Der „Mainstream" suggeriert, dass das, was „alle" tun, auch richtig ist. Standhaft und sich selber treu zu bleiben ist eine Herausforderung.
Zum Weiterdenken:
1. Welche Versuchungen kenne ich? Welche „Einflüsterungen" begegnen mir im Alltag?
2. Was hilft mir, mir selber treu zu bleiben?
3. Was sind meine Quellen? Ist der Glaube ein tragfähiges Fundament?
7. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A, 23.02.2020, Mt 5,38-48, Hinführung
Martin Lesky
Das heutige Sonntagsevangelium schließt direkt an das vom letzten Sonntag an. Beide Stellen gehören zusammen. In beiden geht es um die Beziehung zwischen den Menschen, geht es um Liebe und Gerechtigkeit, geht es um das menschliche Zusammenleben. Während in der Stelle vom letzten Sonntag Jesus drei Mal mit den Worten beginnt: „Ihr habt gehört ..." und dann sagt: „Ich aber sage euch ...", so ist es in der heutigen Stelle zwei Mal. Es geht wieder um die bessere Gerechtigkeit und darum, wie das Übel misslingender mitmenschlicher Beziehungen an der Wurzel gepackt werden kann.
Jesus beginnt in der heutigen Stelle mit den Worten: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn." Jesus zitiert hier Ex 21,24 und erinnert an eine Erfahrung, dass sich Gewalt schnell hochschaukeln kann bis hin zur Eskalation. Wir kennen das in unserem Leben und in unserer Welt. Viele Kriege sind so entstanden. Jesus stellt sich dagegen und geht einen neuen Weg. Dies beschreibt er in den folgenden Zeilen mit mehr geben, als gefordert wird ...
Den zweiten Absatz beginnt Jesus mit einem Zitat aus Lev 19,18 „Du sollst deinen Nächsten lieben" und fügt die Worte hinzu „und deinen Feind hassen". Den Feind hassen findet sich so nie im Alten Testament. Im Gegenteil wird dort Feindeshilfe immer wieder gefordert. Jesus will vielmehr auf eine Praxis der Pharisäer hinweisen, dass die Nächstenliebe nur für nähere Verwandte gelten soll. Wenn Jesus die Feinde zu Nächsten erklärt, dann gibt es diese Unterscheidung in nähere oder fernere Verwandte nicht mehr. Wer Jesus nachfolgt, soll nicht nur seine Verwandten und Vertrauten grüßen (segnen), sondern auch die Feinde, Gegner, die das Leben erschweren und verbittern, die beleidigen und wehtun, verletzten oder verfolgen. Jesus will die Überwindung zwischenmenschlicher Konflikte. Er will das Leben in Fülle für alle. Wenn uns das gelingt, dann sind wir in der Spur Gottes, unseres himmlischen Vaters.
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was berührt mich in dieser Stelle?
2. Welche Möglichkeiten sehe ich, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen? Kenne ich Beispiele in meinem Leben?
6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A, 16.02.2020, Mt 5,17-37, Hinführung
Martin Lesky
Nach dem letzten Sonntagsevangelium vom „Salz und Licht sein" folgt das heutige Evangelium. Es ist eine erste Konkretisierung des „Salz und Licht seins". Es ist die dritte Stelle in der Bergpredigt.
Für Jesus ist das Gesetz und die Propheten Grundlage seines Handelns. Dies ist wichtig für das weitere Verstehen dieser Stelle. Man könnte zwar zuerst meinen, Jesus sei ein Freund der Pharisäer, denn sie waren diejenigen, die das Gesetz bis ins Kleinste erfüllten. Aber Jesus meint nicht ein wortwörtliches Halten und Erfüllen der Gesetze, sondern durch die Liebe und Gerechtigkeit wird das Gesetz erfüllt, wie in den kommenden Versen klar wird. Da heißt es zuerst einmal: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist" – wörtlich übersetzt „überfließt". Diese Überfüllung zeigt sich in den folgenden drei Beispielen mitmenschlicher Beziehungen.
Jesus beginnt jedes Mal mit den Worten: „Ihr habt gehört ..." und sagt dann: „Ich aber sage euch ..." Die bessere Gerechtigkeit beginnt bei diesem ersten Beispiel mit dem Umgang miteinander. Zorn und Schimpfen gehören nicht dazu, sondern Versöhnung, sogar mit dem Feind.
Weiter geht es mit dem Gebot, nicht die Ehe zu brechen. Jesus wendet sich gegen jede Leichtfertigkeit, die Ehe zu brechen. Die einzige Ausnahme für einen Ehebruch formuliert Jesu in der Unzucht. Um seine Entschlossenheit zu zeigen fügt Jesus das Wort vom rechten Auge hinzu.
Das dritte Beispiel handelt vom Schwören. Die bessere Gerechtigkeit zeigt sich darin, dass Christinnen und Christen ehrlich miteinander umgehen.
In dieser Stelle geht es ganz stark um Beziehung, um den Umgang miteinander. Die Botschaft Jesu könnte lauten: Warte nicht, bis es zur Übertretung des Gesetzes kommt, bis etwas Schlimmeres passiert, sondern reagiere schon bei kleinen Anzeichen von Beziehungsstörungen. Gib der Liebe und der Gerechtigkeit Raum!
Fragen zum Weiterdenken:
1. Was berührt mich in dieser Stelle besonders?
2. Was sind für mich kleine Anzeichen von Beziehungsstörungen, wie könnte ich in solchen Situationen reagieren?
GEISTreich - Diözese Innsbruck
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