Was ist der Kern des Christentums?


Jesus Christus benennt das Gebot der Liebe als Kern aller Gebote. Gedanken dazu von Bischofsvikar Jakob Bürgler finden Sie im Link.

30. Sonntag im Jahreskreis
29. Oktober 2023
Johanneskirche

Stellen wir uns vor, jemand, der das Christentum nicht kennt, kommt zu diesem Gottesdienst, sieht, was da geschieht, schaut und hört, versucht zu verstehen, lässt sich nicht irritieren von für ihn „komischen" Dingen und Handlungen, sondern bleibt „am Ball" und will mehr wissen.
Und er kommt dann zu einer oder einem von uns und fragt: Was ist der Kern eures Glaubens? Was ist das Wichtigste? Worauf ruht alles andere auf? Auf was hin will euer Gottesdienst lenken und warum tut ihr das alles?
Wenn man in den Glauben hineingewachsen ist, vielleicht schon seit der Kindheit, wenn man die Fülle an Worten, Zeichen, Glaubenssätzen, Überzeugungen, Orientierungen, Traditionen und Besonderheiten kennt, ist es gar nicht so einfach, das Wesentliche zu formulieren. Alles gehört irgendwie dazu. Alles ist wichtig. Und ganz unterschiedlich sind die Dinge, die den Menschen am christlichen Glauben imponieren oder für sie wichtig sind.
Ein Versuch: Das Wichtigste am christlichen Glauben ist die Person Jesus Christus. Er ist das starke Zeichen Gottes, dass Gott diese Welt liebt, dass er will, dass die Menschen glücklich werden und Heil finden, dass eine Menschheitsfamilie wachsen kann, in der sich ein Stück Himmel zeigt, den Gott schaffen will. Wirklich nur ein kleiner Versuch. Vielleicht nehmen wir diese Frage mit nach Hause: Was ist der Kern des Christentums für mich?
Und als zweite Frage könnte man nachschieben: Was ist im Christentum die wichtigste Regel, das zentrale Gebot, die entscheidende Maxime? Auf diese Frage gibt Jesus im heutigen Evangelium eine beeindruckend klare und prägnante Antwort. Es ist ja so, dass im Judentum, zu dem Jesus gehört und aus dem er lebt, eine Unzahl von Geboten und Verboten überliefert werden. Und an alle muss sich ein gläubiger Mensch halten.
Die Frage der Pharisäer ist hinterlistig: Wenn Jesus nicht das ganze Gesetz als gültig benennt, dann kann man ihn als Ungläubigen „markieren" und ablehnen. Und wenn er der Frage ausweicht, hat er auch schon verloren. Also: Falle! Aber: Jesus tappt nicht hinein. Er reagiert souverän. Er macht deutlich, dass er das Gesetz verinnerlicht hat, dass „in das Gesetz eingewoben" lebt, dass er den Sinn der vielen Gebote und Verbote versteht und auch, dass er die Deutungsvollmacht über das Gesetz hat. „Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat", sagt Jesus einmal. Ja, Jesus kann mit Vollmacht das Gesetz auslegen und deuten.
Und das tut er auch. Wir kennen aus unserem Alltag den Begriff „Konzentrat". Konzentrat bedeutet, dass der Kern, das Wesentliche, das Produkt in einer ganz dichten und „unverdünnten" Form vorliegt. Da gibt es keine unnötigen Zusatzstoffe. Da wird nichts verwässert. Da hat man es mit dem Wesentlichen zu tun.
Das Konzentrat der Gebote, so sagt Jesus, lautet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Mt 22,37-39) Das ist also die Antwort auf die Frage, welche Maxime, welches Gebot, welche Orientierung und welche Regel den Kern des Christentums bilden. „Das Doppelgebot der Liebe", sagen wir manchmal.

Ein paar kleine Gedanken dazu: Es braucht eine gepflegte Beziehung zu Gott. Christentum ist keine Sozialphilosophie, keine bloß diakonische Lebenspraxis. Im Zentrum stehen die Begegnung mit und die Beziehung zu Gott. Und das voll mit ganzem Herzen, mit allen Kräften. Mit Haut und Haar.
Aber auch: Ein Christentum ohne soziale Dimension gibt es nicht. Ich kann nicht behaupten, ein tiefgläubiger Mensch zu sein, wenn ich keine Ader für Mitmenschlichkeit habe, wenn mir das Schicksal und die Last anderer Menschen gleichgültig sind. Die Liebe zum Armen gehört in den Kern des Christentums. In diese Richtung weist auch die erste Lesung vom heutigen Sonntag. Also: Politisches Kalkül ist zu wenig.
Und: Es geht um Selbstannahme. Die Liebe zu sich selbst kann Egoismus sein. Das ist hier nicht gemeint. Gemeint ist die Haltung, dass ich mein Leben annehme, dass ich mich mit mir selbst, mit dem, wie ich geworden und geprägt bin, mit meinem konkreten Leben versöhne und es annehme. Jemand hat einmal so übersetzt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie Gott DICH liebt. Und weil dich Gott mit aller Kraft liebt, kannst du dich annehmen und den Nächsten lieben.
Und damit bin ich wieder am Beginn der Predigt. Was ist das Wichtigste im Christentum? Dass Gott uns unbändig liebt. Und dass Jesus Christus uns das vorgelebt hat. Und dass unsere Antwort darauf ein Leben in Liebe ist, auf Gott hin, auf die Mitmenschen hin und auf mich selbst hin.

Jakob Bürgler

Die Predigt finden Sie hier auch als PDF.

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